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Studie: Wirksamkeit von Psychotherapie kann durch digitale Programme verbessert werden.

Psychologen der Universität Salzburg haben in Zusammenarbeit mit deutschen und Schweizer Kollegen in der gegenwärtig international größten Studie zu diesem Thema gezeigt, dass Internet Interventionen die Wirksamkeit von Psychotherapie bei Depression nicht nur unmittelbar, sondern auch längerfristig verbessern können.

Die Kombinationstherapie („Blended Therapy“) führte zu anhaltend besseren Ergebnissen in der Routineversorgung. Die Effekte waren weitgehend unabhängig von Alter, Geschlecht oder Bildungsstand der 340 teilnehmenden Personen. Wenn digitale Assistenzprogramme die Wirksamkeit gängiger Behandlungsangebote anhaltend verbessern, wie die Studie zeigt, hätte dies wichtige Konsequenzen für die Therapie von morgen im Sinne einer verbesserten Patientenversorgung, so Studienerstautor Raphael Schuster.

Wenn das Leben nur noch düster und trist erscheint, nichts mehr Freude macht und jede Anforderung des Alltags schier unüberwindlich wirkt –  rund 5 Prozent – also 400.000 Österreicher/innen –  sind von einer Depression betroffen. Bis zum Jahr 2030 wird Depression laut WHO die weltweit häufigste Ursache für Beeinträchtigungen und Behinderungen sein. Im Gegensatz zu Herzinfarkt oder Schlaganfall tritt die psychische Störung oft schon im frühen Erwachsenenalter auf und kann daher im Fall einer Nicht- oder Fehlbehandlung sehr viel mehr und längere negative Konsequenzen nach sich ziehen. Umgekehrt könne hier aber durch frühzeitige und effektive Interventionen therapeutisch und kostenmäßig auch besonders viel abgefedert werden, zitiert Raphael Schuster aus der Arbeitsgruppe „Psychotherapieforschung“ von Professor Anton-Rupert Laireiter an der Universität Salzburg die relevante Literatur. Wie diese und andere Studien zeigen, kann die Wirksamkeit einer ambulanten psychotherapeutischen Routine-Versorgung durch Apps bzw. Internet Interventionen signifikant verbessert werden – ein Befund, der nicht nur zu Zeiten von Corona, sondern darüber hinaus von Bedeutung ist.

Bekannt war bisher schon, dass Internet Interventionen mit kurzer therapeutischer Begleitung eine gute Wirkung zeigen und ähnliche Behandlungserfolge erzielen können wie klassische psychologische Interventionen. Offen hingegen war bis jetzt die Frage, ob derartige Tools die Effektivität von face to face Psychotherapien erhöhen können. „Unsere Studie an 340 Patientinnen und Patienten mit leichten bis mittelschweren Depressionen hat nun gezeigt, dass die Kombination Psychotherapie plus Internet Intervention einen ähnlichen Zusatznutzen bringt wie die Kombination von Psychotherapie und Psychopharmaka. Diese Ergebnisse werden von zwei weiteren kürzlich veröffentlichten Studien unterstützt. Wir haben Daten analysiert zur Depressivität, zum therapeutischen Prozess und zur psychischen Gesundheit. Alle diese Parameter haben sich bei der Blended Therapy, also der Mischtherapie, laut Selbstbericht der Patient/innen deutlich verbessert. Hinsichtlich der prozentualen Verbesserung lagen wir in der Follow-Up Erhebung bei 12,4% Prozent Zuwachs an voll gesundeten (remittierten) Patienten. Zusätzlich konnte die Rate ungünstiger Verläufe von 15,0% auf 10.2% reduziert werden. Die Ergebnisse unserer Studie können damit als richtungsweisend bezeichnet werden,“  sagt Raphael Schuster und ergänzt „denn die Frage, ob digtiale Produkte eingesetzt werden sollten, hängt neben potenziellen Risiken – wie zum Beispiel beim Datenschutz –  vom erwartbaren Zusatznutzen ab“.

