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Das Google-Urteil des EuGH zum „Recht auf Vergessen“ – Stärken und Schwächen ein Jahr danach. Einschätzung des Datenschutzrechtsexperten Dietmar Jahnel von der Universität Salzburg

Kaum eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zum Datenschutz hat in der Öffentlichkeit so hohe Wellen geschlagen wie das Urteil vom 13. Mai 2014. Bis dahin galt: „Das Internet vergisst nie“. Aufgrund der Richtlinie 95/46/EG der Kommission sprachen die europäischen Richter Internetnutzern jedoch vor knapp einem Jahr das Recht zu, im Internet quasi „vergessen zu werden“.

Der EuGH urteilte in der „ Google Spain und Google“ Entscheidung, dass Suchmaschinenbetreiber wie Google dazu verpflichtet werden können, Verweise auf Webseiten mit sensiblen persönlichen Daten aus ihren Ergebnislisten zu streichen (Rechtsache C- 131/12).

Der Datenschutzrechtsexperte Dietmar Jahnel,  Professor für Öffentliches Recht an der Universität Salzburg und Herausgeber der Zeitschrift  „jusIT“,  einer Fachzeitschrift für IT-Rechtsfragen, hat sich  intensiv mit dem Google-Urteil  beschäftigt. Er hat dazu publiziert und vor kurzem bei einer internationalen Rechtsinformatik-Tagung  in Salzburg über aktuelle Entwicklungen bezüglich des Urteils zur Löschungspflicht von Suchmaschinenbetreibern diskutiert. Jahnel nennt das Google-Urteil einen Meilenstein  im Sinne der Stärkung  der Persönlichkeitsrechte und einen Etappensieg für das europäische Datenschutzrecht. “Das Urteil hat gezeigt, dass sich internationale Konzerne, auch wenn es ganz große Player sind wie Google, an das europäische Datenschutzrecht halten müssen. Der Fall konnte mit der Datenschutzrichtlinie aus dem Jahr 1995 gelöst werden.“  

Die Gefahr, dass das Urteil  eine „ Medienzensur durch die Hintertür“ darstellen könnte, wie Wikipedia Mitgründer Jimmy Wales befürchtet, sieht Dietmar Jahnel nicht. Jimmy Wales ist eines der Mitglieder im Lösch-Beirat, den Google  zum Umgang mit dem EuGH Urteil über das “Recht auf Vergessen“  eingerichtet hat.  Die Meinungsfreiheit sei keineswegs in Gefahr, sagt Jahnel. „Der EuGH hat dezidiert entschieden, dass in jedem Einzelfall eine Interessensabwägung zwischen dem Grundrecht auf Meinungsfreiheit und dem Grundrecht auf Privatsphäre durchzuführen ist. Diese beiden Grundrechte kollidieren ja hier.  Wo da eine Zensur sein soll, sehe ich nicht. Bei Personen des öffentlichen Lebens gilt das Recht auf Tilgung von Links ohnehin nur sehr eingeschränkt. Hier muss zwischen ihrem persönlichen Recht auf Datenschutz und dem Recht der Öffentlichkeit auf Zugang zu Informationen abgewogen werden“, sagt Jahnel. 

Für wen gilt das Urteil und wie war es dazu gekommen?

Ein Spanier hatte im Jahr 2010 geklagt. Er hatte eine Beschwerde bei der spanischen Datenschutzbehörde eingebracht. Suchte man auf Google nach dem Namen des Spaniers, erschienen zwei Zeitungsartikel, in denen über eine Zwangsversteigerung seines Hauses im Jahr 1998 berichtet wurde. Diese läge schon lange zurück, argumentierte Mario Costeja Gonzalez. Wegen angeblicher Rufschädigung wollte der Professor den Suchmaschineneintrag, der auf einem digitalisierten Zeitungsartikel beruhte, löschen lassen. Der Fall landete vor dem EuGH, weil das spanische Obergericht den Gerichtshof angerufen hatte, um die Auslegung der EU- Datenschutzrichtlinie klären zu lassen. Vier Jahre später, im Mai 2014 wurde schließlich das richtungsweisende Urteil gefällt.

Prinzipiell ist das Urteil nicht nur für Google relevant, sondern für jeden Suchmaschinenbetreiber, der eine Niederlassung in einem Mitgliedsstaat der europäischen Union betreibt, betont Jahnel. Fraglich ist, ob die Suchmaschinen ihre Ergebnislisten nur für das jeweilige Land anpassen müssen, aus dem die Beschwerde kommt. Nutzer der amerikanischen Version können derzeit die Ergebnisse sehen, die in der EU nicht gezeigt werden.

Inzwischen sind schon weit mehr als 200.000 einzelne Ersuchen von Antragstellern bei Google eingelangt. Der Suchmaschinengigant hat ein Formular ins Internet gestellt, mit dem Europäer die Löschung unliebsamer Daten beantragen können. Google hat bisher rund 60 Prozent der Anträge nicht stattgegeben. Darunter ist auch der Antrag einer Salzburgerin. Sie hat die Causa einer Rechtsanwältin übergeben, die eine Klage bei Google eingebracht  hat.