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135 Jahre „National Geographic“: Immer weniger Text, immer mehr Bilder

Bei einer der bekanntesten populärwissenschaftlichen Monatszeitschriften, dem 1888 gegründeten Magazin „National Geographic“, werden die Feature-Artikel mit der Zeit immer kürzer, die Texte konziser und die Bilder nicht nur größer, sondern auch immer bedeutsamer. Das ist ein Ergebnis der Dissertation der Anglistin Jana Pflaeging zur Genre-Entwicklung im Wissenschaftsjournalismus. Jana Pflaeging wurde vor kurzem für die Arbeit mit dem ersten Preis des Young Investigators Award ausgezeichnet.

Unverkennbar als Markenzeichen ist seit der populärwissenschaftlichen Neuausrichtung des „National Geographic“ um 1900 der ikonische gelbe Rahmen am Cover des Magazins, das insbesondere für seine reich illustrierten Reportagen aus aller Welt bekannt ist. Das umfangreichste und traditionsreichste journalistische Genre im Magazin ist der Feature-Artikel, eine Mischung aus Reportage und Dokumentation. Auch wenn vieles beim „National Geographic“ gleichgeblieben ist, die journalistische Darstellungsform der Feature-Artikel hat sich im Laufe der Jahre merklich verändert, stellt die Anglistin Jana Pflaeging in ihrer Dissertation fest. „Es war eines der zentralen Ziele meiner Arbeit, zu beschreiben, wie Redakteure, damals wie heute, Sprache und auch Typografie, Fotografien und Layout bewusst einsetzen, um ihren Wissenschaftsjournalismus für ein immer größeres, heterogeneres Publikum attraktiv zu halten.“

Um die Entwicklung des Feature-Artikels zu analysieren, hat Jana Pflaeging 45 zufällig ausgewählte Feature-Artikel aus den Jahren 1915, 1965 und 2015 untersucht. Der Datensatz umfasste knapp 1.300 Seiten, 280.000 Wörter und 1.200 Grafiken. Sie wurden mit Ansätzen der sogenannten multimodalen Diskurslinguistik untersucht. Das ist eine Forschungsrichtung, die sprachliche wie auch nichtsprachliche kommunikative Mittel der Typografie, des Bildes oder des Layouts in den Blick nimmt und vor allem auch in ihrer Korrespondenz betrachtet. „Es fällt auf, dass das National Geographic sich nie auf Fließtext beschränkt hat, selbst die frühesten Feature-Artikel enthalten Fotografien und Karten, die auf Doppelseiten arrangiert sind.“

Über die Jahre verschiebt sich jedoch der Fokus immer stärker vom Text zum Bild, stellt Jana Pflaeging fest. „Die Feature-Artikel werden mit der Zeit immer kürzer und variieren weniger in ihrem Umfang, was auf eine Standardisierung und Professionalisierung der journalistischen Praxis hindeuten kann. Das Repertoire an Layout-Elementen wird mit der Zeit immer breiter und der Raum, der Bildern eingeräumt wird, nimmt zu, wobei Bild-Bildunterschrifts-Kombinationen an immer prominenteren Positionen erscheinen und sogar ohne den Fließtext narrative Bezüge zueinander aufweisen.“ Diese Modularisierung und Visualisierung sollen dem blätternden Leser mehr Einstiegspunkte bieten, folgert die Wissenschaftlerin.

Als einen Entwicklungstrend beobachtet sie auch die authentische menschenzentrierte Fotografie, die ab den 1960er Jahren einen Aufstieg erlebt. „Bildunterschriften zeigen im Laufe der Zeit eine Verschiebung von der generischen Klassifizierung hin zur namentlichen Benennung abgebildeter Menschen und eine umfassendere Auseinandersetzung mit dem Gezeigten. Diese Entwicklung kann als Personalisierung des Wissenschaftsjournalismus gewertet werden“, sagt Pflaeging.

Die Autorin sieht ihre Arbeit als Beitrag zu Theorie, Methodik und empirischen Erkenntnissen in der multimodalen Diskurslinguistik und Wissenschaftskommunikationsforschung, der es weiterhin an fundierten Korpusstudien fehle. „Zudem bietet meine Studie einen reichen Überblick über die Geschichte des „National Geographic“ Feature-Artikels und die verschiedenen medialen, journalistischen und gesellschaftlichen Faktoren, die seine Entwicklung im 20. und 21. Jahrhundert beeinflusst haben.“

Hartmut Stöckl, Professor für Englische und Angewandte Sprachwissenschaft am Fachbereich Anglistik und Amerikanistik der PLUS, international renommiert in der Werbeforschung und Medienlinguistik, war Hauptbetreuer der Dissertation „Genre Development in Science Journalism: A Multimodal Discourse Analysis of the National Geographic Feature Article. 1915-1965-2015“. (Textsortenwandel im Wissenschaftsjournalismus: Eine multimodale Diskursanalyse des National Geographic Feature-Artikel. 1915-1965-2015)

„Die Dissertation betritt wertvolles methodisches Neuland und liefert viele praktische Anregungen zur korpus-basierten Untersuchung gedruckter multimodaler Texte allgemein. Der Zugang der Arbeit zu Theorie, Material und Methode ist außerordentlich breit gefächert und gründlich. Zudem zeichnet sich die Studie durch ihre akribische historiographische Perspektive aus“, so Stöckl.

Jana Pflaeging hat von 2005-2014 an der Universität Halle-Wittenberg und der Burg Giebichenstein Hochschule für Kunst und Design die Fächer Englisch und Kunst studiert. 2015-2017 war sie an der Universität Halle-Wittenberg und 2017 an der Universität Bremen als Forschungsassistentin tätig. Seit 2015 studiert und arbeitet sie an der Universität Salzburg. Die Dissertation zur Genre-Entwicklung im Wissenschaftsjournalismus verfasste sie im Rahmen eines bi-nationalen PhD Programms (Universität Salzburg, Universität Halle-Wittenberg). Seit 2022 ist Jana Pflaeging als Post-Doc an der PLUS beschäftigt.


Young Investigators Award

Mit dem Young Investigators Award prämiert die PLUS die besten Dissertationsprojekte an der Universität. Ziel des Preises ist die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses. Aus 48 Einreichungen kürten die Jurys Ende letzten Jahres die Sieger*innen 2022. Jana Pflaeging war Erstplatzierte in der Kategorie Geisteswissenschaften. Zudem gewann sie bei der „Night of Excellence“ auch den Publikumspreis.

Fotonachweis: Kolarik

Kontakt:
Dr. Jana Pflaeging
Paris Lodron Universität Salzburg (PLUS)
Fachbereich Anglistik und Amerikanistik
Erzabt Klotz Straße 1, 5020 Salzburg
Tel.: +43 662 8044 4440

Jana Pflaeging

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