Karli K.

Diplomprüfung aus Strafrecht und Strafprozessrecht
30. Januar 1998

A. Strafrechtsfall

Karli K, Student und Sohn wohlhabender Eltern, befindet sich wieder einmal in Geldnot. Sein Taschengeld ist knapp bemessen, da sein Vater auf dem altmodischen Standpunkt steht, Reichtum kommt von Sparsamkeit und nicht von Luxus. Um dennoch einen standesgemäßen Lebensstil führen zu können, sieht sich Karli K daher gezwungen, die Bankomat-Scheckkarte seines Vaters, deren Codenummer er kennt, ohne dessen Wissen auszuleihen, um Bargeld zu beheben.
In Erwartung völlig neuer Einkaufsperspektiven fährt Karli K mit seinem Auto in die Stadt. Nach langer Suche entdeckt er sogar eine freie Parklücke, in deren Mitte jedoch eine junge Dame steht. Auch als Karli K bereits zum Einparken ansetzt, weicht diese keinen Schritt zur Seite. Karli K steigt daher aus und bittet die junge Dame unter Aufbietung seines ganzen Charmes, sie möge ein wenig zur Seite treten. Ebenso freundlich erklärt diese jedoch, daß dieser Parkplatz bereits für ihren Freund reserviert sei, der jeden Moment kommen müsse. So geht das nicht, meint Karli K, setzt sich in sein Auto und fährt ganz langsam immer weiter in die Parklücke. Der jungen Dame stehen freilich ihre grazilen langen Beine näher als das „Recht“ auf den Parkplatz und sie gibt daher die Parklücke frei, obwohl Karli K sie mit seinem Auto noch nicht einmal berührt hat.
Lächelnd steigt Karli K aus, begibt sich mit der Bankomat-Scheckkarte seines Vaters zum nächsten Bankomaten und behebt S 5.000,-. Als er damit seine dringlichen Einkäufe erledigt hat und zu seinem Auto zurückkehrt, sieht er einen Mann boshaft lächelnd neben seinem Auto stehen, der ihm sofort eröffnet, daß er ihn gerade angezeigt habe. Da Karli K an dieser Stelle kein Parkverbot erkennen kann, mißt er der Äußerung des Mannes nur wenig Bedeutung bei und fährt davon. Als Karli K zu Hause ankommt, hat sein Vater bereits das Fehlen seiner Bankomat-Scheckkarte bemerkt und Verlustanzeige bei der Polizei erstattet.
Karli K traut seinen Augen nicht, als er 2 Monate später den Strafantrag der Staatsanwaltschaft X zugestellt bekommt. In der Überzeugung, nichts Unrechtes getan zu haben und im Glauben, daß es sich dabei nur um das Versehen eines übereifrigen Staatsanwaltes handeln kann, erinnert Karli K sich seiner Bekanntschaft mit dem Leitenden Staatsanwalt Y, den er vor kurzem im Nachtclub „Verona“ kennengelernt hat. Er bittet diesen, die Sache zu regeln und das Verfahren einzustellen, was Y auch sofort zusagt, ohne mit Karli K die rechtliche Seite zu besprechen. Obwohl Y, nachdem er die Sache noch einmal überdacht hatte, den Strafantrag gegen Karli K eigentlich für gerechtfertigt hält, erteilt er dem mit der Sache betrauten Staatsanwalt Z die Weisung, das Verfahren einzustellen. Staatsanwalt Z, der durch die zahlreichen Interventionen seitens des Leitenden Staatsanwaltes schon den Glauben an den Rechtsstaat verloren hat, fügt sich im Hinblick auf seine Karriereperspektiven der Weisung und stellt das Verfahren wegen mangelnden Tatverdachts ein.

Wie haben sich die beteiligten Personen strafbar gemacht?

 
B. Prozeßfragen

1. Unter dem Einfluß eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustandes, der auf einer geistig-seelischen Abartigkeit von höherem Grad beruht, schlägt A, wie schon so oft, seine Ehefrau. Diesmal erstattet seine Ehefrau jedoch Anzeige. Der StA wertet die Verletzungen der Frau als schwere Körperverletzung (§ 84 StGB) und stellt, um die Ehefrau in Zukunft vor ihrem Ehemann zu schützen, den Antrag auf Unterbringung des A in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB. Das Gericht ist zwar der Meinung, daß die Verletzungen nicht so schwer sind, wie der StA angenommen hat und nur als leichte Körperverletzung (§ 83 StGB) zu beurteilen wären, zum Schutz der Ehefrau hält es jedoch den Antrag auf Unterbringung für gerechtfertigt und entscheidet demgemäß.
a) Welches Rechtsmittel kann A dagegen erheben?
b) Welches Rechtsmittel kann A ergreifen, wenn er beteuert, daß dies nur ein einmaliger „Ausrutscher“ war?
c) Der Verteidiger des A hat den Unterschied zwischen Strafberufung und Nichtigkeitsbeschwerde noch nie so richtig verstanden. Er meldet daher nur eine Nichtigkeitsbeschwerde an und umschreibt in seiner Ausführung des Rechtsmittels den Umstand, der seiner Meinung nach zur Nichtigkeit führt. Einen konkreten Nichtigkeitsgrund nennt er nicht. Ist dies ausreichend?
d) Als Zeugen werden der Psychiater und der Hausarzt geladen, um über die Krankengeschichte des A Auskunft zu geben. Da sie von A jedoch nicht von ihrer ärztlichen Verschwiegenheitspflicht entbunden worden sind, möchten sie sich vor Gericht der Aussage entschlagen. Steht ihnen ein solches Entschlagungsrecht zu ?

2. Obwohl A unschuldig ist, wird gegen ihn ein Strafantrag wegen Einbruchdiebstahls (§§ 127, 129 StGB) eingebracht. Wie bereits in seiner Aussage vor der Polizei, streitet A auch in der Hauptverhandlung die Tat ab. Verärgert erklärt daraufhin der Richter, daß er ihn aufgrund der Aktenlage eindeutig für schuldig halte. Erbost über diese Voreingenommenheit des Richters, verläßt A daraufhin den Verhandlungssaal, ohne die Urteilsfällung abzuwarten. Die Begründung des schriftlich ausgefertigten Urteils beschränkt sich auf den Hinweis, daß die Tat des A nach der Beweislage als erwiesen angesehen werden könne und die Entgegnungen des Beschuldigten nur reine Schutzbehauptungen seien.

Was kann A gegen dieses Urteil unternehmen?