Armin Schlucker

Diplomprüfung aus Strafrecht und Strafprozessrecht
31. Jänner 2000

„Täter – Opfer Ausgleich“, die andere Form, Straftaten zu erledigen

A. Armin Schlucker, arbeitslos und Bewohner einer geräumigen Sozialwohnung in einem besseren Viertel der Stadt, ist verbittert über den Wohlstand der anderen, die ihn nicht an ihrem Reichtum teilhaben lassen wollen. Als er eines Tages, auf der sonnigen Terrasse liegend, auf die umstehenden schönen Einfamilienhäuser blickt, kommt ihm der Gedanke, dass man sich auch selbst nehmen könne, was einem die Gesellschaft schulde. Mit einem Brecheisen bewaffnet begibt sich Armin Schlucker in der darauffolgenden Nacht zur Villa des benachbarten und derzeit verreisten Geschäftsmannes Heini Goldsack. Bereits die ersten kräftigen Versuche, die Eingangstüre aufzubrechen lösen die Alarmanlage aus. Armin Schlucker verlässt daraufhin fluchtartig den Tatort bevor die alarmierte Polizei am Tatort eintrifft. Als er am nächsten Tag dem mittlerweile zurückgekehrten Heini Goldsack begegnet und von ihm freundlich gegrüßt wird, überkommt ihn die Reue. Er gesteht Heini Goldsack die Tat und erklärt sich sofort bereit, den Schaden von S 8.500,-, welcher durch den Einbruchsversuch an der Haustüre angerichtet wurde, ratenweise zu bezahlen. Von soviel Aufrichtigkeit gerührt und nach Absprache über Höhe und Fälligkeit der einzelnen Raten, erklärt ihm Heini Goldsack, dass die Sache damit für ihn erledigt sei und er keine Anzeige erstatten werde, denn Arbeitslose haben es heutzutage schwer genug.
Wenig später kommt Heini Goldsack jedoch eine grandiose Idee. Er erinnert sich seiner Einbruchsdiebstahlversicherung, welche er vor einigen Jahren abgeschossen und für die er schon viele Prämien „ohne Gegenleistung“ eingezahlt hat. Entgegen seiner eben gemachten Zusicherung gegenüber Armin Schlucker begibt sich Goldsack zur Polizei und erstattet Anzeige wegen Einbruchsdiebstahl gegen „unbekannte Täter“. Die Anzeigebestätigung übermittelt er daraufhin seiner Versicherung und macht den entstandenen Schaden geltend.
Am zuständigen Polizeiwachzimmer herrscht an diesem Tag reger Betrieb: Der diensthabende Wachebeamte Gustav Freundlich wird kurz darauf auch von seinem alten Freund Hugo Protz aufgesucht, ebenfalls Besitzer einer prunkvollen Villa in unmittelbarer Nachbarschaft der sozialen Wohnbauten. Dieser meldet ihm den Diebstahl seines neuen modernen Rasenmähers, welchen er im Garten über Nacht stehen habe lassen. Protz vermutet in Armin Schlucker den Täter. Dieser sei nämlich ein Sozialschmarotzer, der von seinem Steuergeld lebe und „man“ sage, dass er bereits mehrere Vorstrafen wegen Einbruchsdiebstählen habe. Er bittet daher Gustav Freundlich, für ihn im Computer das Strafregister von Armin Schlucker abzufragen. Freundlich weist Protz darauf hin, dass es leider einen Datenschutz gebe und er ihm daher nichts genaues sagen dürfe. Er dürfe ihm nur allgemein mitteilen, ob überhaupt eine Vorstrafe im Register aufscheint oder nicht. Gustav Freundlich begibt sich daraufhin zum Computer und erklärt Hugo Protz wenig später, dass Armin Schlucker wohl nicht der Täter sein könne, da dieser vollkommen unbescholten sei.
Für Hugo Protz ist diese Auskunft nicht befriedigend, da seiner Meinung nach Sozialhilfeempfänger notorische Straftäter seien. Heini Goldsack hingegen freut sich, da er zwei Wochen später den Schaden von der Versicherung ersetzt bekommen und auch Armin Schlucker ihm bereits die erste Rate überwiesen hat. Für Goldsack ist dies ein Täter-Opfer Ausgleich im „eigentlichen Sinn“: Das Opfer hat nach der Tat mehr als zuvor; dem Täter sei Dank.
Wie haben sich die beteiligten Personen strafbar gemacht?

B. A steht im Verdacht, als Mitglied einer Bande mehrfach an Geldwäschereitransaktionen beteiligt gewesen zu sein. Als ihm die Aktivitäten der Bande zu umfangreich werden, beschließt er auszusteigen und sich der Polizei als Kronzeuge zur Verfügung zu stellen. Auf Antrag des StA und Anordnung des UR, rüstet die Polizei A mit einem versteckten Abhörmikrofon aus, mit dem A an mehreren Besprechungen der Bande teilnimmt, bei denen zukünftige kriminelle Transaktionen besprochen werden.
a) Welche rechtlichen Möglichkeiten hätten die Anwälte der einzelnen Bandenmitglieder, wenn diese Tonaufzeichnungen als belastendes Beweismittel im Verfahren Verwendung finden?
b) Bei einem Anwalt der Geldwäscherbande wurden Kontoauszüge und Buchhaltungsunterlagen über die inkriminierten Geldtransaktionen deponiert. Die Polizei lässt diese im Zuge einer Hausdurchsuchung beschlagnahmen. Ist dies erlaubt?
c) Da A bereits mehrfach vorbestraft ist, wird er zu einer Freiheitsstrafe von 3 Jahren verurteilt. Im Hinblick auf seinen Kooperationswillen bei der Überführung der Bande, wird die Strafe jedoch zur Gänze bedingt nachgesehen. Ist dies zulässig? Welches RM könnte ergriffen werden?

C. Der Rechtspraktikant X soll in der Hauptverhandlung vor dem Bezirksgericht das Protokoll führen. Da ihm die einzelnen Zeugen und der Beschuldigte zu schnell sprechen, sieht er sich nur in der Lage, Bruchstücke der Aussage mitzuschreiben. Als der Richter nach der Verhandlung das Protokoll zu Gesicht bekommt, vermisst er darin gerade die wesentlichen Punkte der einzelnen Aussagen, welche die Täterschaft des Beschuldigten belegen sollen. Ohne Rücksicht auf das unvollständige Protokoll, bezieht sich der Richter in der Begründung seiner schriftlichen Urteilsausfertigung dennoch auf den Inhalt der einzelnen Aussagen, da ihm diese noch sehr gut in Erinnerung sind.
a) Was kann der Beschuldigte gegen eine unrichtige oder unvollständige Protokollierung unternehmen?
b) Zu welchem Rechtsmittel würden Sie dem Verurteilten raten?
c) Der Verurteilte ist der Meinung, dass sein Fall auch im diversionellen Wege erledigt hätte werden können. Welche Möglichkeiten der Diversion gibt es und wer entscheidet darüber?