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Neue Methode zur Erkennung krimineller Bildmanipulation bei Reisepässen

Pressemitteilung vom 03.08.2021

Das digitale Verschmelzen der Fotos von zwei Personen zu einem Bild, genannt „Face Morphing“, ist eine Gefahr für die Reisepasssicherheit. Denn Kriminelle können mit derart gemischten Passbildern die Kontrolle an Flughäfen austricksen. Die Arbeitsgruppe um den Salzburger Computerwissenschaftler Andreas Uhl hat gemeinsam mit Forschenden aus Deutschland eine neue automatisierte Methode entwickelt, die gemorphte Bilder erkennt. Die Methode basiert auf der „Photo response non-uniformity“, kurz PRNU, einer Art unverwechselbarem Fingerabdruck der Kamera.

Der Hauptentwickler der Methode, Luca Debiasi, wurde vor kurzem mit dem „Young Investigators Award“ der Universität Salzburg ausgezeichnet.

Weltweit bekannt wurde die Technik des Face Morphing durch den Videoclip zu „Black or White“ vom Michael Jackson, in dem Menschen unterschiedlicher Herkunft ineinander verwandelt werden. Waren die beeindruckenden Effekte, die durch das digitale Verschmelzen von zwei Bildern entstehen, zunächst primär auf die Filmindustrie beschränkt, lassen sie sich heutzutage mit frei verfügbaren Computerprogrammen für fast jedermann kreieren. So kann man zum Beispiel zu Betrugszwecken auch ein Passfoto basteln, das zwei Menschen ähnlich schaut, einem Verbrecher und einem unbescholtenen Bürger oder genauer gesagt einem, der zumindest in keiner Datenbank aufscheint.

Das ist das Rezept für einen Pass für zwei. Der Unbescholtene beantragt den Pass, der Kriminelle kann ihn dann ebenfalls nutzen, unbehelligt durch Fahndungslisten. Das verschmolzene Foto schaut ihm ähnlich genug, um durch die Kontrollen zu kommen. „Solche Fälle sind dokumentiert. Wie groß das Problem zahlenmäßig ist, wissen wir nicht“, sagt Andreas Uhl, Professor für Computerwissenschaft an der Universität Salzburg. Er beschäftigt sich hauptsächlich mit visuellen Daten an der Schnittstelle zwischen Sicherheit, Erkennung und maschinellem Lernen.

Im Jahr 2014 haben Informatiker in einer Arbeit mit dem Titel „The magic passport“ erstmals das Problem der gemorphten Passbilder beschrieben. „Ausführliche Studien haben in den letzten Jahren belegt, dass sowohl Grenzbeamte bei manueller Kontrolle als auch bei Automated Border Control Gates, kurz ABC Gates, an Flughäfen, ausgestattet mit automatisierter Gesichtserkennung, durch solchermaßen ausgestellte Pässe getäuscht werden können. Es handelt sich also um ein offensichtliches Sicherheitsproblem,“ erklärt Uhl.

Deutschland hat unlängst durch eine Modifikation der Gesetzeslage darauf reagiert. Personen können künftig nicht mehr ihre ausgedruckten analogen Passbilder zum Passamt bringen, die Passbilder werden entweder direkt am Passamt angefertigt oder aber durch einen lizensierten Fotographen digital signiert per E-Mail an das Passamt übermittelt.

„In vielen anderen Ländern – inklusive Österreich – ist die Verwendung von ausgedruckten analogen Passbildern, die von den Bürgerinnen und Bürgern beigebracht werden, noch Standard. Damit wird die Gefährdung durch gemorphte Bilder in Pässen und ähnlichen Dokumenten noch länger existieren“, sagt Uhl.

Umso wichtiger sei es daher, automatische Methoden zu entwickeln, um derart modifizierte Bilder zu erkennen. Genau das hat Uhls Arbeitsgruppe, allen voran Luca Debiasi, – gemeinsam mit Kollegen der Hochschule Darmstadt – geleistet. Debiasi hat wesentliche Teile seine Dissertation dieser Thematik gewidmet. (Titel der Dissertation: „Exploiting Image Sensor Data in Biometric Systems and Mobile Applications“)

Die entwickelte Methode beruht auf der „Photo response non-uniformity“, kurz PRNU.

„Die PRNU bildet gewissermaßen einen unverwechselbaren Fingerabdruck der Sensorzellen einer Kamera, konkret hat es mit dem Ansprechen der Sensorzellen auf eine gleichförmige Lichtquelle zu tun. Mit Hilfe der PRNU kann man im Bereich der digitalen Medienforensik ein aufgenommenes Foto eindeutig einer Quellkamera zuordnen,“ erklärt Luca Debiasi.

