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Patenschaftsprojekt für Flüchtlinge unter wissenschaftlicher Lupe

Wie erleben minderjährige unbegleitete Flüchtlinge den Kontakt zu Paten/Patinnen? Warum engagieren sich Freiwillige in einem Patenschaftsprojekt für jugendliche Flüchtlinge? Was passiert im Laufe eines Mentoringprogramms zwischen den Beteiligten auf psychologischer und sozialer Ebene? Wie verändern sich Vorurteile durch Begegnungen?

Solche Fragen, die maßgeblich sind für eine gelingende Integration, stehen im Fokus eines Forschungsprojekts des Salzburger Erziehungswissenschaftlers Eberhard Raithelhuber. Nun gibt es erste Antworten.

Im Jahr 2015 erreichten fast 10.000 allein reisende jugendliche Flüchtlinge, sogenannte minderjährige unbegleitete Flüchtlinge (UMF), Österreich, in der  Hoffnung auf eine Perspektive für die Zukunft. Der Zustrom hält an. Von Jänner bis April 2016 haben laut offizieller Statistik 2.366 UMF Asyl in Österreich beantragt. Solange die Jugendlichen keinen positiven Asylbescheid haben, werden sie fast durchgängig im Rahmen der Grundversorgung in Wohngruppen und Heimen betreut.

Etwa 450 minderjährige unbegleitete Flüchtlinge leben im Bundesland Salzburg. Um ihre Kontakte zu den Einheimischen zu verbessern, sie im Alltag psychosozial zu unterstützen und die Integrationschancen zu erhöhen hat die Kinder- und Jugendanwaltschaft Salzburg im Sommer 2015 das Patenschaftsmodell  „open.heart – Familien und PatInnen für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge“ entwickelt, ein Pilotprojekt.

Speziell geschulte ehrenamtliche Paten und Patinnen verbringen mit den Flüchtlingen gemeinsam Zeit, ob beim Deutschlernen, Hausaufgabenmachen oder bei Freizeitaktivitäten. Seit März 2016 können jugendliche Flüchtlinge im Rahmen des Pilotprojekts auch in Gastfamilien aufwachsen. Fast 100 Paten wurden in Salzburg inzwischen ausgebildet. Rund 70 Flüchtlinge sind in dem Patenschaftsprojekt.

Welche Bedeutung  entwickeln solche Formen der Mentorenschaft und der familienähnlichen Verhältnisse für die verschiedenen Beteiligten? Was passiert in den sozialen Begegnungen? Um das herauszufinden und für künftige Projekte nutzbar machen zu können, wird „open.heart“ von der Universität Salzburg wissenschaftlich begleitet. Der Erziehungswissenschaftler Dr. Eberhard Raithelhuber und seine Projekt-Mitarbeiterinnen Kübra Çaglar, Amancay Jenny, Hila Kakar und Doris Reithmaier nehmen in der Untersuchung sowohl die Perspektive der Flüchtlinge als auch die der Paten in den Blick.

„In der Fachdebatte wird den Patenschaften für jugendliche Flüchtlinge sowie der Unterbringung in Familien eine hohe positive Wirksamkeit zugesprochen. Es liegen aber weltweit kaum umfassende grundlegende Erkenntnisse dazu vor“, stellt Raithelhuber fest und ergänzt „Es gibt bisher keine Forschung, die sich auf die Paten richtet. Alle Untersuchungen konzentrieren sich auf die Flüchtlinge. In der Breite des Ansatzes ist unser Projekt einzigartig“.

Die Daten aus der Befragung der Flüchtlinge sind bereits gesichtet. Erkennbar ist schon jetzt: Die Patenschaft wird von den meisten als stark unterstützend erlebt. „Die Ergebnisse machen deutlich, dass die Jugendlichen auf der einen Seite die Beziehung zu den Personen als zentral ansehen, um mit der österreichischen Gesellschaft in Kontakt zu kommen. Auf der anderen Seite verweisen sie aber letztlich auch darauf, dass ihre Teilhabe-Ansprüche im bestehenden System nicht ausreichend eingelöst werden“, moniert Raithelhuber.

Von den Paten-Daten ist erst der Teil ausgewertet, der sich auf die Motivation für die Teilnahme am Projekt bezieht. Da zeigt sich vor allem ein starker biographischer Rückbezug („Ich habe früher auch mit Jugendlichen gearbeitet“, „Ich will der Gesellschaft für das was ich bekommen habe etwas zurückgeben“, „Ich will etwas Sinnvolles in meinem Leben machen“). Was die konkreten Erfahrungen der Paten mit den Flüchtlingen betrifft werde es bis zur vollständigen Auswertung der Daten aufgrund akuter finanzieller und personeller Ressourcenknappheit noch mindestens bis zum Herbst dauern, sagt Raithelhuber.

Positiv vermerkt Raithelhuber, dass in letzter Zeit das Interesse an Good Practice-Modellen für die Versorgung von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen deutlich gewachsen ist. Inzwischen gäbe es in allen Bundesländern Initiativen, die Ideen aus dem Salzburger Pilotprojekt aufgreifen. „Plötzlich gibt es Interesse, fachliche Standards für Patenschaften und Gastfamilien festzulegen. Plötzlich gibt es Interesse am Austausch. Ich denke, dass viele Akteure merken, dass es gefährlich oder zumindest höchst bedenklich ist, wenn sie die Gesamtsituation für die jugendlichen Flüchtlinge so weiterlaufen lassen wie bisher. Da kommt unsere Forschung gerade recht“.

Foto v.l.n.r.: Amancay Jenny, Doris Reithmayer, Eberhard Raithelhuber, Kübra Çaglar, Hila Kakar | © Kolarik

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