Agorá Vorträge 2021-2022

15. Juni 2022
Vortrag: “Chinas Selbstverständnis und die Sicherheit in Ostasien
Vortragender: Herr Prof. Dr. Michael Staack 
Poster Staack AgoráAbstract: Ostasien befindet sich in einem Zustand des unzureichend eingehegten Sicherheitsdilemmas, das durch den zunehmenden Grad ökonomischer Interdependenzen bisher nur in begrenzter Weise verringert werden konnte (Asian Paradox). China ist (noch) nicht groß genug, um die Region hegemonial bestimmen zu können, aber zu groß, um sich in die Region als Gleicher unter Gleichen einzuordnen. Auf globaler Ebene stellt die militärische Modernisierung in China noch auf längere Zeit keine Herausforderung für die USA dar. In der Region Ostasien allerdings werden dadurch die Optionen Amerikas eingeschränkt, das seine Hegemonie bedroht sieht. Friedenspolitisch notwendig erscheint vor diesem Hintergrund eine Politik, die Verfeindungsprozesse nicht vorantreibt, Decoupling und Containment entgegentritt, China wo erforderlich sehr deutlich kritisiert, aber nicht dämonisiert, und Kooperationsformate mit China fortsetzt.  Von der Europäische Union könnte eine solche Politik verfolgt werden. Eine weitere Versicherheitlichung aller Themen und Beziehungen im Indo-Pazifik und eine noch zunehmende Dominanz des amerikanisch-chinesischen Großkonflikts gegenüber den Eigendynamiken der Region dürfte zur weiteren Verfestigung und Zuspitzung des Konflikts führen.

10. Mai 2022
Vortrag: Der Edle und der Ochse: Chinas Eliten und ihr moralischer Kompass”
Vortragender:
Herr Prof. Dr. Helwig Schmidt-Glintzer 
Poster Schmidt-GlintzerAbstract: Der Aufstieg Chinas erklärt sich aus dem Zusammenspiel interner und externer Faktoren und prägt inzwischen die globale Weltordnung. Die Modernisierung Chinas unter Führung der Kommunistischen Partei ist nur als Teil eines Elitenkonzeptes zu verstehen. Wie die Eliten in aller Welt so positioniert sich auch Chinas Elite angesichts der globalen Herausforderungen, und der Ausgang dieser Bemühungen wird das 21. Jahrhundert prägen. Voraussetzung für eine Perspektive des Gelingens ist die Fähigkeit des Aushandelns von Interessenkonflikten und vor allem die Kenntnis des jeweiligen Selbstverständnisses und der unterschiedlichen Werthorizonte. Der Vortrag wird zeigen, dass nur bei Anerkennung der vitalen Interessen sämtlicher Akteure ein gemeinsamer moralischer Kompass gefunden werden kann. Ein Verständnis für die Entwicklungsdynamik Chinas bei den fortgeschrittenen Industrieländern ist dabei von zentraler Bedeutung.

06. April 2022
Vortrag: „China and the Birth of Globalization“ (Vortrag auf Englisch)
Votragender:
Prof. em. Dennis O. Flynn
Poster AgoráAbstract: Globalization began when all heavily populated landmass regions became connected, after 10,000 years of hemispheric isolation due to global warming that raised ocean levels hundreds of feet (at the end of the last Ice Age). The Pacific Ocean comprises one-third of earth’s surface; the Americas (plus the Atlantic Ocean) comprise another one-third; hence, the AfroEurAsian Old World (including the Indian Ocean) evidently must occupy the remaining one-third of earth’s surface. Reconnection of the New World with the Old World during the 16th century – via both the Atlantic and Pacific – yielded one of the most significant transformations in the history of humanity. The final linkage between the Old World and the New World linkage involved the founding of Manila as a Spanish entrepôt in 1571: the Birth of Globalization occurred when all three one-thirds were finally connected. Understanding motivations behind these linkages requires analysis of the main item imported into China (silver, mostly from Japan and Spanish America, but also from Central Europe during the 15th century before globalization). The main Chinese exports that exchanged for the white metal included silks, ceramics, tea [later), and many other items. The astounding magnitude of early globalization requires investigation of connections that go far beyond economic issues alone. Powerful epidemiological, ecological, demographic, and cultural exchanges were intertwined for centuries leading up to globalization forces that exist today. Although my intent is mostly discuss historical aspects of the birth of globalization process in this lecture, I do hope to also provide at least a brief introduction to the kind of economic theory that, I believe, demonstrates why archival historians are essential for creation of a (currently non-existent) field that can be thought of as Global Wealth History.

