Auslandssemester in Finnland, dem Land der tausend Seen


Erasmus in Finnland: Das Land der tausend Seen

Als ich mein Germanistikstudium an der Universität Salzburg begann, lernte ich in einem meiner Kurse eine sehr hübsche Erasmusstudentin kennen. Sie war aus Oulu, dem Norden von Finnland. So hörte ich das erste Mal Geschichten über das Leben in Finnland. Ihre Erzählungen faszinierten mich so sehr, dass ich mich ein Jahr später dazu entschied gleich zwei Auslandssemester in Finnland zu absolvieren, und das in Oulu – der Stadt aus der meine Studienkollegin stammte.

Nach einem akademischen Jahr in diesem interessanten und exotischen Land, nach vielen Reisen, Partys und neuen Freundschaften, bin ich bis heute in Finnland und seine Bewohner*innen verliebt, und freue mich schon auf den Tag, an dem ich dieses wunderbare Land wieder besuche. Aber jetzt erzähle ich euch erst mal was ich während meines Auslandsjahrs in Finnland alles erlebt habe…

Auslandssemester in Finnland: Overalls im Mittelpunkt

Wer sich dazu entscheidet, sein Erasmus-Semester oder -Jahr in Finnland zu verbringen, wird es nicht bereuen: Anders als an österreichischen Universitäten gibt es an den Unis in Finnland tatsächlich ein solides Studentenleben, das, ohne dass man je danach fragt, unaufhaltsam auf einen zurast. Die wichtigste Ausrüstung dafür ist der sogenannte „haalarit“, ein Overall, der einem Arbeitsmantel für Mechaniker ähnelt und je nach Studienfachrichtung in anderen Farben kommt. Bei den Studentenpartys, die mehr oder weniger jeden Mittwoch stattfinden, kommen alle in diesen Aufzügen. Um das Ganze nicht komplett wie ein Arbeitergewerkschaftstreffen wirken zu lassen, bindet man sich die Ärmel des Anzugs um die Hüfte. Dazu gibt es noch Flicken, die auf Partys, Veranstaltungen oder an den Fachrichtungen erworben werden können, und jeder auf seinen Overall näht, um einen Hauch von Individualität zu generieren.

Erasmus in Finnland

Mein Overall = treuer Begleiter während meinem Auslandssemester in Finnland

Vor allem während „vappu“, den Wochen vor dem 1. Mai, dem Studentenfeiertag in Finnland, ist der Overall ein steter Begleiter. Der Unterricht an der Uni ist für das Semester fast abgeschlossen und die Partys häufen sich – wobei die Humanist*innen schon eine Woche vor allen anderen Student*innen anfangen zu feiern (und niemand weiß genau warum das so ist; man munkelt, dass die Humanist*innen ein härteres Unileben haben als andere, ha ha). Ehe man sich’s versieht, lebt man fast schon im Overall. Das Leben im Overall muss aber bestimmten Regeln folgen: Man darf den Overall nur waschen während man ihn trägt, und das auch nur in einem Gewässer, wo es niemand sehen kann. Und wenn die Erstis ihre neuen Partyoutfits bekommen, müssen sie zuerst einige Mutproben bestehen und dann einen Eid auf den Overall schwören.

Erasmus Feier in Finnland

Die dunkle Seite Finnlands: wenig Sonne und viel Alkohol

Dunkel ist in Finnland vieles, vor allem aber der Winter. Wie in Island, Schweden und anderen nördlichen Ländern, macht einem der Winter in Finnland sehr zu schaffen. Am schlimmsten ist der Monat November, wo noch kein Schnee liegt und die Sonne kaum zu sehen ist. Diese ständige Dunkelheit im Winter führt zur nächsten dunklen Seite Finnlands: Alkohol. In Finnland gibt es immer Grund genug zum Trinken. Im Winter weil es so dunkel ist und man ohnehin nichts im Freien unternehmen will, im Sommer weil eben Sommer ist und das gefeiert werden muss. Und die Finn*innen trinken gerne etwas über den Durst. Dennoch versucht die finnische Regierung diesem Drang nach Alkohol entgegenzuwirken. Alle alkoholischen Getränke, die mehr als 5% Vol. enthalten, können nur in einem spezialisierten, der Regierung zugehörendem Geschäft gekauft werden, das sich Alko nennt.

Nordlichter in Finnland

Wo Dunkelheit ist, ist auch (Nord-)Licht

Aber wenn es den dunklen Winter nicht gäbe, gäbe es auch keine Nordlichter. Nordlichter heißen in Finnland „revontulet“, was so viel bedeutet wie Feuer der Füchse. Der Name kommt von dem alten Glauben, Nordlichter seien die Reflektion der bauschigen Fuchsschwänze, die im Schnee zurückbleibt, wenn die Tiere im Winter durch die Wälder streifen.

Finnland, der „eigenartige“ Cousin Skandinaviens und seine Bewohner*innen

Nach einem kurzen Gespräch mit einem Dänen im Pub ist es klar: Finnland ist (laut ihm und anderen Skandinavier*innen) der eigenartige Cousin der Länderfamilie.

Finnland, manchmal im weiteren Sinne Teil von Skandinavien, hat 5,5 Millionen Einwohner*innen. Sie teilen sich im ganzen Land 2,5 Millionen Saunas, die, wie die Zahlen beweisen, eine große Rolle spielen. Auch in den Studentenwohnheimen hat man die Möglichkeit, die Saunas zu nutzen, um sich an eiskalten Wintertagen, an denen auch keine heiße Dusche mehr reicht, aufzuwärmen. Wenn Finn*innen auch sonst sehr schüchtern sind, so legen sie diese Zurückhaltung mit ihrer Kleidung vor ihrem Lieblingsraum, der Sauna, ab.

Aber Finnland hat auch noch weitere Eigenartigkeiten, über die du vielleicht noch nie gehört hast. Wolltest du schon immer mal an einem Luftgitarrenwettbewerb teilnehmen? Im Winter bei minus 20 Grad ein Loch in den gefrorenen See bohren und darin schwimmen gehen? Deine Ehefrau auf den Rücken packen, einen Wettlauf ablegen und das Gewicht der Frau in Bier gewinnen? Eine Sprache mit 15 grammatikalischen Fällen lernen? Mit dem Auto zehn Kilometer über das gefrorene Meer fahren, um auf eine Insel zu kommen? Ja, das – und noch viel mehr – ist wirklich alles möglich, wenn man sich mit dem einzigartigen Erasmusprogramm nach Finnland wagt.

Eure Lisa Marie


Photo-Credits:
Titelbild Flagge:  Baptiste Valthier via Pexels
Restliche Fotos: Autorin