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COVID-19, KINDER UND AEROSOLTRANSMISSION: DIE KINDLICHE LUNGE IST GESCHÜTZT!

An der PLUS ist es nun gelungen, eine der Ursachen für die niedrige Rate von schweren Krankheitsverläufen bei Kindern zu identifizieren.

Im Gegensatz zu Erwachsenen haben Kinder eher selten einen Krankheitsverlauf, der über harmlose Symptome im oberen Atemtrakt hinausgeht. Die Ursache für die relativ geringe Rate von Krankheitsverläufen mit Beteiligung der unteren Atemwege und tiefen Lunge (betroffen ist 1 Kind aus 25 aber jeder 5. Erwachsene) war bisher unklar. Im direkten Zusammenhang steht damit auch die Fragestellung über die Rolle der Kinder im Infektionsgeschehen in Kindergärten und Grundschulen. Pandemie-Kontrollmaßnahmen in diesen Einrichtungen zielen auf einzelne Übertragungswege (Händehygiene, Abstandhalten, Mund-Nasen-Schutz, Luftreinigung) oder auf die schnelle Identifikation von Infektionsketten durch Testen ab.

An der PLUS ist es nun gelungen, einen bei Kindern vorhandenen Schutzmechanismus gegen die Infektion in der Lunge durch viren-beladene Aerosole zu identifizieren.

Kinder sind keine kleinen Erwachsenen.

Menschen können verschiedenen Formen von Inokulation ausgesetzt sein. So nennt man den Vorgang, mit dem eine krankheitsauslösende Dosis an eine gesunde Person weitergegeben wird. Das betrifft sowohl die Menge an Viren, als auch die unterschiedlichen anatomischen Strukturen, z.B. die des Atemtraktes, mit denen man mit dem Virus zuallererst in Kontakt kommt, und wo die Vermehrung seinen Lauf nimmt. Und hier beginnen die Unterschiede der kindlichen Lunge und jener von Erwachsenen zu wirken: Kinder atmen schneller, Kinder setzen – relativ zur Körpermasse – mehr Atemvolumen um und Kinder haben viel kleinere Lungenstrukturen als man bei Erwachsenen vorfindet. Man würde daher annehmen, dass Kinder nicht minder als Erwachsene durch das Einatmen von viren-beladenen Aerosolen gefährdet sind. Wissenschaftliche Studien betonen tatsächlich, dass kindliche Lungen durch inhalierbare Schadstoffe gefährdeter sind als jene von Erwachsenen – und damit auch Langzeitfolgen einhergehen.

Sabine Hofer und Norbert Hofstätter aus der Arbeitsgruppe von Professor Albert Duschl, dem Sprecher des PLUS-Schwerpunktes ACBN, in dem u. a. Immunantworten auf inhalierbares Nanomaterial untersucht werden, beschäftigen sich, unterstützt von Professor Martin Himly vom Fachbereich Biowissenschaften, mit der Wirkung von Aerosolen in den Atemwegen. In der COVID-19-Krise wurde die Gelegenheit genutzt, das aus der Nanoforschung im PLUS-Schwerpunkt ACBN vorhandene Wissen auf die Einatmung auf viren-beladene Aerosole zu übertragen.

Computersimulation erlaubt den detaillierten Vergleich der viren-beladenen Aerosoldeposition im Atemtrakt von 3-Jährigen, 8-jährigen Kindern und 21-jährigen Erwachsenen.

Was mit Humanstudien, Tierstudien oder Zellkulturexperimenten nicht geklärt werden kann – die Simulation mit Computermodellen ermöglicht vertiefende Einblicke in den Atemtrakt und den Verbleib der eingeatmeten SARS-CoV-2-beladenen Aerosole. Dazu gibt es keine Alternative: Humanstudien mit Kindern sind praktisch ausgeschlossen. Tierversuche können nur begrenzt darüber Auskunft geben, weil die Anatomie der Lunge bei verschiedenen Arten sehr unterschiedlich ist. Zellkulturversuche geben die komplexe Interaktion von eingeatmeten Partikeln und den Lungen während eines Atemzyklus nicht wieder.

Direkte Infektion in der tiefen Lunge nur beim Erwachsenen; Kinder sind keine Superspreader.

Die Untersuchungsergebnisse zeigen, dass SARS-CoV-2-beladene Aerosole beim Erwachsenen bevorzugt in der tiefen Lunge abgelagert werden, also in den sensiblen Bereichen der Lunge, in denen die Sauerstoffaufnahme erfolgt. Das ist aber nicht so bei Kindern. Dort führen die speziellen Eigenheiten der Aerosole und der kindlichen Strukturen des Atemtraktes zu einer bevorzugten Deposition der Virenfracht in den oberen respiratorischen Bereichen – was weitgehend harmlose gesundheitliche Konsequenzen nach sich zieht.

Diese Studie legt damit nahe, dass die Einatmung von Aerosolen bei Kindern zu keiner direkten Infektion in den tiefen Bereichen der Lunge führt. Eine Infektion in diesem Bereich ist jedoch zwingende Voraussetzung für einen schweren Krankheitsverlauf, wie die Gruppe bereits vor einiger Zeit gezeigt hat. Damit stellt sich auch die Rolle von Kindern als mögliche Superspreader klarer dar: Die virenbeladene Aerosolproduktion steigt erst mit einer Infektion der Lunge an – ohne Infektion der Lunge haben Kinder daher auch kein großes Potential Superspreader zu sein.

Schlussfolgerung für uns alle

Für Kinder stellt die Einatmung von Aerosolen keinen bedeutsamen Weg dar, um sich in geschlossenen Innenbereichen, z.B. Kindergarten oder Grundschulen, zu infizieren. Erwachsene sind diesbezüglich einem vielfach höheren Risiko ausgesetzt. Schutzmaßnahmen zur Pandemiekontrolle sollen sich daher auf die Verhinderung der Ansteckung über Kontaktinfektion und Tröpfcheninfektion konzentrieren, sowie geeignete Teststrategien und Impfungen als Maßnahmen einbeziehen.

 

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LINK zur Veröffentlichung:  https://doi.org/10.3390/biomedicines9101414

PLUS-Schwerpunkt Allergy Cancer BioNano Research Centre (ACBN):  http://acbn.sbg.ac.at/

Website des Autors: plus.ac.at/himly

Kind im Winter

Assoz. Prof. Dr. Martin Himly, PhD

Paris Lodron Universität Salzburg | FB Biowissenschaften (Allergy & Immunology)

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Foto: © Simon Haigermoser