Claudia Kraml

FachbereichGermanistik
HauptbetreuerinAssoz. Prof. Dr. Anna Kathrin Bleuler
NebenbetreuerUniv.-Prof. Dr. Manfred Kern
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Thema der DissertationNeidhart im Codex Manesse. Untersuchung zum poetischen Profil des Autors in Handschrift C unter Berücksichtigung des Blattverlustes und des Überlieferungskontextes
AbstractAusgangspunkt der Dissertation ist die Tatsache, dass das Werk des Dichters Neidhart im Zuge der frühen altgermanistischen Editionsphilologie Werturteilen ausgesetzt war, die bis heute einen großen Einfluss auf die Rezeption des Dichters ausüben. Als Karl Lachmann und Moriz Haupt damals erstmals eine Sondierung und Beurteilung mittelhochdeutscher Lyrik unter u.a. ästhetischen und moralischen Wertvorstellungen vornahmen, wurde die Berliner Neidhart-Handschrift R zum ‚zuverlässigsten‘ Überlieferungsträger erklärt. Dem Corpus des Autors im Codex Manesse kam jedoch in seiner Gesamtheit bis in die Gegenwart keine hohe Aufmerksamkeit zu.
Angesichts dessen lautet die übergeordnete Forschungsfrage der Arbeit: Wie lässt sich das poetische Profil Neidharts in Hs. C beschreiben? Anders als in bisherigen Untersuchungen sollen hier wesentliche Charakteristika der Gedichte in seinem C-Corpus herausgearbeitet werden, wobei vor allem die singuläre Überlieferung in C einen hohen Stellenwert einnimmt. Das methodische Vorgehen umfasst dabei prinzipiell drei unterschiedliche Arbeitsschritte: Zunächst soll eine Rekonstruktion der im 17. Jahrhundert verlorengegangenen Strophen dieses Corpus vorgenommen werden, wobei die Parallelüberlieferung sowie drei Publikationen des mutmaßlichen ‚Blätterdiebs‘ Melchior Goldast als Hilfmittel dienen. Der Hauptteil der Arbeit besteht in der Erstellung von Neidharts Autorprofil anhand seiner Lieder in C: Nach einer Auseinandersetzung mit theoretischen Überlegungen zum Autorkonzept im Mittelalter erfolgt eine Gruppierung der Lieder nach ihrer jeweiligen Parallelüberlieferung und eine Einordnung innerhalb der verschiedenen typologischen Systeme von Ruh (1986), Schweikle (1990) und Bleuler (2018). Der Fokus der Analyse liegt dabei auf jenen neun Liedern, die in C singulär erhalten sind, sowie bei den Mehrfachüberlieferungen auf den Besonderheiten der C-Versionen. Schließlich werden potentielle Motive für den gegebenen Sammlungskontext des Neidhart-Corpus ergründet, was zum einen die Anordnung des Œuvres zwischen zwei anderen Autoren, zum anderen aber auch die Reihenfolge der einzelnen Lieder betrifft.
Insgesamt wird angestrebt, einen Beitrag zur Erforschung dieses Werks – hin zu einem differenzierteren Neidhart-Bild – zu leisten sowie nationalästhetische Werturteile des 19. Jahrhunderts zu revidieren, die die germanistische Mediävistik bis in die Gegenwart prägen.