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Großes Programm zum jüdisch-christlichen Dialog an der PLUS gestartet

In einem Projektverbund mit deutschen Partnern und mit 1 Million Euro Förderung aus Drittmitteln legt die Paris Lodron Universität Salzburg (PLUS) ein großes Programm zum jüdisch-christlichen Dialog auf. Ziel des Programms ist es, den jüdisch-christlichen Dialog sowohl auf der Ebene der theologischen Grundlagenforschung als auch der gesellschaftlichen Meinungsbildung weiterzuentwickeln. Nach der Katastrophe der Shoa, dem organisierten Massenmord an Europas Juden, haben die christlichen Kirchen die Erneuerung ihrer Beziehung zum Judentum und des christlich-jüdischen Gesprächs zu einer ihrer zentralen Aufgaben gemacht. Leiter des neuen Programms ist der Fundamentaltheologe Gregor Maria Hoff.

Nie wieder! Das war das Motto der jüdisch-christlichen Gespräche, die von einzelnen Persönlichkeiten, jüdischen und christlichen Pionieren, nach dem 2. Weltkrieg und dem nationalsozialistischen Völkermord an 6 Millionen europäischen Juden initiiert wurden. Die christlichen Kirchen mussten sich nach ihrer Mitschuld fragen und über die Auswirkungen eines über Jahrhunderte bestehenden christlichen Antijudaismus nachdenken. Auf dem Weg zu einer Annäherung des Christentums an das Judentum stellte das Zweite Vatikanische Konzil (1962-1965) für die katholische Kirche die entscheidende Wende in der Beziehung zum Judentum dar, erklärt Gregor Maria Hoff, der Leiter des neuen Programms zum jüdisch-christlichen Dialog an der Universität Salzburg. „Die katholische Kirche machte 1965 mit der Erklärung Nostra Aetate den Schritt weg von einer ‚Lehre der Verachtung‘ (Jules Isaac) hin zu einer theologischen Anerkennung des Judentums. Ohne das Judentum kann sich das Christentum nicht nur nicht verstehen, es beruht auf ihm auch in offenbarungstheologischer Hinsicht. „Gott wirkt weiterhin im Volk des alten Bundes“, so hat Papst Franziskus es ausgedrückt“.

Seit der Gründung des „Zentrum Theologie Interkulturell und Studium der Religionen“ an der Paris Lodron Universität Salzburg (PLUS) im Jahr 2006 zählt der jüdisch-christliche Dialog zu den besonderen Agenden, „gerade weil der christlich-theologische Bezug auf andere Religionen nicht am grundlegenden Bezug auf das Judentum vorbei geführt werden kann“, sagt Hoff.

Im vergangenen Jahr noch unter Lockdown-Bedingungen eingerichtet, läuft seit dem Studienjahr 2021/22 nun am „Zentrum Theologie Interkulturell und Studium der Religionen“ ein aus Drittmitteln finanziertes Programm zum interreligiösen Dialog, das u.a. in Kooperation mit der Stiftungsberatung Porticus  durchgeführt wird. Es ist Teil eines interreligiösen Projektverbunds mit Partnern wie der gemeinnützigen Eugen-Biser-Stiftung in München, der jüdischen Leo-Baeck-Foundation in Berlin und der Katholischen Akademie in Berlin. Das Salzburger Projekt arbeitet unter dem Titel „Developing a Theology of the Interreligious Dialogue from a Jewish-Christian Perspective“ an theologischen Grundlagen des jüdisch-christlichen Dialogs. Dazu entstehen Forschungsarbeiten zum Beispiel zur theologischen Bedeutung von Land und Staat Israel; Frau Julia Feldbauer geht in ihrer Promotionsstudie dieser diffizilen Frage nach. Im Fokus des Projekts steht aber auch die gesellschaftliche Meinungsbildung, um einen Einstellungswechsel zum Judentum jenseits von Antijudaismus und Antisemitismus zu vollziehen.

