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Warum Tattoos ewig auf der Haut bleiben

Immer mehr Menschen lassen sich Tattoos stechen, parallel dazu wollen sich immer mehr Menschen die Körperbilder wieder entfernen lassen. In Kooperation mit französischen Immunologen bzw. Tattoo-Forschern in Marseille hat die Biologiedoktorandin Helen Strandt von der Universität Salzburg untersucht, welche Zellen dafür verantwortlich sind, dass die Körpermalereien dauerhaft auf der Haut bleiben.

Die Forschungsergebnisse könnten Alternativen zur problematischen Tattoo-Entfernung mittels Laser ermöglichen.

Helen Strandt wurde für ihre Arbeit mit dem Young Investigators Award 2019 der Universität Salzburg ausgezeichnet.

Ungefähr jeder vierte junge Erwachsene der westlichen Welt trägt inzwischen mindestens ein Tattoo (Quelle: Nicolas Kluger). Italien steht mit insgesamt 48 Prozent tätowierten Menschen europaweit an der Spitze, Österreich liegt im Durchschnitt. Was bei einer Tätowierung in der Haut geschieht, wie die dort angesiedelten Immunzellen auf die Verletzungen reagieren, ist zum Großteil noch ungeklärt. Fest steht, dass beim Tattoo-Stechen die Tinte mit den Farbpigmenten durch die oberste Hautschicht (Epidermis) hindurch in die darunterliegende Dermis (Lederschicht) geht. Die Dermis besteht hauptsächlich aus Bindegewebe (Kollagen), das der Haut Festigkeit und Elastizität verleiht. „Ein geringer Teil der Tattoo-Tinte bleibt in der Epidermis haften und wird innerhalb kurzer Zeit vollständig, etwa in der Form von bunten Flocken, abgeschieden. Fast die gesamte Tinte setzt sich in der Dermis fest und bleibt dort permanent erhalten,“ erklärt die Doktorandin Helen Strandt vom Fachbereich Biowissenschaften der Universität Salzburg. Die selbst mehrfach tätowierte Jungforscherin beschäftigt sich in ihrer Dissertation, die die Immunzellen der Haut im Fokus hat, mit der Aufnahme der Tattoo-Tinte in die Zellen. Betreut wird die Dissertation von Josef Thalhamer und Angelika Stöcklinger.

Bereits bekannt ist, dass die Tinte in der Dermis (Lederhaut) von den dort sitzenden Makrophagen (Fresszellen) aufgenommen wird. Die bahnbrechenden Arbeiten dazu kommen von den französischen Immunolog/innen um Anna Baranska und um Sandrine Henri aus dem Labor von Bernard und Marie Malissen am Centre d´Immunologie Marseille-Luminy in Marseille. Makrophagen sind Teil des Immunsystems, sie zählen zu den weißen Blutkörperchen und dienen der Beseitigung von Pathogenen und Mikroorganismen. Wie Hausmeister sorgen sie für die zelluläre Abfallbeseitigung, indem sie körperfremde Partikel aufnehmen und auflösen. Da die Tintenpartikel jedoch ein anorganisches Material darstellen und zudem recht groß sind, können die Makrophagen sie nicht abbauen, sondern nur einschließen. Bis zu 100 Tinten-Partikel können sich in einem einzigen Makrophagen befinden.

Doch warum bleibt die Tattoo-Tinte über so viele Jahre stabil und folglich die Tattoos gestochen scharf, obwohl die Partikel-tragenden Makrophagen im Laufe der Zeit absterben? „Des Rätsels Lösung liegt darin, dass nach dem Tod eines mit Tinte gefüllten Makrophagen genau an derselben Stelle ein neuer Makrophage die Tinte wiederaufnimmt. Da der Prozess ziemlich schnell, nämlich ungefähr innerhalb von 10 Tagen vonstattengeht, können sich die Pigmente nicht im Körper verteilen und zum Beispiel durch Lymphflüssigkeit abtransportiert werden “, sagt Helen Strandt. 

