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Mariya Donska: „Ich bin ein Glücksfall der Mobilitätsprogramme“

Charkiw, München, Graz, Salzburg. Mariya Donska hat drei verschiedene Studien in drei verschiedenen Ländern und vier verschiedenen Städten abgeschlossen. Ihr Karriereweg ist auch eine Erfolgsgeschichte der Mobilitätsprogramme.

Jetzt arbeitet die 30jährige Ukrainerin als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Fachbereich Slawistik der Universität Salzburg. Mit dem innovativen Projekt „SprachWanderCamp“ fördert sie zudem den Austausch zwischen Österreichern und Ukrainern.

„Ich wollte ausprobieren, wie es ist, in Europa zu leben und zu studieren. Viele Studierende in der Ukraine sind heute sehr mobil und haben einen großen Lebensdurst. Wir holen ein bisschen nach, was unseren Eltern verwehrt war. Die waren lange Zeit eingesperrt in der Sowjetunion“, so bringt die in Charkiw, der zweitgrößten ukrainischen Stadt, russischsprachig aufgewachsene Mariya Donska das Hauptmotiv für ihr Studier-Wanderleben auf den Punkt.

Seit 2013 arbeitet die Jungwissenschaftlerin, die fünf Sprachen (Russisch, Ukrainisch, Polnisch, Englisch, Deutsch) fließend spricht und zwei weitere schriftlich beherrscht (Latein, Altgriechisch) am Fachbereich Slawistik der Universität Salzburg als wissenschaftliche Mitarbeiterin. In ihrer Dissertation setzt sie sich mit dem Werk des bedeutenden zeitgenössischen russischen Schriftstellers Saša Sokolov (geb. 1943) auseinander.

Ihre politische Identität sei ukrainisch und pro-europäisch, betont Mariya Donska. Aber sie liebe und schätze die russische Literatur außerordentlich, ergänzt die Jungforscherin, die aus einer Familie mit jüdischer Abstammung kommt. Die russische Literatur des 20. Jahrhunderts ist auch ihr Forschungsschwerpunkt. „Man darf die russische Kultur und Literatur nicht mit der russischen Politik gleichsetzen. Die russische Politik ist aggressiv und verlogen, ich lehne sie ab. Aber ich identifiziere mich vielfach mit der russischen Literatur.

Ich bin mit russischen Büchern aufgewachsen. Es ist auffallend, dass in der russischen Tradition sehr viele erstklassige Schriftsteller nicht systemkonform sind und waren. Puschkin zum Beispiel war zweimal im Exil, das erste Mal mitunter wegen seiner Ode an die Freiheit. Mandelštam war aufgrund eines antistalinistischen Gedichtes in Haft. Es können unzählige Beispiele genannt werden.“

Zu Studierzwecken ins Ausland geht Mariya Donska das erste Mal im Jahr 2005. Einen Intensivkurs „Deutsch als Fremdsprache“ an der Universität Passau, ermöglicht durch ein Bayhost-Stipendium, absolviert sie in den Sommermonaten während ihres Studiums der ukrainischen und klassischen Philologie an der Charkiwer Nationalen W.N. Karasin Universität. Zwei Jahre später, und mit einem ausgezeichneten Magisterabschluss in der Tasche, nimmt sie an der renommierten Ludwig-Maximilians-Universität in München das Masterstudium Komparatistik/Computerlinguistik auf.

Ein DAAD-Stipendium macht es möglich. „Ich bin ein Glücksfall der Mobilitätsprogramme“, sagt Donska. Auf den Studienabschluss in München folgt ein Lehramtsstudium in Graz. Russisch, Latein, Griechisch. „Ich wollte auch ein Standbein als Lehrerin haben, weil ich mir gedacht habe, das ist beruflich ein bisschen sicherer.“

In Graz fällt Mariya Donska dem dortigen Slawistik-Professor Peter Deutschmann in diversen Lehrveranstaltungen wegen ihres großen Literaturinteresses auf. Er fördert sie und eröffnet ihr nach seiner Berufung an die Universität Salzburg hier eine wissenschaftliche Karriere, an der sie nach dem unmittelbar bevorstehenden Abschluss der Dissertation gern weiterarbeiten würde, wie sie sagt. Die neuen Doktoratskollegs, die die Universität Salzburg im Jahr 2014 im Zuge der Qualitätsentwicklung des Doktoratsstudiums eröffnet hat, findet sie einen großen Gewinn.

