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Giftige Geister – Chemiewaffen des Körpers

Die sogenannten „Gasotransmitter“ Stickstoffmonoxid (NO), Kohlenmonoxid (CO) und Schwefelwasserstoff (H2S) zählen zu den giftigsten bekannten Substanzen. Erstaunlicherweise werden sie in unseren Körperzellen enzymatisch hergestellt und kontrollieren in geringen Konzentrationen wichtige Stoffwechselprozesse. Wissenschaftler der Universität Salzburg erforschen Details über deren Funktionen und Wirkungsmechanismen auf „Ionenkanäle“, die unter anderem eine zentrale Rolle bei der elektrischen Kommunikation von Nerven- und Muskelzellen spielen.

Foto: Universitätsprofessor Anton Hermann leitet die Abteilung für Zelluläre und Molekulare Neurobiologie an der Universität Salzburg. | © Kolarik

In niedrigen Konzentrationen kontrollieren NO, CO und H2S den Blutdruck, lösen die Freisetzung anderer Botenstoffe und Hormone aus, sind an Lern- und Gedächtnisvorgängen beteiligt und schützen Zellen vor oxidativem Stress, der das Altern von Zellen verursacht. Die in Wasser und Fett löslichen Gase diffundieren nahezu geisterhaft durch biologische Membranen und erreichen so zahlreiche umliegende Zellen, auf die sie einwirken können. „Das Besondere der Gasotransmitter ist ihre simultane Wirkung auf eine Vielzahl von Zellen – im Gegensatz zu klassischen Neurotransmittern, die nur punktuell über bestimmte Kontaktstellen, die Synapsen, agieren. Die Auswirkungen auf die Nervenfunktionen und Informationsverarbeitung im menschlichen Gehirn sind allerdings noch weitgehend unerforscht. In hoher Konzentration sind diese Gase äußerst giftig. Daher setzen sie viele Lebewesen als chemische Waffen ein, um schädliche  Mikroorganismen abzuwehren. Andererseits können sie aber auch gesunde Zellen schädigen und dadurch zu Schlaganfällen, Migräne oder Epilepsie beitragen“, so Anton Hermann, Leiter des Abteilung für Zelluläre und Molekulare Neurobiologie im Fachbereich Zellbiologie der Universität Salzburg. Forschungsergebnisse wurden von Professor Hermann und weiteren Mitarbeitern im Fachmagazin „Gehirn & Geist“ (5 28 2011) sowie in „Biologie in unserer Zeit“ (3 185 2011) veröffentlicht.

Stickstoffmonoxid (NO): Mysteriöse körpereigene Substanz

Das äußerst aggressive NO-Molekül, ein sogenanntes Radikal, ist hochreaktiv und kurzlebig. Das stechend riechende Reizgas kommt in der Erdatmosphäre, aber auch in Auto- und Industrieabgasen sowie im Zigarettenrauch vor. „Umso erstaunlicher ist, dass zahlreiche Organismen – von Bakterien bis hin zum Menschen – das Gas selbst produzieren und als Signalmolekül verwenden. Trotz einer Lebensdauer von oft nur wenigen Sekunden stößt es zu zahlreichen Wirkorten vor“, so Hermann. Winzige Konzentrationen reichen aus, um die Erregbarkeit von Millionen von Nervenzellen zu beeinflussen. Produziert der Körper zu viel NO, können Stoffwechselerkrankungen, sowie Alzheimer oder Parkinson die Folge sein.

Kohlenmonoxid (CO): Tödliches Gas

Es entsteht bei unvollständiger Verbrennung von Holz oder Kohle und wird in Automotoren erzeugt. Das farb- und geruchlose sowie brennbare Gas kann zudem zu Explosionen führen. Seine biologische Wirkung besteht unter anderem in der Erweiterung der Blutgefäße und im Abbau von Entzündungen. „Es steuert auch die Geruchswahrnehmung und moduliert den Tag-/Nacht-Rhythmus. CO verstärkt Lernen und Gedächtnis im Hippocampus, einer wichtigen ´Schaltzentrale´ im Gehirn. In der Atemluft wirkt das extrem giftige Gas jedoch binnen weniger Minuten bereits bei einem Prozent tödlich. Es blockiert den Sauerstofftransport im Blut, die zelluläre Atmung kommt zum Erliegen“, erklärt Hermann.

Schwefelwasserstoff (H2S): Killersubstanz mit wichtiger Aufgabe

kommt in vulkanischen Gasen vor, ist in Erdöl sowie in manchen Quellwässern gelöst (erkennbar am Geruch nach faulen Eiern). Es entsteht bei Fäulnisvorgängen wie beim biologischen Abbau von Biomasse und kann in Kläranlagen oder Mülldeponien auftreten. Das menschliche Geruchssystem nimmt d H2S in extrem niedrigen Dosen, bereits bei einer 100.000fachen Verdünnung, wahr. Bei gering höherer Konzentration (ab zirka einem tausendstel Promille) führt es zu Krämpfen und Bewusstlosigkeit. H2S blockiert wichtige Enzyme der zellulären Atmung, sodass wenige Atemzüge zum Tod führen. Hermann über die biologischen Wirkungen von H2S: „Dieses Gas ist an der zentralen Regulation des Blutdrucks beteiligt und verhindert die Ausschüttung des Stresshormons Kortisol. Unsere Untersuchungen zeigten nun, dass H2S die Erregbarkeit der Zellen und die Ausschüttung von Wachstumshormonen verändern kann.“

Kontakt

Universität Salzburg

Hellbrunnerstraße 34, 5020 Salzburg

o. Univ.-Prof. Dr. Anton Hermann

Fachbereich Zellbiologie

Abteilung für Zelluläre und Molekulare Neurobiologie

Tel. 43 662 8044-5610

Web: www.uni-salzburg.at/bio

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