Die Makrophagen sind allerdings nur ein – wenn auch sehr wesentlicher – Teil des Geheimnisses der Tattoo-Stabilität. Eine ähnlich wichtige Rolle spielen die Fibroblasten, wie Helen Strandt bei einem sechsmonatigen Forschungsaufenthalt im Labor der französischen Immunolog/innen in Marseille herausgefunden hat. Für ihre Untersuchungen tätowierten die Wissenschaftler die Schwänze von Mäusen mit grüner Farbe.

Fibroblasten sind Bindegewebszellen, sie sitzen in der Dermis (Lederhaut) und sind für die Stabilität und Elastizität der Haut verantwortlich. Im Rahmen des vom FWF finanzierten Doktoratskollegs „Immunity in Cancer und Allergy“ hat Helen Strandt von März bis September 2018 in Marseille im Maus-Modell die Tinte-tragenden Fibroblasten identifiziert, die Tinte in diesen Zellen quantifiziert und die Anzahl der Makrophagen und Fibroblasten, die mit Tinte gefüllt sind, verglichen. „Einerseits tragen deutlich mehr Fibroblasten als Makrophagen Tintenpartikel, 10 mal so viele. Anderseits haben aber Makrophagen mehr Tinte gespeichert. Fibroblasten beinhalten im Schnitt 10 bis 20 Partikel, Makrophagen 50 bis 100. Klar ist, dass beide Zelltypen dafür verantwortlich sind, dass ein Tattoo trotz ständiger Hauterneuerung bleibt, wo es ist.“ 

Unklar ist allerdings, wie die Fibroblasten, von denen nicht bekannt ist, dass sie Partikel aufnehmen, überhaupt an die Tinte herankommen. Es könnte damit zusammenhängen, dass beim Tätowieren Bindegewebe teilweise zerstört wird und Fibroblasten über dieses kaputte Gewebe Zugang zur Tattoo-Tinte erhalten, vermutet Strandt.

Die Forscher/innen sehen in ihren Erkenntnissen insbesondere eine Möglichkeit, bei der Entfernung von Tattoos neue Wege zu gehen. Bisher werden Tattoos mittels Laser entfernt, eine äußerst schwierige Prozedur, die mehrmals wiederholt werden muss, ohne Garantie auf Erfolg ist und teilweise Narben hinterlässt, sagt Strandt „Man leitet die Laser-Energie in die Hautschicht, in der die Tinte sitzt und bringt dort so gut wie alle Zellen um. Es entsteht eine Inflammation, eine Entzündung. Die Haut schwillt an. Durch die Prozedur wird die Tinte aufgebrochen, die Partikel werden kleiner, sodass sie leichter abtransportiert werden können. Das benötigt viele Sitzungen. Dadurch dass man an derselben Stelle immer wieder dieselbe Gewebezerstörung erzeugt, kann es zu Narbenbildung kommen“, gibt Strandt zu bedenken. „Die Lasermethode ist ungerichtet, schwierig und ineffizient.“

Genau zu wissen, welche Zellen Tattoo-Tinte tragen, ist ein Schlüssel für eine effiziente und schonende Tattoo-Entfernung, weil man so diese Zellen gezielt attackieren könnte, sagt die 28-jährige aus dem kleinen sächsischen Ort Reichenbach/ Deutschland stammende Dissertantin (die ihre eigenen Tattoos keinesfalls weghaben möchte, wie sie betont).  „Wenn man die Makrophagen und Fibroblasten, die mit Tattoo-Tinte bzw. mit Pigmenten gefüllt sind, von den leeren Makrophagen und Fibroblasten unterscheiden könnte, dann könnte man möglicherweise einen Antikörper oder eine Creme entwickeln, mittels derer man die Tinte-tragenden Zellen anregen könnte, die Tinte wieder auszuspucken.“

Auch wenn die französisch-salzburgische Forschergruppe einige Rätsel um die Wirkungsweise von Tätowierungen gelöst hat, bleiben noch viele Fragen rund um Tattoos und Immunzellen offen, die Helen Strandt im Laufe ihrer möglicherweise weiteren akademischen Laufbahn gern beantworten würde.

Kontakt:  

Helen Strandt, MSc PhD Studentin
Universität Salzburg
Biowissenschaften
Hellbrunnerstraße 34
5020 Salzburg
t.: 43 (0) 662 8044-5959