22. März 2022
Vortrag: „Die Chinapolitik des Westens – vom schwierigen Umgang mit einer neuen globalen Macht“ 
PosterVortragender: Herr Prof. Dr. rer. pol. Eberhard Sandschneider 
Abstract: Im Umgang mit Chinas Aufstieg hat der Westen bislang keine erfolgversprechende Strategie gefunden, die Chinadebatten in unseren Medien sind durch Vielstimmigkeit und Naivität gekennzeichnet, in der Politik fehlt es an grundsätzlicher Chinakompetenz, um zu verstehen, wie das „Reich der Mitte“ intern funktioniert, welche globalen Ambitionen es hat und was sinnvolle Strategien im Umgang mit dem Aufsteiger des 21. Jahrhunderts sein könnten. „Wir eiern nur herum und ergehen uns in diplomatischem Gesäusel“ formuliert ein ehemaliger Spitzenbeamter der EU und trifft den Kern des Problems: Alle wollen mit China Geschäfte machen, der buchstäbliche riesige chinesische Markt zieht westliche  Unternehmen und Investoren geradezu magisch an, aber das Spannungsverhältnis zwischen Werten und Normen bleibt die große Hürde in einem einvernehmlichen Umgang mit China.

 

19. Jänner 2021
Vortrag: „Die Welt als gemeinschaftlicher Besitz – China zwischen Konfuzianismus, Marxismus und Demokratie“
Agorá Prof. Pohl Jan 2022Vortragender: Herr Prof. i.R. Dr. Karl-Heinz Pohl
Abstract: Die konfuzianische Tradition ist ca. 2.500 Jahre alt. Die Lehren des Konfuzius haben somit das Leben in China und in den umliegenden, von der chinesischen Kultur beeinflussten Ländern in vergleichbar nachhaltiger Weise geprägt wie in Europa die Lehren des Christentums. Der Konfuzianismus wirkte vor allem gestaltend auf die politische Struktur Chinas. Der Vortrag geht den wichtigsten diesbezüglichen Konzepten nach wie: „Volk als Basis“ (民本 min ben), „Harmonie“ (和 he), „die Welt gehört allen gemeinschaftlich“ (天下为公 tianxia wei gong), „bescheidener Wohlstand“ (小康 xiaokang) etc. und erkundet Gemeinsamkeiten zum Marxismus chinesischer Prägung. Dabei wird deutlich, dass nicht nur Chinas vormodernes, sondern auch sein modernes Staatswesen als Meritokratie angesehen werden kann. Schließlich werden die Fragen erörtert, wie kompatibel moderne westliche Demokratievorstellungen mit den traditionellen chinesischen Ordnungsvorstellungen sind bzw. ob oder in welchem Maße letztere noch eine Relevanz für die Lösung aktueller Probleme besitzen. Dabei wird deutlich, dass die Frage, ob eine Demokratie nach westlichem Muster für ein Land mit 1.400 Millionen Menschen (mit Problemen entsprechender Größenordnung) zur Zeit die beste Lösung für China ist, durchaus kontrovers beantwortet werden kann.

15. Dezember 2021
Vortrag: “’Indo-Pazifik‘ oder der neue Kalte Krieg gegen China”
Vortragender: Prof. Dr. John P. NeelsenAgorá: "'Indo-Pazifik‘ oder der neue Kalte Krieg gegen China"
Abstract: „Indo-Pazifik“, mehr als ein geographischer Raum signalisiert das Konzept die Verlagerung des globalen ökonomisch-politischen Gravitationszentrums nach Asien, vom Atlantik zum Pazifik mit China im Zentrum. Es bedeutet zugleich den paradigmatischen Niedergangs des Westens, insbesondere seiner Führungsmacht USA.Der mit einer PowerPoint Präsentation unterlegte Vortrag skizziert zunächst den Wiederaufstieg Chinas nach Kolonialismus und Bürgerkrieg im Gefolge der Dengschen Reformen. Die neue Seidenstraße (BRI) symbolisiert diesen Aufstieg zur bald schon größten Weltwirtschaftsmacht. Im Folgenden werden die Imperative chinesischer Außenpolitik im Kontext der internen materiellen Entwicklungsbedingungen der Volksrepublik einerseits, des Sicherheitsumfeldes in der asiatisch-pazifischen Region andererseits analysiert. Sie bilden den Rahmen für die anschließend detaillierte Politik der USA, nach dem Scheitern von „G2“ und „Chimerika“ den Aufstieg Chinas als Konkurrent und systemischem Rivalen wirtschaftlich, technologisch, bündnispolitisch und militärisch zu verhindern. Es kristallisiert sich im Konzept „Indo-Pazifik“ als Strategie der Hegemonialsicherung. So meint es einerseits die systematische operative Verbindung der entsprechenden US-amerikanischen Flottenverbände, andererseits den politisch-strategischen Raum der Einkreisung der VR unter Einschluss Indiens und der Mobilisierung von EU/NATO Ländern. Mögliche Ursachen und Brennpunkte eines Krieges (Taiwan, Süd-Chinesisches Meer) werden in dieser sich verschärfenden Konfrontation abschließend ins Auge gefasst.

