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Aus Feind wird Freund

Einem möglichen Ursprung der Tierbestäubung auf der Spur

Einem internationalen Forscherteam um Florian Etl und Jürg Schönenberger (Universität Wien), Stefan Dötterl und Mario Schubert (Universität Salzburg) sowie Christian Kaiser und Oliver Reiser (Universität Regensburg) ist es erstmals gelungen, eine wichtige Hypothese zur Evolution und Diversität der Bestäubung durch Tiere zu bestätigen: Pflanzenschädlinge können im Laufe der Evolution zu nützlichen Bestäubern werden.

Die Botaniker*innen nennen dies „antagonist capture“. Dabei „schnappen“ sich die Pflanzen durch evolutive Anpassungen in den Blüten oder Blütenständen einen Schädling und machen ihn zu einem Bestäuber. Diese Theorie ist nun erstmals an einem Aronstabgewächs (Araceae) aus der Gattung Syngonium in Costa Rica bestätigt worden. Die Untersuchungen, die auch ein völlig neues Bestäubungssystem und einen bisher unbekannten Blütenduftstoff ans Licht brachten, wurden im renommierten Fachblatt Current Biology publiziert.

Syngonium hastiferum wird ausschließlich von einer bisher unbekannten tagaktiven Weichwanzenart bestäubt und ist damit die einzige Blütenpflanze, von der diese Art der Bestäubung bekannt ist. Weichwanzen kommen aber auch bei von Käfern bestäubten Aronstabgewächsen vor, allerdings nur als Schädlinge, die Pollen und Blütengewebe fressen und die Pflanzen damit schädigen. Alle anderen bis jetzt untersuchten Vertreter der Gattung Syngonium werden von nachtaktiven Käfern bestäubt.

Pflanzen passen sich tag- oder nachtaktiven Bestäubern an

Untersuchungen an den Blüten und Blütenständen von Syngonium hastiferum haben gezeigt, dass sich diese in verschiedenen Blütenmerkmalen von nah verwandten und durch Käfer bestäubte Arten unterscheiden. Beispielsweise erwärmen sich die Blütenstände von Syngonium hastiferum durch einen als Thermogenese bezeichneten Prozess in den frühen Morgenstunden und geben parallel dazu einen starken Blütenduft ab, wodurch die bestäubenden Weichwanzen tagsüber angelockt werden. Bei den käferbestäubten Arten erfolgen diese Prozesse am Abend und in der Nacht.

Darüber hinaus fehlen bei Syngonium hastiferum die sonst üblichen Futterkörper für Käfer und auch die Oberfläche der Pollenkörner hat sich von glatt und klebrig nach stachelig verändert, was das Anhaften des Pollens an den Weichwanzen erst ermöglicht.

Analyse und synthetische Herstellung von Blütenduft

Markante Veränderungen gab es auch bei der Zusammensetzung des Blütenduftes, der für die Anlockung der Wanzen ausschlaggebend ist. Während Blütenstände von Syngonium hastiferum zwar ähnlich intensiv duften wie jene von käferbestäubten Vertretern, ist ihr Duft aus anderen chemischen Substanzen zusammengesetzt. Als Hauptbestandteil des Duftes von Syngonium hastiferum haben die Forschenden eine bisher unbekannte Substanz entdeckt. Mittels Kernspinresonanzspektroskopie konnte die Struktur der unbekannten Verbindung entschlüsselt werden und so war der Weg für einen weiteren wichtigen Schritt geebnet: die synthetische Herstellung des neuen Naturstoffes, um damit die Lockwirkung des Stoffes auf die Wanzen testen zu können. In Costa Rica hat dieses Syntheseprodukt genauso viele bestäubende Wanzen angelockt wie die Blütenstände der Pflanze. Damit haben die Forscher nachgewiesen, dass diese Substanz allein für die Anlockung der Wanzen verantwortlich ist. Da die Untersuchungen in Costa Rica zur Bestäubung von Syngonium hastiferum im so genannten Regenwald der Österreicher an der Tropenstation La Gamba der Universität Wien durchgeführt wurden, wurde die neu beschriebene Substanz zu Ehren der Forschungsstation auf den Namen „Gambanol“ getauft.

Die neue Studie eröffnet einen neuen Blickwinkel auf die Evolution der Blütenpflanzen und der spektakulären Vielfalt ihrer Blüten und ihrer Bestäuber, indem sie erstmals den Beweis dafür erbringt, dass Blütenparasiten durch Veränderungen in den Blüten zu effizienten Bestäubern werden können. Ob ähnliche Veränderungen auch in anderen Entwicklungslinien der Blütenpflanzen vorgekommen sind, werden künftige Untersuchungen zeigen müssen.

Zur Studie in:

Current Biology,  https://authors.elsevier.com/sd/article/S0960-9822(22)01457-9

Fotos:

Tierbestäubung 1. jpg

Tierbestäubung 1: Eine mit Pollen von Syngonium hastiferum eingepuderte Weichwanze.

Tierbestäubung 2

Tierbestäubung 2: Bestäubende Weichwanzen auf weiblichen Blüten von Syngonium hastiferum.

Tierbestäubung 3

Tierbestäubung 3: Blütenstand von Syngonium hastiferum mit den bestäubenden Weichwanzen, angelockt durch den bisher unbekannten Blütenduftstoff Gambanol, benannt nach der Tropenstation La Gamba in Costa Rica, wo das neue Bestäubungssystem entdeckt wurde.

Fotos: © Florian Etl (Tierbestäubung 1-3)

Kontakt:

Univ.-Prof. Dr. Stefan Dötterl

Head of Plant Ecology Research Group and Botanical Garden

Department of Environment & Biodiversity

Paris Lodron Universität Salzburg

Tel.: +43 662 8044 5527

Email:

 http://www.uni-salzburg.at/doetterl

 

Dr. Mario Schubert

Department of Biosciences & Medical Biology

Paris Lodron Universität Salzburg

Tel.: +43 662 8044 7243

Email:

https://www.plus.ac.at/biosciences/the-department/research-groups/cabrele/team/?lang=en

 

Dötterl Stefan und Schubert Mario

HR Mag. G. Pfeifer

Leitung Kommunikation und Fundraising

Paris Lodron Universität Salzburg | Abt. Kommunikation und Fundraising

Kapitelgasse 4-6 | A-5020 Salzburg

Tel: +43 662 8044 2024

E-Mail an HR Mag. G. Pfeifer

Foto: v.l.n.r. Stefan Dötterl und Mario Schubert | © Kay Müller