Die positiven Wirkungen der Kombinationstherapie waren dabei weitgehend unabhängig von Alter, Geschlecht oder Bildungsstand der teilnehmenden Personen. Ein besonders wichtiger Befund ist, dass die Effekte auch im sogenannten Follow-up Zeitraum von sechs Monaten stabil blieben, betont Schuster. „Die  Langzeiteffekte sind besonders wichtig, denn nur sie geben Auskunft darüber, ob etwaige Verbesserungen auch nachhaltig bestehen.“ Überraschend war für die Studienautoren das große Interesse älterer Menschen an Internet Interventionen. „Entgegen der Annahme, dass solche Programme eher für junge Menschen oder für leicht depressive Patienten geeignet sind, haben wir gesehen, dass sich vor allem ältere Betroffene und jene mit stärkeren Symptomen sehr ausgiebig mit der Internet-Behandlung auseinandergesetzt haben.“

Und worauf könne man zurückführen, dass die Kombinationstherapie einer ausschließlichen Psychotherapie überlegen ist? Nach Meinung der Experten spielt dafür die Verbesserung des krankheitsbezogenen Selbstmanagements eine wichtige Rolle. „Das haben wir hier nicht konkret untersucht, aber in einer weiteren Studie haben wir die nötigen Variablen erhoben und konnten zeigen, dass verbesserte Handlungskompetenzen sowie Veränderungen von dysfunktionalen Denkmustern zum Erfolg beitrugen. Das sind jene Faktoren, die wir bereits aus der persönlichen Therapie kennen.“

Zur Methodik: Raphael Schuster hat die Patienten für die vorliegende Studie nicht selber rekrutiert, sondern die Daten einer Subgruppe der sogenannten EVIDENT Studie in einer Sekundäranalyse evaluiert. EVIDENT ist eine große multizentrische randomisierte Studie, in der deutsche und Schweizer Psychologen im Zeitraum zwischen 2012 und 2015 die Wirksamkeit einer Stand-Alone Internet Intervention („deprexis“) an tausend (leicht- bis mittelgradig) depressiven Personen im Alter zwischen 18 und 65 Jahren untersuchten. Das mehrfach ausgezeichnete online Therapieprogramm „deprexis“ lief über 12 Wochen. Etliche Patient/innen (340) dieser Praxisstudie befanden sich gleichzeitig in Psychotherapie (zum Beispiel kognitive Verhaltenstherapie). Diese Untergruppe hat Raphael Schuster genauer analysiert. „Unsere Studie ist die weltweit größte auf dem Gebiet der additiven Effekte von Blended Therapy. Wenn digitale Assistenzprogramme die Wirksamkeit gängiger Therapieangebote anhaltend verbessern können, wie unsere Studie zeigt, hätte dies wichtige Konsequenzen für die Therapie von morgen. Zukünftige Studien sollten noch Follow-up Erhebungen in Zeiträumen von ein, zwei Jahren machen und auch verschiedene Formen von Kombinationstherapien untersuchen, um eine optimale Behandlung zu ermöglichen,“ so Schuster.

Die digitale Psychiatrie stellt derzeit eine der obersten Forschungsprioritäten innerhalb der Psychiatrie dar. Zur ihr zählen neben der Entwicklung von Internet Interventionen auch der Einsatz von künstlicher Intelligenz zur Vorhersage von Behandlungs(miss)erfolgen. „Es wird erwartet, dass dieses Forschungsfeld einen ähnlichen Innovationsgrad besitzt wie die Entwicklung der bildgebenden Verfahren wie fMRI, CT usw.“, sagt Schuster. Ein Teilbereich  der digitalen Psychiatrie ist die Blended Therapy, bei der die Psychotherapie um digitale Tools erweitert wird. Österreich liegt hier im internationalen Vergleich deutlich zurück, was unter anderem mit dem – in der Corona-Krise gelockerten – Verbot für Fernbehandlungen zu tun hat“, so Schuster. „Entsprechend internationaler Initiativen ist es wahrscheinlich, dass in der Psychotherapie zukünftig in größerem Umfang technische Hilfsmittel eingesetzt werden. Während dieser Veränderungsprozess in Deutschland bereits im Gang ist, sollten in Österreich entsprechende Strategien vorbereitet werden, um eine gute Patientenversorgung gewährleisten zu können und auch um in Österreich entsprechendes Know-how aufzubauen“, sagt Schuster und fügt hinzu: „Angesichts des allgemeinen Rückstands Österreichs beim Thema psychotherapeutische Versorgung, wäre dies aber nur einer von mehreren Schritten“.

Publikation: Raphael Schuster, Anton-Rupert Laireiter, Thomas Berger, Steffen Moritz, Björn Meyer, Fritz Hohagen, Jan Philipp Klein (2020): Immediate and long-term effectiveness of adding an internet intervention for depression to routine outpatient psychotherapy: Subgroup analysis of the Evident trial.

Link zur Studie:   https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/S0165032719336328?via%3Dihub

Foto: v.l. Professor Anton-Rupert Laireiter und Dr. Raphael Schuster | Fotonachweis: Kolarik

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