Wenn Liebe zu Hass wird

Diplomprüfung aus Strafrecht und Strafprozessrecht
(4. Mai 2001, Alter Studienplan)

(„Wenn Liebe zu Hass wird“)

A. Susi X hat sich von ihrem türkischen Freund Mustafa Y getrennt. Als dieser von Salzburg nach Wien übersiedelt, bittet er Susi X, dennoch bei ihr in Salzburg seinen Hauptwohnsitz melden zu dürfen, da seine Arbeitsbewilligung nur für Salzburg gilt. Susi X ist damit einverstanden. Sie möchte sich jedoch den Anblick ihres Ex-Freundes ersparen und gestattet ihm daher, eigenhändig das Meldeformular mit ihrer Unterschrift als Vermieterin zu versehen.
Zwei Monate später hat Susi X ihre neue große Liebe im arbeitslosen Alkoholiker Alki Z entdeckt, der auch sofort bei ihr einzieht, um ein Dach über dem Kopf zu haben. In seiner pathologischen Eifersucht duldet Alki Z jedoch nicht, dass der Ex-Freund bei Susi X seinen Wohnsitz gemeldet hat. Er fordert Susi X daher auf, ihren Ex-Freund „abzumelden“. Zudem meint er, dass dieser für die zwei Monate, die er bei ihr gemeldet war, die Betriebskosten von S 10.000,- zu übernehmen habe, da durch dessen Wohnsitzmeldung auch höhere Müllabgaben zu leisten waren. Der Wunsch von Alki Z ist für die hörige Susi X natürlich Befehl. Als studierte Juristin weiß sie jedoch, dass man von jemandem, der nur bei ihr seinen Wohnsitz gemeldet, tatsächlich aber nicht bei ihr gewohnt hat, nicht die gesamten Betriebskosten einklagen kann. Susi X sieht daher nur eine Möglichkeit: Sie ruft ihren Ex-Freund Mustafa Y an und droht ihm mit einer Strafanzeige, weil er auf dem Meldeformular ihre Unterschrift nachgemacht hat, wenn er nicht umgehend die gesamten Betriebskosten in der Höhe von S 10.000,- bezahlt. Mustafa Y kann nicht glauben, wie rasch aus Liebe Haß werden kann, er sieht sich jedoch gezwungen, die verlangten S 10.000,- zu bezahlen, da er im Falle einer Strafanzeige um seine Aufenthaltsbewilligung fürchtet.
Dieser Erfolg stärkt das nur schwach ausgeprägte Selbstvertrauen von Susi X bei der Lösung eines weiteren „Problems“: Ihr süßer Hund hat kurz davor in freudiger Erregung mehrere Kratzer an der Autotüre ihrer Freundin Anna W verursacht. Susi X besitzt jedoch aus Sparsamkeitsgründen keine Hundeversicherung. Kurzentschlossen verschwendet sie wieder einen Gedanken an ihren Ex-Freund, der ebenfalls Hundebesitzer ist und auch eine Hundeversicherung aufweisen kann. Liebevoll bittet sie Mustafa Y, den Schaden seiner Hundeversicherung zu melden. Dieser lehnt dies entschieden ab, weil er sich damit strafbar machen würde. Daraufhin verbindet Susi X ihre „Bitte“ wiederum mit dem Hinweis auf die Strafanzeige, welche sie wegen der nachgemachten Unterschrift auf dem Meldeformular erstatten könnte. Zähneknirschend erweist Mustafa Y auch diesen „Freundschaftsdienst“ und gibt eine falsche Schadensmeldung bei seiner Versicherung ab. Bereits am nächsten Tag kommen ihm jedoch Bedenken, da ihm die Sache schon zu kriminell wird. Reumütig geht Mustafa Y zur Versicherung und klärt die Sachlage auf, noch bevor eine Schadensbegleichung durch die Versicherung erfolgt ist.
Anna W war klar, dass ihre „sparsame“ Freundin Susi X den Schaden nie aus eigener Tasche bezahlen wird. Sie wusste von der Vorgangsweise ihrer Freundin. Ihr war jedoch nur wichtig, dass sie den Schaden an der Autotüre in der Höhe von S 15.000,- umgehend ersetzt bekommt. Wie Susi X dies bewerkstelligt, war ihr gleichgültig.

Wie haben sich die beteiligten Personen strafbar gemacht?


B.
Gegen A laufen gerichtliche Voruntersuchungen wegen des Verdachtes des gewerbsmäßigen Anlagebetruges. Das Gericht vermutet, dass betrügerische Anlagetransaktionen über ein Bankkonto gelaufen sind, welches auf den Namen einer Person lautet, die bisher noch nicht unter Tatverdacht steht.
a) Kann der UR von der Bank die Offenlegung der Kontotransaktionen verlangen?
b) Der UR verhängt über das Privatkonto des A eine Kontosperre um eventuelle Gewinne, welche durch die betrügerischen Veranlagungen erzielt wurden, sicherzustellen. Unter welchen Voraussetzungen ist dies zulässig?
c) A wendet dagegen ein, dass die Veranlagung mit finanziellen und arbeitsmäßigen Aufwendungen verbunden war. Weiters wendet er ein, dass die Kontosperre auch Gelder betrifft, welche mit den ihm vorgeworfenen Anlagebetrugsfakten nichts zu tun haben. Ist dies relevant? Welches Rechtsmittel kann A erheben?
d) Über A wird vom UR die U-Haft wegen Fluchtgefahr verhängt. Obwohl A das Vorliegen von Fluchtgefahr bestreitet, wird seiner Beschwerde gegen den U-Haftbeschluß nicht stattgegeben. Nachdem sich in der Zwischenzeit auch entlastende Umstände ergeben haben, erhebt A eine Grundrechtsbeschwerde, in der er auch den nunmehr, seiner Meinung nach, fehlenden dringenden Tatverdacht geltend macht. Wie hat der OGH bei Prüfung der Beschwerde vorzugehen?

C. A steht nunmehr wegen gewerbsmäßigen Anlagebetruges, begangen zusammen mit zwei weiteren Mittätern als Angeklagter vor Gericht. A wendet gegen den Anklagevorwurf ein, dass der Schaden (S 3.000.000,-) auf die unerwarteten und unvorhersehbaren Kurseinbrüche an den Aktienmärken zurückzuführen sei. Das Gericht verurteilt A dennoch im Sinne der Anklage.
a) Wie kann A das Urteil bekämpfen?
b) Wie hat A vorzugehen, wenn er unter dem Eindruck der Verurteilung in I. Instanz zwei Zeugen bekannt geben will, die eindeutig belegen können, dass er an zwei bestrittenen Betrugsfakten nicht beteiligt war, die er aber bisher nicht in die Sache hineinziehen wollte und daher deren Einvernahme auch nicht beantragt hat, da sie gute Kunden der Anlagefirma waren?
c) Wie hat A vorzugehen, wenn er nach der Verurteilung in erster Instanz den Schaden der Anleger teilweise gutmacht? Wie ist vorzugehen, wenn die Schadensgutmachung nach Rechtskraft des Urteils erfolgt? Welches Gericht entscheidet darüber?