Und wie hängt die PRNU mit der Morphing-Erkennung zusammen? „Durch das Mischen von zwei Bildern werden PRNU-Eigenschaften verändert. Man kann also das PRNU-Signal verwenden, um zu erkennen, ob Bilder gemorpht sind. Das war die Idee, die am Anfang unserer Arbeiten stand. Wir haben die Idee dann in Software gegossen, also einen Morphing- Erkennungs-Algorithmus entwickelt, der auf der Analyse der PRNU basiert, und große Experimente mit gemorphten Bildern in Datenbanken gemacht“, so Debiasi.

Aufgrund seiner Expertise hat Debiasi auch einige Wochen bei einem Kinderpornographie-Aufklärungsprojekt am schwedischen National Forensic Center NFC mitgearbeitet. Es ging darum festzustellen, von wie vielen Kameras bzw. Tätern das Material stammt. Die großen Datenmengen sollten in Cluster gruppiert werden, um herausfinden, ob man ähnliche Bilder schon in einer Datenbank hat und so Verbindungen zu anderen Fällen herstellen kann. Debiasi hat dafür das Clustering-Verfahren (auf PRNU-Daten-Basis) entwickelt.

Ein großer Vorteil des PRNU-basierten Ansatzes gegenüber anderen Methoden zur Erkennung von gemorphten Fotos bestehe in der Generalisierbarkeit, sagen die Salzburger Forscher. „Unser Verfahren, das ohne Machine Learning und KI auskommt, ist generisch, das heißt, es muss nicht mit vielen gemorphten Beispielbildern trainiert werden, weil es auf die speziellen Bildeigenschaften anspringt. Wenn man ein System trainieren muss, besteht immer das Risiko, dass neu auftauchende Morphing-Attacken nicht erkannt werden.“

Salzburg ist für seine PRNU-Expertise in der Scientific Community bekannt. „In umfangreichen Experimenten wurde gezeigt, dass unsere Methode eine ausgezeichnete Genauigkeit aufweist und bisher bekannte Verfahren in vielen Konstellationen übertrifft,“ so die Computerwissenschaftler. Ihre Arbeiten wurden hochqualitativ publiziert http://wavelab.at/papers/Debiasi19c.pdf und auf internationalen Tagungen im Bereich der Biometrie vorgestellt, u.a. von Debiasi, der vor kurzem in die Wirtschaft gewechselt ist (Synthetic Dimension GmbH).

Morphing zu erkennen, ist ein erstes Ziel der Salzburger Forscher, ein zweites, noch zweckmäßigeres, sei es zu verhindern, dass gemorphte Passbilder überhaupt am Passamt landen, sagt Uhl. Dafür soll eine geeignete Infrastruktur geschaffen werden, etwa die Möglichkeit zur Verwendung des eigenen Handys mit speziell abgesicherter App zur Erstellung von Passbildern. Ein Antrag Uhls auf eine entsprechende Projektförderung mit französischen Partnern ist beim FWF in Begutachtung.

Seit der Entwicklung des Verfahrens wurde die Grundidee auf weitere Fragestellungen im Bereich der digitalen Forensik von Gesichtsbildern angewendet, zum Beispiel auf das „Facial Retouching“, also die Erkennung von Nachbearbeitungen von Porträts, meistens zur Verschönerung derselben. Aktuell setzen die Salzburger Forscher die neue Methode zur Erkennung von Deep Fakes ein, also von manipulierten Videos, in denen (häufig prominente) Personen Dinge tun oder sagen, die sie nie getan oder gesagt haben.

Publikation:

Scherhag, U., Debiasi, L., Rathgeb,C., Busch, C. & Uhl, A. (2019) Detection of face morphing attacks based on prnu analysis. IEEE Transactions on Biometric, Behaviour and Identity Science, 1(4), 302-317.  https://ieeexplore.ieee.org/document/8846232

gemorphtes Bild

Gemorphtes Bild (Mischung aus Foto von Andreas Uhl und Luca Debiasi): Fotonachweis: © Michael Linortner

Foto: Dipl.-Ing. Dr. Luca Debiasi, Univ.-Prof. Dr. Andreas Uhl | © Kolarik Andreas

Univ.-Prof. Dr. Andreas Uhl

Fachbereich Computerwissenschaften

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Bild 2: © Kolarik