Adneter Marmor – Ein geologischer Botschafter aus dem Salzburger Land für die Welt
Der rötliche Adneter Marmor ist sowohl für die Kunstgeschichte als auch für die Geologie von großer Bedeutung. Geolog*innen und Kunstwissenschaftler*innen der Universitäten Salzburg und Konstanz erforschen in einem gemeinsamen Projekt die Strukturen im Gestein.
Im Fokus des Projekts stehen die so genannten Stylotithe, das sind die wellig gezackten Linien im Gestein. Für Geologen sind die Stylolithe interessant, weil sie Aufschlüsse über die Entwicklung der Landschaft über Jahrmillionen geben, für die Kunstgeschichte liegt das Hauptaugenmerk auf ästhetischen Kriterien. Durch die Brücke zwischen Geologie und Kunstwissenschaft wollen die Disziplinen inhaltlich und methodisch voneinander profitieren. In Salzburg koordiniert der Geologe Christoph von Hagke das Projekt.
Insbesondere wegen seiner Rotfärbung – rote Farbe wird mit Herrschaft assoziiert – war der Adneter Marmor aus dem Salzburger Land Jahrhunderte lang in Mitteleuropa ein begehrter Naturstein für Repräsentationsbauten. Die 24 Säulen des Parlamentsgebäudes in Wien sind zum Beispiel daraus gefertigt oder das Kaisergrab im Stephansdom. Er wurde aber auch weit darüber hinaus genutzt, von Krakau bis Kanada.
Entstanden ist der Adneter Marmor vor rund 200 Millionen Jahren an der erdgeschichtlichen Trias-Jura-Grenze, die geologisch interessant ist, weil es damals zu einem großen Massenaussterben kam. „Das heutige Salzburg war damals ein Ozean, genauer gesagt ein tropisches Korallenriff, nahe der Böhmischen Masse. Dort verwitterten Eisen-reiche Minerale, die in das Riff transportiert wurden, daher kommt die rote Farbe des Adneter Marmors“, erklärt der Strukturgeologe Christoph von Hagke von der Universität Salzburg und ergänzt „Geologisch betrachtet ist der Adneter Marmor kein Marmor, sondern ein Kalkstein. Er hat keine vollständige Metamorphose durchgemacht, ist nicht komplett re-kristallisiert wie das bei echtem Marmor der Fall ist, sondern man erkennt bei ihm noch die ursprünglichen Ablagerungsbedingungen und die Fossilien.“
Eine besondere Qualität des Adneter Marmors sind die oft Dutzende Meter langen Stylolithe – sägezahnförmige Strukturen im Marmor, die sich bilden, wenn erhöhter Auflastdruck zu Auflösungserscheinungen von Mineralen im Gestein führt. Durch den Abbau des Adneter Marmors als Steinbruch sind die Stylolithe über sehr lange Strecken aufgeschlossen und liefern riesige Datenmengen. Die Stylolithe stehen im Zentrum von Christoph von Hagkes Interesse. „Diese Formen sind wichtige Forschungsgegenstände, da sie Rückschlüsse auf die ehemaligen Druckbedingungen zulassen. Man kann potenziell ableiten, wie viel Auflast das Gestein erfahren hat, d.h. wie viel Material erodiert wurde. Diese Information ist für Erkenntnisse zur Landschaftsentwicklung wichtig und findet konkrete Anwendung zum Beispiel im Verständnis von Fluidfluss im Untergrund. Das bedeutet wie Wasser, Öl oder Gas unterirdisch fließen, was bisher besonders für die Ölindustrie maßgeblich war, und neuerdings immer stärker für die Geothermie von Belang ist. Zudem ist es relevant für die Endlagerung radioaktiver Abfälle.“
Für die Geometrien im Marmor interessiert sich aber nicht nur die Geologie, sondern auch die Kunstwissenschaft. Nun gibt es erstmals eine gemeinsame Forschung zu strukturanalytischen Fragen, sagt der kunstbegeisterte Geologe. „Die Kunsthistorikerin Marthe Kretzschmar von der Universität Konstanz untersucht in einem von der Gerda Henkel Stiftung geförderten Projekt die Schnittstelle zwischen Bildender Kunst und Geologie und hat mich kontaktiert, so ist diese außergewöhnliche Kooperation zustande gekommen“.
Mehr zum universtätenübergreifenden Projekt unter: ( https://lisa.gerda-henkel-stiftung.de/marmorskulptur_und_geologie_episode6)
Um die Geometrien von Stylolithen zu erfassen und die enormen Datenmengen zu analysieren, ist eine spezielle Mathematik erforderlich, die Mathematik von Fraktalen. Fraktale sind – wie bei Schneeflocken – geometrische Formen, deren Struktur sich in verschiedenen Maßstäben wiederholt. Simon Hirländer vom IDA Lab Salzburg (Lab for Intelligent Data Analytics Salzburg), davor am CERN tätig, leistet die fraktale Analyse in dem interdisziplinären Marmor-Projekt.
„Noch steht das Projekt am Anfang, aber wir sind schon zu einigen konkreten Erkenntnissen gekommen. Der Sprung von der Geometrie zur Auflast ist demnach deutlich schwieriger als bisher angenommen. Der Ansatz mit der fraktalen Analyse kann uns Aufschluss über Formen im Raum geben. Eine Brücke zwischen Geologie, Mathematik und Kunstwissenschaften zu bauen, ist essentiell, da die Disziplinen sich intensiv mit strukturanalytischen Fragen beschäftigen und so inhaltlich und methodisch voneinander profitieren können,“ sagt Christoph von Hagke.
Kontakt:
Univ.-Prof. Dr. Christoph von Hagke | Leiter AG Geologie | Fachbereich Geographie und Geologie | Universität Salzburg | Hellbrunner Straße 34 I 5020 Salzburg | t.: +43 662 8044 5401