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Wie Fehler im Schaltplan des Genoms zu Leukämie führen

Der Bioinformatiker Nikolaus Fortelny von der Paris Lodron Universität Salzburg (PLUS) hat in einem Team mit Forscher*innen der Universität von Cambridge (UK) und der Universität von Navarra (Spanien) wesentliche Bestandteile im Schaltplan des Genoms entschlüsselt. Die gewonnenen Erkenntnisse können bei der Therapie von Krebserkrankungen, insbesondere bei Leukämie, eine wichtige Rolle spielen. Die Ergebnisse wurden in der renommierten Fachzeitschrift Nature Genetics publiziert.

Mit nur circa 20 000 Genen ist das menschliche Genom nicht größer als das von Würmern – und viel kleiner als das Genom vieler Pflanzen. Der Schlüssel zur Komplexität des Menschen liegt also nicht in der Größe des Genoms, sondern viel eher in dessen Steuerung. Diese Steuerung übernimmt das sogenannte Epigenom, ein Schaltplan („epi“ Griechisch: „auf“ oder „über“) über dem Genom, der entscheidet welche Gene (Abschnitte des Genoms) aktiv und welche nicht aktiv sind. Diese Prozesse sind ganz natürlich und geschehen in gesunden menschlichen Zellen, wobei Teile des Genoms molekular so verändert werden, dass sie aktiviert oder inaktiviert werden.

Das Epigenom ist besonders für die Entwicklung von Zellen wichtig. Dabei entstehen aus Stammzellen spezialisierte Zellen, ein Vorgang der sowohl wissenschaftlich als auch medizinisch höchst interessant und vielfach untersucht ist. Das Epigenom unterscheidet sich dabei zwischen den verschiedenen Zellen, zum Beispiel zwischen roten und weißen Blutkörperchen. Diese verschiedenen Zellen vollbringen unterschiedlichste biologische Funktionen: Während rote Blutkörperchen Sauerstoff transportieren, sind weiße Blutkörperchen für das Immunsystem zuständig. „Das ist zunächst spannend, da diese Zellen ja eigentlich das gleiche Genom (DNA) besitzen und von der gleichen Stammzelle abstammen“, so Fortelny. Indem das Epigenom Teile des Genoms aktiviert oder deaktiviert, kontrolliert es die biologischen Funktionen verschiedener Zelltypen. Das Epigenom trägt auch wesentlich zur fehlerhaften Entwicklung und damit Krebserkrankungen bei und zwar wenn die Steuerung gestört wird.

Das Epigenom war in den letzten Jahrzehnten im Zentrum zahlreicher wissenschaftlicher Studien und es ist gut erforscht, welche Teile des Genoms in welchen Zellen aktiviert oder deaktiviert sind. „Die Schlüsselfrage ist jetzt, wie dieser Zustand hergestellt und aufrechterhalten wird“, so Fortelny, „also wie das Epigenom kontrolliert wird“. Die Regulatoren des Epigenoms heißen „Epigenetic Modifiers“. Dabei handelt es sich um eine Gruppe von 500-1000 Genen, welche das Epigenom und damit die Aktivität der gesamten circa 20 000 menschlichen Gene regulieren. Epigenetic Modifiers sind damit aufgrund ihrer wichtigen Rolle in der Kontrolle des Genoms äußerst interessant, sie sind aber auch in Krebserkrankungen oft gestört. Vor allem sind sie aber auch aufgrund ihrer Vielfalt schwer zu erforschen.

Dem internationalen Forscherteam um Dr. Fortelny ist es nun gelungen, systematische und computergestützte Verfahren zu entwickeln, um eine große Anzahl von Epigenetic Modifiers zu untersuchen. „Die Besonderheit unserer Studie ist, dass wir die Rolle einer großen Anzahl von Epigenetic Modifiers gleichzeitig untersuchen können“, so Fortelny. Die publizierte Analyse von knapp 700 Epigenetic Modifiers basierte dabei auf dem künstlichen Ausschalten (CRISPR Knockout) mehrerer Epigenetic Modifiers im gleichen Experiment, der Sequenzierung von tausenden einzelner Zellen, und der anschließenden Datenanalyse mit Methoden der Künstlichen Intelligenz und Statistik. „Damit gelang es uns systematisch die Rolle von Epigenetic Modifiers in der Entwicklung von roten und weißen Blutkörperchen zu entschlüsseln.“, so Fortelny. Während gewisse Epigenetic Modifiers die Entwicklung einer der beiden Zelltypen favorisiert, waren andere für die Spezialisierung in beiden Zelltypen wichtig. „Außerdem haben wir entdeckt, dass das Abschalten einzelner Epigenetic Modifiers zu Krebs-ähnlichen Zuständen führt“, so Fortelny, „während andere Epigenetic Modifiers wiederum Krebswachstum verhinderten und damit Ansätze für Therapien darstellen“.

Dr. Nikolaus Fortelny ist Assistenzprofessor am Fachbereich Biowissenschaften und Medizinische Biologie an der Paris Lodron Universität Salzburg, wo er die Forschungsgruppe “Computational Systems Biology” leitet. Der 37-jährige gebürtige Niederösterreicher widmet sich in seiner Arbeit der Analyse und Modellierung von komplexen, biologischen Prozessen mit Methoden der künstlichen Intelligenz und Statistik. Dr. Fortelny studierte Molekularbiologie in Wien und danach Bioinformatik in Genf. Seine Dissertation erhielt er in Vancouver, Kanada. Danach forschte Dr. Fortelny am Center for Molecular Medicine (CeMM) in Wien, unter anderem entwickelte er Algorithmen der künstlichen Intelligenz die Biologische Netzwerke nachbilden. Seit September 2020 forscht er mit seinem Team an der Universität Salzburg an Algorithmen zur Modellierung von biologischen Prozessen, insbesondere von Interaktionen zwischen Immun- und Krebszellen.


Die Studie ist in Nature Genetics erschienen:  https://www.nature.com/articles/s41588-023-01471-2

Kontakt:
Dr. Nikolaus Fortelny
Fachbereich Biowissenschaften und Medizinische Biologie

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