Wesentlich für das Projekt seien auch persönliche Kontakte, betont Hoff. „Wir bauen eine internationale Forschergruppe auf und führen Konsultationen durch, an denen Vertreterinnen und Vertreter sowie Repräsentanten der Religionsgemeinschaften beteiligt sind. In diesem Zusammenhang hat der Kontakt mit dem International Council of Christians and Jews ( ICCJ: ICCJ – iccj.org) besondere Bedeutung. Stipendiaten des Salzburger Projekts nehmen an den Jahreskonferenzen teil. Ab 2022 wird ein gemeinsamer Preis vergeben, der „Seelisberg Prize“ zur Würdigung herausragender Verdienste im jüdisch-christlichen Dialog.

Zudem soll unter der Leitung von Hannah Judith ein internationales „Network of Young Scholars in Jewish Christian Dialogue“ entstehen. „Die grundlegende Bedeutung des jüdisch-christlichen Dialogs muss von jeder Generation neu bestimmt und erschlossen werden. Für die Zukunft des jüdisch-christlichen Dialogs ist deshalb ein internationales Netzwerk von Nachwuchswissenschaftlern, die am jüdisch-christlichen Dialog interessiert sind, essentiell,“ so Hoff.

Im Wintersemester 2021/22 ist am „Zentrum Theologie Interkulturell und Studium der Religionen“ Pater Dr. Christian Rutishauser SJ als Research Fellow tätig, einer der herausragenden Experten im jüdisch-christlichen Dialog, der weltweit zu Vorträgen eingeladen wird. Rutishauser ist Mitglied der Päpstlichen Kommission für die religiösen Beziehungen zum Judentum wie auch in den entsprechenden Kommission der Deutschen und der Schweizer Bischofskonferenz.

Zudem arbeitet mit Dr. Jehoschua Ahrens ein orthodoxer Rabbiner als Postdoc für die kommenden Jahre am Zentrum. „Dr. Ahrens hat 2015 die erste Erklärung aus dem orthodoxen Judentum zum jüdisch-christlichen Dialog maßgeblich verantwortet. Das Gespräch mit dem orthodoxen Judentum hat seit den beiden Erklärungen „To Do the Will of Our Father in Heaven“ (2015), die von einer Gruppe jüdischer Gelehrter initiiert wurde, und „Between Jerusalem and Rome“, die 2017 von der Konferenz Europäischer Rabbiner, dem Oberrabbinat in Israel und dem Rabbinical Council of America veröffentlicht wurde, eine neue Dynamik angenommen“, wie Hoff erläutert.

Ebenfalls dem Projekt zugeordnet ist der Rabbiner Dr. Daniel Ross Goodman, der, so Hoff, an einem der wichtigsten intellektuellen Zentren der jüdischen Orthodoxie in New York arbeitet. Als religionswissenschaftlicher Experte ist zudem Prof. Dr. Martin Rötting (Religious Studies) von der PLUS Teil des wissenschaftlichen Teams.

Gregor Maria Hoff ist seit mehr als 15 Jahren im jüdisch-christlichen Dialog theologisch engagiert. Sein Zugang zu dem Thema verläuft über sein Fachgebiet, die Fundamentaltheologie, oft auch als Theologische Grundlagenforschung bezeichnet. „Als Fundamentaltheologe stehen für mich auch Fragen der Ekklesiologie, also der Lehre von der Kirche auf der Agenda. Kirche gibt es nur als Gemeinschaft, die auf ihre jüdischen Wurzeln verwiesen ist. Das gilt nicht nur für die Vergangenheit, sondern auch für die Gegenwart und führt u.a. dazu, sich zu fragen, wie sehen Juden Jesus? Stichwort Der Jude Jesus. Das sind Fragen, die in den letzten Jahren sehr stark den jüdisch-christlichen Dialog bestimmen.“

Hoff ist auch theologischer Berater der Deutschen Bischofskonferenz und der Päpstlichen Kommission für die religiösen Beziehungen zum Judentum.

KTH Fakultät Foyer 2017

Univ.-Prof. Dr. Gregor Maria Hoff

Fundamentaltheologie und Ökumenische Theologie

Paris Lodron Universität Salzburg | FB Systematische Theologie

Tel: +43 662 8044 2651

E-Mail an Univ.-Prof. Dr. Gregor Maria Hoff

Foto: © Luigi Caputo