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Nach der Flucht ist vor der Integration.

Salzburger Studentin mit turbulentem Migrationshintergrund. Die 26jährige Biologie-Studentin Lili Sterzer ist als Kind mit ihrer Familie von der sowjetischen Nachfolgerepublik Kirgisistan nach Deutschland umgesiedelt. Mittels Adaption und Integration ist ihr ein sozialer Aufstieg vom gemiedenen Russenmädchen zu einer angesehenen Akademikerin gelungen.

Dabei hat sie ein feines Sensorium für die Schwächeren in der Gesellschaft entwickelt. Vor einer unlängst beendeten Lehrtätigkeit an einer Schule in Ecuador hat sie in Salzburg Deutschkurse für Asylwerber gegeben und will das jetzt nach ihrer Rückkehr aus Südamerika wieder tun.

Als angebliche Partisanin in der deutschen Kolonie in der Krajina gefangengenommen, als Krankenschwester verpflichtet zum Dienst in der russischen Armee, Flucht nach Kasachstan, Übersiedlung nach Sibirien, dann nach Kirgisistan. Das sind die Stationen von Lili  Sterzers Urgroßmutter, einer Frau mit deutschen Wurzeln.  1988 kommt Lili in Kirgisistan zur Welt und wächst russischsprachig auf. In Kirgisistan sind die Russen nicht gern gesehen. Lili muss auch Kirgisisch lernen, eine arabische Sprache. Die Mutter ist Ärztin und kreidet Missstände im korrupten Gesundheitssystem an. Das bringt ihr massive Drohungen von der Mafia ein. Daraufhin entscheidet die Familie zu ihren Verwandten nach Deutschland zu ziehen. 

Die erste Zeit in der neuen Heimat nahe Frankfurt wohnt die damals siebenjährige Lili höchst bescheiden mit einem halben Dutzend Menschen in einem Zimmer. Dann geht es weiter in den Süden Bayerns, in eine Siedlung  vorwiegend für Zugewanderte. In der Volksschule fühlt sich das Mädchen von der Klassengemeinschaft ausgeschlossen. „Das war eine sehr harte Zeit. Die Lehrer haben sich um Integration bemüht, aber das hat nichts genützt. Ich war für die anderen Buben und Mädchen nur das unwillkommene Russenkind.  Sie haben zum Beispiel meinen Fahrradsitz angespuckt. Eine einzige einheimische Mitschülerin hat zu mir gehalten. Diese Freundschaft besteht noch heute.“

Adaption und Integration war notwendig und wichtig. Das hat Lili Sterzer damals schnell verstanden. Um eine Integration in der derzeitigen Lage mit den Flüchtlingen zu erleichtern, hilft Lili ihnen dabei, wenn möglich, mit Deutschkursen  und indem sie sie bei der Wohnungs- oder Arztsuche unterstützt. Der Wunsch dazuzugehören muss ja nicht so weit gehen, dass man seine Vergangenheit verleugnet, wie sie es in ihrer Gymnasialzeit getan hat, sagt die junge Frau. Nur allerengste Freunde wussten damals von ihrer russischen Kindheit. Mit perfekten Deutschkenntnissen baute sie eine neue Identität auf.

Und wie erlebt Lili Sterzer momentan die Flüchtlingskrise, bei der die Schere zwischen totaler Hilfsbereitschaft und totaler Ablehnung in der Gesellschaft immer weiter aufgeht? „ Ich kann nicht verstehen, warum bei manchen ein so großer Fremdenhass da ist. Das ist entsetzlich. Was ich aber schon verstehe, ist die Angst von Leuten vor dem Unbekannten. Es kommen ja Menschen aus einer ganz anderen Kultur zu uns. Wie wird es mit der Integration klappen, fragen sich da viele. Man darf in der Flüchtlingsfrage nicht schwarz-weiß malen und nicht alle Flüchtlinge in einen Topf werfen.“

Lili Sterzer will jedenfalls bald als Lehrerin in der Schule dazu beitragen. Sie hat ihr Lehramtsstudium in Biologie, Philosophie und Psychologie im Jahr 2014 an der Uni Salzburg abgeschlossen. Zum regulären Unterrichten fehlt ihr nur noch das Praktikumsjahr.  Das wird sie jetzt machen. Erst vor ein paar Wochen ist die 26 Jährige aus Südamerika zurückgekehrt. In Ecuador hat sie ein halbes Jahr lang eine deutsche Schulklasse geleitet. Die Korruption in dem Land hat bei ihr Erinnerungen an Erzählungen ihrer Mutter und Großmutter über ihre ursprüngliche Heimat Kirgisistan geweckt. Fuß fassen will Lili Sterzer als nächstes in Österreich.

Foto: Liliy Sterzer | © PLUS

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