Digitale Zugänge in den Geschichtswissenschaften haben vor allem im Bereich der digitalen Editionen und Textverarbeitung in den letzten Jahren große Aufmerksamkeit erhalten. Vergleichsweise weniger artikuliert ist die Diskussion im Feld der digitalen Zugänge zu materiellen Quellen und zum breiten Feld des kulturellen Erbes. An der Universität Salzburg hat die Forschung zur materiellen Kultur in Verbindung mit digitalen Tools und Methoden eine lange Tradition. Entsprechend stellt die Digital-History-Tagung 2026 das kulturelle Erbe ins Zentrum und bettet dieses in eine breite Diskussion des „Doing Cultural Heritage“ ein. Hierzu ist es wichtig, neben den Universitäten auch andere Stakeholder des kulturellen Erbes einzubinden, wie Museen, Archive, Institutionen des Kulturerbes und Erinnerungsinitiativen. Gerade die Kultur- und Gedächtnisinstitutionen durchlaufen tiefgreifende Wandlungsprozesse durch die Digitalisierung, die neben rein praktischen Implikationen auch theoretische Reflexionen erfordern. Bei der Tagung in Salzburg stehen daher drei große Themenfelder im Fokus: Erfassen, Vermitteln und Erinnern

Erfassen von historischer Überlieferung: Das erste Themenfeld fokussiert die Erfassung historischer Bestände, wobei historische Quellen in der ganzen Breite der Überlieferung einfließen sollen. Vor allem die Materialität der Quellen soll im Mittelpunkt stehen und die Frage, wie diese angemessen digital abgebildet und semantisch annotiert und ausgewertet werden können. Dies betrifft sowohl schrifttragende Artefakte als auch materielle und visuelle Quellen wie Gebäude, Landschaften uvm. Ebenso können hier Ansätze von Ancient DNA, d.h. die DNA historischer Menschen, Tiere und Pflanzen sowie von Organismen, diskutiert werden. Es geht um weitgefächerte digitale Zugänge, beispielsweise die Digitalisierung für den schnelleren Zugang zur wissenschaftlichen Nutzung, Überführung in digitale 3D-Objekte, digitale Angebote als neue Ebene der Erzählung und neuer Raum für Ausstellungen/Interaktionen sowie die digitale Bearbeitung historischer Quellen. Aspekte, die in diesem Themenfeld behandelt werden können, umfassen beispielsweise: 

  • Sicherung und Erschließung des Bestandes von Archiven, Museen etc. 
  • Digitale Erschließung von materieller Kultur, Bildern und Textquellen in ihrer Materialität 
  • Digitale Sammlungen und born digital objects
  • Postkoloniale Debatten im Kontext von Quellenüberlieferung, Archiven und Museen 
  • Erforschung von Ancient DNA und deren Einfluss auf die Geschichtswissenschaften 

Vermitteln von kulturellem Wissen: Die Nutzung von digitalen Vermittlungsangeboten (inklusive KI) wird in der Geschichtsdidaktik und Public History zusehends beforscht. Dabei geht es nicht nur um die medienbezogene Beforschung konkreter digitaler Objekte (Apps, VR, Games, Datenbanken etc.), die im Zusammenhang mit Lernen und Vermitteln von Geschichte stehen, sondern auch um die Erforschung von Rezeptionsprozessen und Praxen der User:innen, um die Aneignung der digitalen Kultur kritisch zu begleiten. Das zweite Themenfeld möchte daher einerseits der Erforschung der digitalen Vermittlungswelten aus dem Bereich Heritage Raum geben, um deren theoretische Zugangsweisen und pragmatische Umsetzungen zu diskutieren. Andererseits wäre das Ziel, vor allem die empirische Rezeptionsforschung im Kontakt mit dem Digitalen zu forcieren und die damit verbundenen Herausforderungen zu fokussieren. Anhand konkreter Fallbeispiele eines „Doing Cultural Heritage“ sollen Vermittlungsstrategien unter Nutzung des Digitalen multiperspektivisch erschlossen werden, um so die technische Seite der geschichtlichen Angebote, aber auch die geschichtstheoretischen Hintergründe, digitalen Framings und die individuelle Rezeption durch Menschen in den Mittelpunkt zu stellen. Aspekte, die in diesem Themenfeld behandelt werden können, umfassen beispielsweise:  

  • Nutzung von KI oder VR in unterschiedlichen Vermittlungssituationen  
  • Angebote für ein historisches Lernen in, durch und mit digitale(n) Medien (Produktion und Rezeption)  
  • KI als Ausgangspunkt und Reflexionsort von Geschichte  
  • Angebote der Digital Public History zwischen digitalem Hype, brauchbarer Innovation und schlechtem Kommerz  
  • Empirische Rezeptionsforschung zu Angeboten der digitalen Vermittlung  
  • VR als museale Inszenierungen oder game-based „reality“  
  • Tools der Digital Humanities zur Beforschung von Vermittlungssituationen  

Erinnern von (im)materieller Vergangenheit: Auch die Gedenk- und Erinnerungskultur kann sich im 21. Jahrhundert einer zunehmenden Digitalisierung nicht verschließen. Spätestens seit dem Instagramprojekt @ichbinsophiescholl sind die Debatten um eine zeitgemäße und angemessene Erinnerungskultur im digitalen Raum im wissenschaftlichen Mainstream angekommen. Die Bandbreite an Aktivitäten ist ähnlich divers wie die Gedenk- und Erinnerungskultur insgesamt. Das dritte Themenfeld öffnet die Tagung für vielfältige Fragestellungen aus diesem Bereich. Aspekte, die hier behandelt werden, umfassen beispielsweise: 

  • Digitale Visualisierung der Erinnerungslandschaft 
  • Digital präsentierte Zeitzeug:innenschaft (etwa Hologramme von Shoa-Überlebenden) 
  • Digitale Vermittlungsformate an Gedenkstätten 
  • Digitale Spiele und die Darstellung der Vergangenheit 
  • Digitale Archive und Digitalisierungen von Quellen als Chance für eine lebendige Erinnerungskultur 
  • Ethische Fragestellungen zur Nutzung von Social Media in der Gedenkarbeit