17. November 2021
Vortrag: „Strategisch erfolgreich in China – Auswirkung von Chinesischer Strategieplanung, Best Practises und Lessons Learned aus der DACH Region“
Vortragender: Frau Mag.a Emanuela Hanes
Poster AgoráAbstract: Bereits zur Reform und Öffnung kündigte Deng Xiaoping mit den Vier Modernisierungen eine Entwicklung der Chinesischen Volkswirtschaft an, an deren Ende eine globale Führungsposition stehen sollte. Beide 100-Jahres-Ziele, Xi Jinpings „Chinese Dream“, die Belt and Road Initiative (BRI) und zahlreiche weitere Initiativen und Strategien kann man unter diesem Planungsrahmen einordnen. Gerade seit der Corona Pandemie und den Dual Circulation- sowie Decoupling Plänen werden die Auswirkungen dieser Strategien auf Europa immer deutlicher. Unterfüttert mit ihrer eigenen Expertise als Sinologin und interkulturelle Trainerin, hat sie über ein Jahr lang zahlreiche Expert*innen, Firmen und Organisationen in der DACH Region interviewt, um einen Einblick in den Umgang mit chinesischen Partnern aus erster Hand zu erfahren. Die Ergebnisse zeichnen durch alle Branchen und in der gesamten DACH-Region ein ähnliches Bild: Den Bedarf nach mehr China Expertise, nach mehr Kenntnis über relevante Wirtschafts- und Geopolitische Strategien in China, die die Unternehmen betreffen. Darauf aufbauend eine informierte China-Strategie der Unternehmen für die nächsten Jahre. Der Vortrag bietet einen Überblick über die Ergebnisse, die relevantesten Strategien von Chinesischer Seite, Handlungsempfehlungen für die strategische Positionierung und wird abgerundet mit mehreren konkreten interkulturellen Soft Strategien als Best Practises, die sich in der Praxis bewährt haben.

 

18. Oktober 2021
Vortrag: „Covid-19 und traditionelle chinesische Ethik“
Vortragender: Prof.in Dr.in Jana Rošker Plakat Agorá Rosker
Abstract: In diesem Vortrag wird der Zusammenhang zwischen verschiedenen Modellen ethischer System und deren Auswirkungen auf Strategien für Krisenlösungen dargestellt. Da es sich bei COVID-19 (ähnlich wie bei den aktuellen ökologischen Problemen) um eine Krise globalen Ausmaßes handelt, kann sie nur durch globale Zusammenarbeit gelöst werden. In diesem Rahmen ist es wichtig, Wissen und ethische Ansichten aus verschiedenen Kulturen zu berücksichtigen. In diesem Zusammenhang werden einige theoretische Grundlagen für alternative Modelle der Sozialethik aus der Perspektive traditioneller chinesischer, insbesondere konfuzianischer, Philosophien skizziert. Diese Perspektive ist unter anderem deshalb von Bedeutung, weil die Pandemie in den chinesischsprachigen Gebieten bisher viel schneller und effektiver unter Kontrolle gebracht werden konnte als in anderen Regionen der Welt. In diesem Zusammenhang wird zunächst die chinesische Lebensphilosophie vorgestellt und ihre aktuelle Relevanz hervorgehoben; im Folgenden wird das traditionelle chinesische Modell relationaler und anti-essentialistischer Konzepte des Selbst vorgestellt und seine Auswirkungen auf die konfuzianischen Modelle der Sozialethik, Kooperation und Solidarität untersucht werden. Auf dieser Grundlage können einige neue Wege zum Verständnis zwischenmenschlicher und interkultureller Interaktionen aufgezeigt werden, die helfen könnten, neue Strategien gegen aktuelle und künftige Pandemien zu entwickeln.