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Wie viel Hilfe darf es am Ende des Lebens geben?

Der Strafrechtsexperte Kurt Schmoller von der Universität Salzburg ist gegen eine Lockerung des Sterbehilfeverbots.

Während mit Kalifornien nun der fünfte US Bundesstaat den assistierten Suizid für bestimmte Fälle gesetzlich erlaubt, bleibt in Österreich weiterhin jede Form der aktiven Sterbehilfe strafbar. Trotz der internationalen Debatte um die Ausweitung der Sterbehilfe sieht der Salzburger Strafrechtler Kurt Schmoller keinen Bedarf für eine Änderung der österreichischen Rechtslage. Die Idee der Regierung, die Sterbehilfe sogar im Verfassungsrang zu verbieten, hat Schmoller als Experte der parlamentarischen Enquête-Kommission zum Thema „Würde am Ende des Lebens“  allerdings klar abgelehnt, weil damit weniger Probleme gelöst als neue geschaffen würden.

„Ich weiß nicht, was ich tun würde, wenn ich in andauernden und qualvollen Schmerzen im Sterben läge. Ich bin mir aber sicher: Es wäre tröstlich zu wissen, dass ich Möglichkeiten in Betracht ziehen könnte, wie sie durch dieses Gesetz nun gewährt werden.“  Mit diesen bewegenden Worten ließ Kaliforniens Gouverneur Jerry Brown am 5. Oktober dieses Jahres das umstrittene Gesetz zur ärztlichen Sterbehilfe durch seine Unterschrift in Kraft treten. Nach Oregon, Washington, Montana und Vermont dürfen nun auch im bevölkerungsstärksten US-Bundesstaat Kalifornien Ärzte todkranke Menschen beim Suizid unterstützen, indem sie ihnen ein Mittel zur Selbsttötung beschaffen. Dies ist die aktuellste Entwicklung bei der weltweiten Ausweitung der Sterbehilfe. Kurt Schmoller, Professor für Strafrecht an der Universität Salzburg und Wirkliches Mitglied der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, lehnt die auch in Österreich diskutierte Legalisierung des assistierten Suizids ab. „Wenn die Beihilfe zur Selbsttötung nicht mehr unter Strafe steht, hätte dies weitreichende Konsequenzen, weil eine Beihilfe zur Selbsttötung ja nicht auf die Fälle der Sterbehilfe beschränkt ist“, warnt Schmoller.

Gesetzeslage in Österreich und Europa 2001 ließen die Niederlande als erstes Land der Welt die aktive Sterbehilfe zu, sowohl in Form der Lebensbeendigung auf Verlangen als auch als Hilfe bei der Selbsttötung. Ähnliche Gesetze folgten in Belgien und Luxemburg. In der Schweiz ist die Mitwirkung am Selbstmord rechtlich zulässig, wenn der Täter nicht aus „selbstsüchtigen Beweggründen“ handelt. In Deutschland ist die Beihilfe zum Suizid gesetzlich nicht klar geregelt. Sie ist aber kein Straftatbestand; wenn der Betroffene die Tötung selbst und eigenverantwortlich ausführt, ist deshalb der Mitwirkenden nicht strafbar. Ärzte, die Beihilfe zur Selbsttötung leisten, können derzeit unter Umständen jedoch ihre Berufsberechtigung verlieren. Am 6. November wird der deutsche Bundestag über ein Gesetz zur Suizidbeihilfe entscheiden.  

In Österreich – wie in den meisten europäischen Staaten – ist die aktive Sterbehilfe in jeglicher Form verboten. Wer jemandem bei seinem Freitod hilft, muss in Österreich fürchten, vor dem Strafrichter zu landen, auch wenn er nur für eine schwer kranke Person die Reise in die Schweiz organisiert, damit sie dort Sterbehilfe in Anspruch nehmen kann (bis zu 5 Jahren Freiheitsstrafe). Gleichzeitig erlauben die heimischen Gesetze es aber, lebensverlängernde medizinische Behandlungen abzulehnen oder abzubrechen (passive Sterbehife); niemand darf gegen seinen aktuellen oder im Vorhinein geäußerten Willen („Patientenverfügung“) behandelt werden.

Vor kurzem gab es allerdings von der österreichischen Regierung Bestrebungen zur Stärkung des Verbots der aktiven Sterbehilfe durch Erhebung in den Verfassungsrang. Ein Ansinnen, dem Professor Kurt Schmoller von Anfang an skeptisch gegenüberstand. Schmoller war Experte der 2014 gegründeten parlamentarischen Enquête-Kommission zum Thema „Würde am Ende des Lebens“, in der unter anderem die Verfassungsfrage diskutiert wurde. Die Kommission, deren Abschlussbericht inzwischen vorliegt, sprach sich mehrheitlich gegen eine verfassungsrechtliche Verankerung des Verbots der Tötung auf Verlangen aus.

Schmollers Argument für sein „Hände weg von der Verfassung“-Plädoyer: „Ich hatte und habe Bedenken, dass die momentan sehr differenzierte und ausgewogene Gesetzeslage zum Thema Sterbehilfe ins Wanken geraten könnte, wenn man ein Verbot der Tötung auf Verlangen in die Verfassung schreibt. Schließlich müssen alle einfachen Gesetze an der Verfassung gemessen werden und würden bei einem Widerspruch zu dieser aufgehoben werden. Mit einer einseitigen verfassungsrechtlichen Verankerung des Verbots der Sterbehilfe könnten im Extremfall zum Beispiel Regelungen wie jene des Patientenverfügungsgesetzes gefährdet werden, durch die Bürger lebensverlängernde medizinische Behandlungen verbindlich ablehnen können. Die Frage ist, ob dem Lebensschutz nicht besser gedient ist, wenn man den Zugang zu schmerzlindernder Behandlung auf kostenfreier Basis in der Verfassung verankert“, sagt Schmoller. Den Ausbau der Hospiz- und Palliativversorgung will die österreichische Regierung tatsächlich gesetzlich verankern. Allerdings nicht in der Verfassung.

Foto: K. Schmoller | © PLUS

 

Univ.-Prof. Dr. Kurt Schmoller
Strafrecht und Strafverfahrensrecht
Universität Salzburg
Kapitelgasse 5-7
Tel: +43 662 8044 3361

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