Familienbonus: Wird er manche Menschen zu Mehrarbeit motivieren?
Der Salzburger Ökonom Markus Tiefenbacher hat zusammen mit Wiener Ökonomen ein Modell zu den Auswirkungen des Familienbonus erstellt. Die Autoren berücksichtigen in der Folgenabschätzung erstmals auch, wie Menschen ihr Arbeitsangebot aufgrund des Familienbonus ändern.
Demnach werden Frauen, die Kinder haben, in Beziehungen leben und über ein mittleres Einkommen verfügen, mehr arbeiten. Insgesamt seien die Effekte des Familienbonus auf das Arbeitsangebot aber gering. Für seine Untersuchung wurde der 32Jährige Wissenschaftler mit dem „Young Investigator Award“ der Universität Salzburg ausgezeichnet.
Mit Jänner 2019 tritt der Familienbonus in Kraft, eine steuerliche Entlastung für Eltern, die bis zu 1.500 Euro pro Kind und Jahr beträgt. Das hochpolitische und emotional aufgeladene Thema wurde heftig diskutiert. Dabei ging es – neben den Kosten – vor allem um die Verteilungseffekte, also die Frage, wer profitiert und wer nicht. Markus Tiefenbacher bringt nun in seinem Modell, das er gemeinsam mit den Wiener Ökonomen Paul Eckerstorfer und Friedrich Sindermann, einen weiteren wichtigen Aspekt in die Folgenabschätzung ein, nämlich die Tatsache, dass Menschen auf Steuern reagieren und dementsprechend zum Beispiel ihr Arbeitsangebot ändern.
„Wir alle richten unser Arbeitsangebot nach unseren Präferenzen aus. Wenn ich zum Beispiel zwei kleine Kinder habe, ist meine Bereitschaft zu arbeiten wahrscheinlich anders als wenn ich keine Kinder habe. Dabei spielt eine wichtige Rolle, ob sich die Arbeit finanziell lohnt. Wenn eine Stunde zusätzliche Arbeit das Einkommen nur marginal erhöht, arbeiten Menschen meist weniger. Zahlt sich umgekehrt mehr arbeiten aber aus und bleibt mehr netto vom brutto, – wie das beim Familienbonus ganz exemplarisch der Fall ist – dann arbeiten Menschen meistens auch mehr,“ erklärt Tiefenbacher.
Menschen reagieren eben auf Steuern. Ökonomen sprechen in dem Zusammenhang von Verhaltensanpassungen, deren Ausmaß anhand von Elastizitäten gemessen werden. „Wir haben ein Modell erstellt, das diese Arbeitsangebots-Effekte darstellen kann und haben es in das Modell zu den statischen Einkommens-Verteilungseffekten integriert. Das klingt simpel, ist technisch aber höchst diffizil .“
Und was sind die Kernergebnisse des Modells zu den Arbeitsangebots-Effekten durch den Familienbonus? „Vor allem Frauen, die Kinder haben, über ein mittleres Einkommenverfügen und in Beziehungen leben, erhöhen ihr Arbeitsangebot. Männer hingegen reagieren nicht. Der Grund: Männer arbeiten meistens ohnehin schon Vollzeit und können daher ihr Arbeitsangebot schlecht steigern. Insgesamt sehen wir eher geringe Effekte.“
Auch wenn sich en gros bei den Arbeitsangebots-Effekten wenig ändere, Detailergebnisse könnten durchaus interessant sein, sagt Tiefenbacher. „Das müssen wir uns noch näher anschauen. Wir möchten zum Beispiel wissen, wie reagiert eine alleinerziehende teilzeitbeschäftigte Verkäuferin? Oder eine Akademikerin mit Kind, die in einer Beziehung lebt? Für manche Subgruppen könnte sich Erhebliches ändern.“
Bei dem Model handelt es sich um ein empirisches Modell. Es beruht auf repräsentativen Daten von über 13.0000 Österreichern und Österreicherinnen, erhoben im Jahr 2016 von Eurostat bzw. der Statistik Austria.
Bei der Berechnung der durch den Familienbonus induzierten Verteilungseffekte kommt Tiefenbacher in seiner Mikrosimulation – unter Berücksichtigung der Arbeitsangebotseffekte – zu ähnlichen Schlüssen wie die statischen Modellrechnungen, die vom WIFO sowie der Gesellschaft für Angewandte Wirtschaftsforschung und dem Europäischen Zentrum durchgeführt wurden. „Niemand bekommt weniger. Am meisten profitiert die Mitte. Dort spielt die Musik. Sehr Arme und sehr Reiche profitieren kaum.“
Sehr Arme profitieren wenig, weil sie keine Steuern zahlen. Erklärtes Ziel des Familienbonus ist es ja, steuerzahlende Familien zu entlasten. Nicht steuerzahlende AlleinerzieherInnen oder AlleinverdienerInnen erhalten eine Pauschalunterstützung in Form des Kindermehrbetrags von rund 250 Euro. Sehr Reiche wiederum profitieren relativ wenig, weil einerseits der relative Effekt geringer ist, und andererseits weil sich Reichtum oft erst im fortgeschrittenen Alter einstellt, wenn die Kinder schon erwachsen sind und der Familienbonus nicht mehr greift (er kann nur bis zum 18.Lebensjahr des Kindes voll ausgeschöpft werden).
Weiters wird mit der Einführung des Familienbonus der derzeitige Kinderfreibetrag sowie die Absetzbarkeit der Kinderbetreuungskosten abgeschafft. „Man kann sagen, dass der Familienbonus die Umverteilung von oben nach unten, die derzeit gegeben ist, nur in geringem Ausmaß beeinflusst,“ resümiert Tiefenbacher und ergänzt: „Auch wenn der Familienbonus inzwischen beschlossen ist, so kann unsere Arbeit doch mehr Evidenz in die Diskussion bringen und Empfehlungen für eine möglichst faire Ausgestaltung des familienpolitischen Instrumentariums liefern.“
Markus Tiefenbacher, geboren 1986 in Rum/Tirol, hat in Innsbruck studiert und 2010 drei Studienrichtungen mit dem Magister- bzw. Bachelortitel abgeschlossen. Tiefenbacher ist Betriebswirt, Volkswirt und Politologe. Von 2009 bis 2012 hat er in der Marktforschung in Innsbruck gearbeitet. Dann ging er nach Berlin, wo er bis 2014 für das Österreichische Finanzministerium tätig war. Seit Ende 2014 hat er an der Universität Salzburg eine Dissertationsstelle (bei Univ.-Prof. Dr. Hannes Winner, Fachbereich Sozial- und Wirtschaftswissenschaften).
Titel der Studie:
„Labor supply responses and second-order distributional effects of the Austrian family tax credit“ (Fiskalische und Verteilungseffekte des Familienbonus unter Berücksichtigung von Verhaltensanpassungen)
Kontakt:
Markus Tiefenbachen | Foto: © privat