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Gut gekaut ist halb verdaut ist

Salzburger Forscher klären Struktur und Mechanismus des Kollagenumbaus auf Kollagen macht etwa 1/3 aller Proteine im Menschen aus, und es muss ständig remodelliert werden. Die zugrundeliegenden molekularen Mechanismen waren bisher kaum verstanden. Nach jahrzehntelangen internationalen Bemühungen gelang nun Salzburger Strukturbiologen der lang ersehnte Durchbruch. Die Originalarbeit erscheint in der Wissenschaftszeitschrift Nature Structural & Molecular Biology.

Foto: Universitätsprofessor Hans Brandstetter (in der Mitte) mit den Doktoranden  Ulrich Eckhard und Esther Schönauer | © Kolarik

Foto: Univ.-Prof. Dr. Hans Brandstetter | © Kolarik

Kollagen ist das bei weitem häufigste Protein des Menschen. Von daher erklärt sich das große Interesse an diesem Gewebeprotein, dessen Bedeutung auch in der Kosmetikindustrie geschätzt wird. Beim natürlichen Gewebeumbau und Wundheilung muss Kollagen ständig erneuert und re-modelliert werden. Es kann daher nicht verwundern, dass sich bei der Vielzahl molekularer Umbauarbeiten diverse Fehler einschleichen, die Vernarbungen aber auch Fibrosen verschiedener Organe nach sich ziehen können. 

Im starken Gegensatz zur Allgegenwärtigkeit des Kollagenumbaus waren die zugrunde liegenden molekularen Prozesse bisher weitgehend unverstanden. Letztere können nur von wenigen, hochspezialisierten Enzymen, den Kollagenasen, bewerkstelligt werden. Die Komplexität wird verständlich, wenn man sich die hierarchische Architektur des Kollagens vor Augen führt. Schließlich dient Kollagen auch als erste Barriere und Schutz gegen Infektionen. Clostridiale und andere hochinfektiöse Bakterien haben dagegen eine besonders effiziente Kollagenase entwickelt, die die Wirtskolonisation und -infiltration ermöglicht. 

Den Salzburger Doktoranden Ulrich Eckhard und Esther Schönauer im Strukturbiologielabor von Hans Brandstetter gelang nun mit viel Hartnäckigkeit und Geschick der Erfolg, der anderen internationalen Labors trotz jahrzehntelanger Bemühungen verwehrt blieb: Die kristallographische Strukturbestimmung sowie die enzymatisch-mechanistische Entschlüsselung des Kollagenabbaus.

Die Arbeiten zeigen, dass Kollagenasen eine altbewährte Regel beherzigen: „Gut gekaut ist halb verdaut“. Die zangenartige Bauweise der Kollagenase ermöglicht eine alternierende mechanische Kompression und Dehnung des Kollagens, so dass einzelne Kollagenfadenmoleküle zunächst aus dem Verband gelöst werden („Kauen“); in einer anschließenden biochemischen Spaltreaktion werden die isolierten Kollagenfäden durchtrennt („Verdauen“). Die Arbeiten erklären eine Vielzahl weiterer Besonderheiten des Kollagenabbaus, die von fundamentaler Bedeutung sind, so etwa die Prozessivität der Kollagenase, also der Fähigkeit durch koordinierte Bewegungen ein einmal eingefangenes Kollagen vollständig umzusetzen. Die Arbeiten eröffnen eine Vielzahl biotechnologischer und pharmazeutischer Anwendungen.

Originalarbeit: Eckhard et al. Nature Str. & Mol. Biol.

Kontakt:

Prof. Hans Brandstetter

Universität Salzburg

Tel. 0662 8044 7270

www.uni-salzburg.at/xray