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Gleichgewicht der Kräfte

Organismen reagieren auf klimatische Veränderungen. Der Ökologe Martin Zimmer von der Universität Salzburg untersuchte die Veränderungen bei Strandkrabben und Schnecken aufgrund der Erwärmung und Versauerung der Ozeane.

Treibhausgase (hauptsächlich von Menschen verursachte Emissionen) beschleunigen die Erwärmung der Ozeane. Seit Beginn der Industrialisierung ist die Kohlendioxid (CO2)-Konzentration in der Atmosphäre um rund 30 Prozent angestiegen. Mit der Erwärmung geht auch die Versauerung der Meere einher. Denn zwischen Luft und Ozean findet ein permanenter Gasaustausch statt. Steigt der CO2-Gehalt in der Atmosphäre, erhöht sich auch die Konzentration des Gases in den Weltmeeren. Dadurch sinkt wiederum der pH-Wert und es kommt zur Versauerung. Davon sind in erster Linie die oberen Schichten der Ozeane betroffen.

Für die Forschung sind daher die Küstenzonen von besonderem Interesse.  Die klimatischen Veränderungen haben vielfältige Folgen: Nicht nur heftige Niederschläge oder außergewöhnliche Stürme, sondern auch Lebensräume und die Fauna sind vom Wandel betroffen: Tierarten sterben aus, wandern ab oder passen sich den Veränderungen an. Universitätsdozent Dr. Martin Zimmer vom Fachbereich Organismische Biologie der Universität Salzburg ist der Frage nachgegangen, wie Strandkrabben und Schnecken auf die Meereserwärmung und Versauerung reagieren und inwiefern Wechselwirkungen dieser Organismen davon betroffen sind.

Krabbe frisst Schnecke

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Foto: Universität Salzburg

Die Ökologen untersuchten die Tierwelt in der Nord- und Ostsee. Die ausgewogene Zusammensetzung von Strandkrabben, Schnecken und Algen ist Voraussetzung für die Erhaltung des ökologischen Gleichgewichts: Schnecken bilden die Nahrungsgrundlage für Strandkrabben und ernähren sich von Algen. Algen sind wiederum bedeutsam für die Sauerstoffversorgung der Meere und bieten Jungfischen den für sie notwendigen Lebensraum. Alle diese Organismen ergänzen sich in ihrer ökologischen Funktion, ein Ungleichgewicht kann erheblichen Schaden anrichten. „Wir haben im Labor gemessen, wie die Tiere auf Erwärmung und Versauerung reagieren und haben geschaut, ob es darüber hinaus zu Veränderungen im Verhältnis zwischen Räuber und Beutetier gekommen ist“, sagt Zimmer. Die Wissenschaftler stellten folgende Veränderungen fest: Einerseits war die Muskulatur der Scheren bei der Strandkrabbe schwächer geworden. Das hätte zur Folge haben können, dass die Krabben Schneckenhäuser nur schwerer oder gar nicht mehr knacken. Daraufhin hätten sich möglicherweise die Schnecken derart vermehrt, dass sie den Algenbestand vernichtet hätten. Die Untersuchungen der Schnecken ergaben jedoch, dass die niedrigen pH-Werte den Kalkbildungsprozess ihrer Gehäuse beeinträchtigen, d.h. die Schneckengehäuse wurden poröser und waren leichter zu knacken. Die Versauerung ist für Tiere, die eine Kalkschale bilden, ein Problem. Muscheln, Schnecken und mikroskopisch kleine Algen müssen Kalk aus dem Meerwasser aufnehmen. Dieser Vorgang ist wiederum vom pH-Wert abhängig, wird also vom Säuregrad beeinflusst. Je saurer das Wasser, desto schwieriger ist es für die Organismen ihre Kalkschale aufzubauen. Im Ergebnis reagierten beide Tiere, Krabbe und Schnecke, auf die klimatischen Veränderungen sehr stark, erstaunlicherweise kam es aber zu keinerlei Veränderungen des Gleichgewichts zwischen Räuber und Beutetier. „Es hätte auch ganz anders kommen können“, betont Zimmer.

Die wesentliche Schlussfolgerung, die Zimmer aus der Studie zieht ist, dass Untersuchungen von Organismen nie isoliert durchgeführt werden sollten, sondern immer im Kontext mit anderen Lebewesen. Denn während Einzelorganismen sehr stark auf den Klimawandel reagieren, wirkt sich die Reaktion in Lebensgemeinschaften möglicherweise bei weitem nicht so stark aus. „Klimawandel führt vielfach zu einer Verschiebung der Verbreitungsgebiete von Arten“, so Zimmer. So seien beispielsweise eine Reihe von Pflanzen nach Mitteleuropa eingewandert, die einheimische Pflanzen vertrieben haben. Auch der amerikanische Flusskrebs hat den einheimischen so gut wie verdrängt. Im Zuge von weiteren Untersuchungen wird sich weisen, inwieweit sich die marine Fauna auf Dauer den klimatischen Veränderungen anpassen kann.

Abb1-Krebs[21295][1]