Irene Brandenburg – Projekte

In Vorbereitung: Tanz im Dritten Reich: Friderica Derra de Moroda (1897–1978) und das KdF-Ballett

FWF-Projekt Angiolinis Spätwerk in der Wissenskultur der Aufklärung (P 21949; Leitung: Sibylle Dahms; Laufzeit: 28.12.2009–27.12.2012)
FWF-Projekt Tanztheoretische Schriften von Gasparo Angiolini (P 19568; Leitung: Sibylle Dahms; Laufzeit: 1.7.2007 bis 30.6.2009)
FWF-Projekt Ballettkompositionen im Kontext der Wiener Klassik (P 15270; Leitung: Sibylle Dahms; 1.3.2002–28.2.2006)
Wissenschaftliche •Mitarbeit in der Gluck-Forschungsstelle der Universität Salzburg (1990–2009); seit 2018 stellvertretende Leiterin•

FP Tanz im Dritten Reich: Friderica Derra de Moroda (1897–1978) und das KdF-Ballett (in Vorbereitung)
Die Derra de Moroda Dance Archives, seit 1978 dem heutigem Fachbereich Kunst-, Musik- und Tanzwissenschaft der Universität Salzburg angegliedert, gehen zurück auf die Tänzerin, Choreographin, Tanzpädagogin, Tanzforscherin und -sammlerin Friderica Derra de Moroda (1897–1975), die mit ihrer einzigartigen Sammlung an tanzrelevanten Materialien die DdMDA als eine der frühesten Einrichtungen dieser Art begründete. Während ihre hieraus resultierenden Verdienste, insbesondere im Hinblick auf die internationale Positionierung und Profilierung der auf das Archiv rekurrierenden Salzburger Tanzwissenschaft, wohl unbestritten sind, wirft ihre künstlerische Biografie viele kritische Fragen auf. Dies gilt insbesondere für die Jahre 1938–1945, die Derra de Moroda, ursprünglich griechisch-ungarischer Herkunft und seit 1936 britische Staatsbürgerin, im nationalsozialistischen Deutschland verbrachte. Obwohl ihre vormaligen tanzbezogenen Aktivitäten in England, insbesondere als „Europavertreterin der englischen Zeitschrift ‚Dancing Times‘ und mit allen Juden und Deutschhassern zusammen im höchsten Ballroomkomité“[1] von der Reichskulturkammer kritisch moniert wurden, übernahm sie 1940 die Leitung einer der NS-Gemeinschaft „Kraft durch Freude“ unterstellten Balletttruppe. Diese gab – zunächst als Kammertanzgruppe Derra de Moroda, später als Reichsballett der NS-Gemeinschaft Kraft durch Freude – Tanzabende in der Hauptstadt Berlin, aber auch, im Rahmen alljährlich durchgeführter Tourneen, in anderen Städten des Deutschen Reiches und ist somit als Teil der propagandistischen Kulturpolitik des nationalsozialistischen Regimes zu werten. In dem Vertrag, den Derra de Moroda am 16. November 1940 mit der Deutschen Arbeitsfront bzw. der durch Bodo Lafferentz vertretenen Organisation „Kraft durch Freude“ schloss,[2] verpflichtete sie sich, die Balletttruppe „nach bester künstlerischer und sittlicher Überzeugung im Bewusstsein nationaler Verantwortung zu leiten“ und ferner „dem Leiter des Amtes Feierabend laufend über alle bedeutsamen und aussergewöhnlichen Vorfälle und Pläne Bericht zu geben“. Nachdem Darbietungen des KdF-Balletts in Berlin das Missfallen Robert Leys, des Leiters der Deutschen Arbeitsfront, hervorgerufen hatten, wurde Derra de Moroda die Leitung der Truppe im November 1942 nominell entzogen und Heinz Tietjen, dem damaligen Generalintendanten der Preußischen Staatstheater, anvertraut; de facto lag die künstlerische Verantwortung jedoch bis zur Auflösung der Truppe infolge der von Goebbels im August 1944 verfügten Theatersperre weiterhin in Derra de Morodas Händen. Trotz verdienstvoller Einzelstudien zu diesem Teil der Biografie Derra de Morodas, die von den Kuratorinnen des Archivs vorgelegt worden sind,[3] und obwohl das Archiv einen umfangreichen Bestand an Dokumenten, Fotos, Presseberichten, Korrespondenzen, Musikalien, Notaten und persönlichen Aufzeichnungen Derra de Morodas aus dieser Zeit besitzt, steht eine umfassende Studie zu diesem Thema bis heute aus. Um diese Lücke zu schließen, ist ein Forschungsprojekt geplant, das – ausgehend von den entsprechenden Quellenmaterialien des Archivs – dem KdF-Ballett gewidmet sein soll. Insbesondere wird dabei Derra de Morodas zweifellos problematische, ambivalente Rolle und ihre Verflechtung mit nationalsozialistischen Interessen auf kulturellem Gebiet kritisch zu hinterfragen und vor dem zeit- und kulturgeschichtlichen Hintergrund zu evaluieren sein.


[1]      Undatierte Karteikarte der Reichskulturkammer, zitiert nach Gunhild Oberzaucher-Schüller, Klassische Ordnung in nationalsozialistischer Tanzlandschaft. Derra de Moroda und das KdF-Ballett, in: Claudia Jeschke und Nicole Haitzinger (Hg.), Tanz und Archiv: ForschungsReisen. Biografik, Heft 2 (derra dance research), München: epodium 2010, S. 101–119, hier S. 102.
[2]      Ein von Derra de Moroda und Lafferentz unterzeichnetes Exemplar dieses Vertrages befindet sich in den Derra de Moroda Dance Archives.
[3]      Neben dem in Fußnote 1 genannten Beitrag vgl. hierzu insbesondere Sibylle Dahms, Der Tanz – ein Leben. Friderica Derra de Moroda 1897–1978, in: dies. und Stephanie Schroedter (Hg.), Der Tanz – ein Leben. In Memoriam Friderica Derra de Moroda. Festschrift Salzburg 1997 (Publikationen des Instituts für Musikwissenschaft der Universität Salzburg. Derra de Moroda Dance Archives. Tanzforschungen IV), S. 9–116, hier S. 82–105.