Unsterbliche Titanen: besitzt die Titanenwurz eine Keimbahn?
Laufzeit: 01.01.2021-30.06.2023
Dr. Anja Hörger, Dr. Stephanie Socher, Dr. Thibaut Sellinger, Danae Laina MSc
Blüte der Titanenwurz (Foto: S. Haigermoser).
Bei der Fortpflanzung übertragen Organismen genetisches Material an ihre Nachkommen. Das betrifft auch Mutationen, die jeder Organismus mit der Zeit anreichert. Handelt es sich dabei um schädliche Mutationen, kann dies schwerwiegende Konsequenzen für das Überleben der Nachkommen haben.
In den meisten Tierarten hat sich daher eine Keimbahn, eine Zelllinie mit reduzierter Mutationsrate, entwickelt, die die Anzahl an Mutationen, die an die Nachkommen übertragen werden, reduziert. Lange galt es als erwiesen, dass Pflanzen hingegen keine Keimbahn besitzen und ihre Geschlechtszellen einen Großteil der Mutationen, die im vegetativen Gewebe auftreten, enthalten und diese dann auch an die Nachkommen weitergeben. Neueste Studien an kurzlebigen Pflanzenarten, wie z.B. der Ackerschmalwand oder Tomaten, widersprechen dieser Ansicht. Es ist allerdings noch unklar, ob die vermeintliche Keimbahn in allen und besonders auch in langlebigen Pflanzenarten zu finden ist. Der Grund dafür liegt darin, dass Mutationsraten allgemein gering sind und man mehrere Generationen abwarten müsste, um signifikante Unterschiede zwischen verschiedenen Zelllinien zu erkennen. Bei langlebigen Pflanzen, die in der Regel auch lange Generationszeiten haben, wäre dies schwer machbar.
In unserem Projekt möchten wir zur Auflösung dieser Kontroverse beitragen und untersuchen, ob eine Keimbahn in langlebigen Pflanzen existiert. Unser Modellsystem, Amorphophallus titanum Becc., die Titanenwurz, bringt den größten unverzweigten Blütenstand im Pflanzenreich hervor. Die Titanenwurz ist in den Urwäldern der indonesischen Insel Sumatra beheimatet und wird seit 1878 in Botanischen Gärten weltweit kultiviert. Während der Blüte wächst der Blütenstand in sehr kurzer Zeit zu seiner vollen Größe, bis zu drei Metern, aus. Nach einer Wachstumsphase von nur 25-46 Tagen ist diese Größe erreicht und die Pflanze blüht für zwei Tage. Während der Blüte verströmt sie einen extremen Aasgeruch, der Bestäuber anlockt. Die Blüte der Titanenwurz ist spektakulär, da die Kultivierung der Pflanze anspruchsvoll ist und Blühereignisse selten und schwer vorhersagbar sind.
Wir werden das beschleunigte Wachstum während der Entwicklung des Blütenstands nutzen, um die Mutationsraten in Zelllinien mit vegetativen bzw. reproduktiven Funktionen zu bestimmen. Dazu wollen wir das Genom verschiedener Gewebearten von einzelnen Pflanzen während der Blüte vergleichen.Wir erwarten, dass die Anzahl an Zellteilungen im Blütenstand nach der extremen Wachstumsphase vergleichbar ist mit der Zahl an Zellteilungen nach mehreren Generationen und verwenden A. titanum daher als natürliches Modellsystem für eine erhöhte Mutationsrate.
Unsere Vergleiche werden einen direkten Hinweis auf die Existenz einer Keimbahn in A. titanum liefern. Zudem wird das erste Genom dieser faszinierenden Pflanzenart entschlüsselt, welches dann als Grundlage für weitere Forschungsfragen dienen kann, unter anderem zur Entschlüsselung des Gigantismus bei Pflanzen.
Gefördert von:
1000-Ideen-Programm,
Probennahme an einer blühenden Titanenwurz im Palmengarten Frankfurt (Foto: R. Fuchs).