„Viele waren am Anfang skeptisch und haben gesagt, wozu brauchen wir noch eine Einrichtung, aber die interdisziplinäre Betreuungsstruktur für die Dissertanten führt zu einer unglaublichen Bereicherung. Andere Leute haben eine andere Sicht und das belebt die Forschung. Auch den Austausch mit Dissertanten aus anderen Fachbereichen, der durch das Doktoratskolleg ermöglicht wurde, finde ich einen großen Gewinn. Es ist ein Luxus, Gleichgesinnte aus anderen Fächern zu finden, mit denen du bei einer Tasse Kaffee auf dem Dach der Uni literaturtheoretische Probleme besprechen kannst.“

Sehr am Herzen liegt Mariya Donska auch das Projekt „SprachWanderCamp“, eine einmal jährlich stattfindende Wanderung für Ukrainer und Österreicher in den Karpaten zum Austausch von Sprach- und Kulturkenntnissen. Die Idee zu diesem Tandem-Projekt für Russisch-Studierende und Deutschlernende hat Mariya Donska in Graz entwickelt. „Ich habe schnell gemerkt, dass man in Österreich gern wandert, im Land der Berge.

Auch ich wandere sehr gern. Das hat mich auf die Idee gebracht, den Österreichern die Ukraine als Land und eine andere Art zu wandern mit längeren Aufenthalten in der Natur zu zeigen, verbunden mit Russischunterricht. Je 10 Personen aus Österreich und 10 Personen aus der Ukraine bilden jedes Jahr 10 Tage lang bei den Wanderungen wechselnde Sprachpaare.“

Und wie fällt für Donska der Vergleich zwischen dem Studentenleben in Charkiw und Salzburg bzw. Graz und München aus? „Da wie dort ist es für Studierende eine lustige Lebensphase, mit viel Freiheit, aber auch viel Anstrengung. Charkiw ist eine multikulturelle Metropole mit 42 Universitäten und Hochschulen und einem regen modernen Kulturleben.

Ein großer Unterschied zu hier: In der Ukraine ist politisches Engagement lebenswichtig. Man kann nicht apolitisch sein. Wir sind alle geprägt von der friendlichen Orangen Revolution 2004/2005 und den Maidan-Protesten mit der blutigen Eskalation im Februar 2014. Und der Krieg in der Ostukraine ist eine andauernde Tragödie, auch wenn in Charkiw das Leben normal weitergeht.“

Was die Organisation des Uni-Lebens betrifft ist Donska von Salzburg begeistert. „Die Uni Salzburg ist viel menschlicher als die in Charkiw, nicht nur weil sie kleiner ist, sondern auch weil sie Studierenden viele Wahlmöglichkeiten bietet. In der Ukraine haben wir ein starres System, ähnlich wie hier an den FHs. In Salzburg, wie auch in Graz oder München, ist alles gut organisiert, in der Lehre und der Forschung.

In der Ukraine gibt es immer irgendwelche organisatorischen Probleme. Dazu kommen Qualitätsprobleme. Da Professoren in der Ukraine sehr schlecht verdienen, sind sie manchmal nicht sehr motiviert. Es gibt aber auch unglaublich gute Professoren, die ihr Fach wirklich lieben, sonst würden sie die Zustände nicht aushalten, die sind wie seltene weit leuchtende Edelsteine.“  

Foto: Mariya Donska.  Bild: Universität Salzburg

Foto: Mariya Donska | © Universität Salzburg