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Präventivmaßnahmen bei Epidemien

Computerwissenschaftler der Universität Salzburg nehmen die Ausbreitung von Epidemien genauer unter die Lupe – einerseits um die Verbreitung von gefährlichen Krankheiten besser in den Griff zu bekommen, aber auch um damit effizientere Verfahren für die Übertragung von Informationen in technologischen Systemen zu schaffen.

„Wir versuchen epidemische Prozesse, das heißt die rasche Ausbreitung einer Krankheit, richtig zu verstehen. Wir wollen damit der Gesellschaft helfen, aber wir wollen damit auch Algorithmen entwerfen, die für die Lösung anderer Probleme verwendbar sind, etwa der effizienten Verbreitung von Daten in großen verteilten Netzwerken“, erklärt Prof. Dr. Robert Elsässer sein Forschungsprojekt, das er mit seinem Team am Fachbereich Computerwissenschaften der Universität Salzburg betreibt.

Elsässer wechselte 2012 von der Universität Paderborn nach Salzburg. In der Folge wurde auch der Doppler-Cluster am Zentrum für „High Performance Computing“ ausgebaut, da konkurrenzfähige Forschung ohne spezielle Hochleistungsrechner nicht möglich wäre.

Derzeit arbeitet das Experten-Team um Elsässer an einem Modell für die Beschreibung der Interaktion zwischen Individuen in einer Großstadt, um die Wahrscheinlichkeit einer Krankheitsübertragung von grippeähnlichen Erregern zu erfassen. Die Wissenschaftler greifen dabei auf Daten des deutschen Robert Koch-Institutes von bereits vergangenen Grippewellen zurück. Forschungseinrichtungen für Telekommunikation liefern Informationen darüber, wie viele Menschen sich etwa in einer Funkzelle befinden um hier die Übertragungswege einer Krankheit besser vorhersagen zu können. Ein großer Pluspunkt ist zudem, dass im Gegensatz zu früheren Ansätzen die typischen Aspekte der Mobilität in Großstädten berücksichtigt werden. Dabei wird die Dynamik zwischenmenschlicher Beziehungen in das Modell mit aufgenommen. Mit Hilfe dieser Informationen entwickeln die Wissenschaftler eine Simulation eines Epidemieverlaufs, wobei alle Daten in einen Großrechner eingespeist werden. Ziel ist es, die Wahrscheinlichkeit einer Übertragung und das Ausbreitungsverhalten festzustellen und in der Folge ein mathematisches Modell zu entwickeln, das dieses Verhalten möglichst genau beschreibt. Ist einmal ein „Grippe-Modell“ entwickelt, kann dieses mit geringer Modifikation auch auf andere Krankheiten umgelegt werden.

Forschungen zur Ausbreitung von Epidemien gibt es schon seit den 1950er-Jahren. Mathematiker, Physiker, Biologen und Informatiker haben sich in unterschiedlichsten Herangehensweisen mit dem Problem beschäftigt. „Aber alle Modelle sind noch nicht wirklich ausgereift. Es gibt eine gewisse Unschärfe in der Anfangsphase einer Epidemie. Man weiß nicht genau, ob mit einem Ausbruch zu rechnen ist, beziehungsweise wie lange die Vorlaufzeit ist“, sagt Elsässer. Die genaue Vorhersage von Epidemieverläufen wäre aber von unschätzbarem Wert, um zu erkennen, ab wann Präventivmaßnahmen ergriffen werden müssen, um einen Großteil der Bevölkerung – etwa durch gezielte Information, Impfung oder Quarantänemaßnahmen – zu schützen.

Die Natur ist dem Menschen meilenweit voraus. Das zeigt sich immer wieder, wenn sie zum Ideengeber für die Wissenschaft wird.

Die Forschergruppe schlägt mit ihren Untersuchungen aber gleich zwei Fliegen mit einer Klappe. Denn die Lösungen zu zuverlässigeren Voraussagen für Epidemieverläufe können auch für die Entwicklung von Kommunikationsprotokollen in großen technologischen Netzwerken genutzt werden. Zu verstehen, wie rasch sich Epidemien ausbreiten, bringt auch Vorteile für Anwendungen in der Informatik. „Die Prozesse, die in der Natur auftreten, können für eine effiziente Verbreitung von Daten angewendet werden“, so Elsässer. Natürlich können die Ergebnisse nicht 1:1 umgesetzt werden. Trotzdem gibt es viele Ähnlichkeiten, die man bei der Umlegung von epidemischen Prozessen auf Kommunikationsprotokolle in verteilten Systemen ausnutzen kann. Es wurde unter anderem festgestellt, dass natürliche Netzwerke in ihren Strukturen den Freundschaftsnetzwerken im Internet, wie auch den sogenannten Peer-to-Peer Netzwerken ähnlich sind.

Foto: Professor Robert Elsässer | © Kolarik/Leo

 

Kontakt

Univ.-Prof. Dr. Robert Elsässer

Fachbereich Computerwissenschaften

e-mail: robert.elsaesser(at)sbg.ac.at

Tel: +43 662 8044-6309

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