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Snowden und die medialen Meinungsmacher. „Fifty Shades of Opinion“

Unter dem Titel „Fifty Shades of Opinion“ hat die Salzburger Anglistin Melanie Kerschner mittels eines eigens dafür entwickelten Modells aufgezeigt, wie unterschiedlich der NSA Skandal in Leitartikeln von britischen, deutschen und italienischen Qualitätszeitungen bewertet wurde. Knapp 50 Leitartikel – daher der Titel – bildeten das Corpus der Untersuchung. Die Dissertation wurde mit dem Förderpreis der GAL/ Gesellschaft für Angewandte Linguistik ausgezeichnet und Ende 2017 im Praesens Verlag pub

Ist Edward Snowden ein Held oder ein Verräter? Fünf Jahre nach den Enthüllungen des ehemaligen CIA- und NSA-Mitarbeiters (im Juni 2013) liegt nun – auch in Buchform – eine linguistische und medienkulturelle Analyse darüber vor, wie britische, deutsche und italienische Qualitätszeitungen das Verhalten des Whistleblowers bzw. den NSA Skandal und die generelle Debatte über Massenüberwachung damals bewertet haben.

Die Jungwissenschaftlerin Melanie Kerschner (30) vom Fachbereich Anglistik und Amerikanistik der Universität Salzburg – sie hat auch ein Italienisch-Studium abgeschlossen – hat in ihrer Dissertation 45 Leitartikel aus sechs nationalen Qualitätszeitungen verglichen (dem britischen „The Guardian“ und „The Independent“, der deutschen „Frankfurter Rundschau“ und „Die Welt“ sowie dem italienischen „Corriere della Sera“ und „La Stampa“).

Die unterschiedlichen Haltungen der Autoren müssten sich auch in den unterschiedlichen Bewertungen der Nachrichtenakteure oder der Nachrichtenquellen sprachwissenschaftlich zeigen lassen, das war der Ausgangspunkt von Kerschners Dissertation.

„Ich habe in der Vorbereitung auf meine Arbeit festgestellt, dass es viele Analysen von Nachrichtentexten in Zeitungen gibt, aber kaum Untersuchungen von Leitartikeln, in denen es ja in erster Linie um Meinungsäußerungen geht und nicht um Fakten. Diese wissenschaftliche Lücke wollte ich am Beispiel des NSA Skandals verkleinern. Mich hat interessiert, wie man Meinungsäußerungen linguistisch objektiv messen kann, etwa mit Hilfe von Modalverben, Adjektiven und Adverbien, wie stilistisch unterschiedlich in verschiedenen Medienkulturen die Meinung ausgedrückt wird, direkt und indirekt, welche sprachlichen Mittel dafür verwendet werden etc.,“ so Kerschner.

Für die kulturkontrastive Untersuchung hat Kerschner ein Modell entwickelt, das alle vier Diskursteilnehmerrollen berücksichtig, die für einen Leitartikel relevant sind, d.h. den Textproduzenten, die Nachrichtenakteure, die Nachrichtenquellen und den Rezipienten; und sie hat untersucht wie die Kommunikation zwischen den vier Teilnehmern funktioniert.  

Ein wichtiges Analysekriterium war für Kerschner, wie persönlich der Autor den Leser anspricht. Dieses Stilmittel dient dazu, die soziale Distanz zu verringern und den Eindruck eines Konsenses über das behandelte Thema zu erwirken.

Fazit: Deutsche Autoren zeigen eine starke Tendenz, sich mit dem Leser zu solidarisieren. Als bezeichnendes Beispiel dafür zitiert Kerschner einen Leitartikel in der „Frankfurter Rundschau“ vom 16.12.2013, in dem der Verfasser seine höchst persönlichen Erfahrungen von fehlender Privatheit in einem Internat schildert, um so den Leser von den verheerenden Folgen der Massenüberwachung zu überzeugen.

„Es ist mir aufgefallen, dass in deutschen Leitartikeln die Meinung viel deutlicher ausgedrückt wird als in britischen, da geschieht es eher indirekt, durch Formulierungen wie „unsere Freiheit muss beschützt werden“. Die britischen Autoren scheinen Distanz zum Leser zu halten. Ganz anders die Italiener. Sie sprechen den Leser sehr unmittelbar an, und das in Form gesprochener Sprache.“

Was ist nun der wichtigste Grund für die „Fifty Shades of Opinion“, die unterschiedlichen Nuancen in den Meinungsäußerungen? Worauf es primär ankommt sind die historisch unterschiedlichen Medienkulturen, so Kerschners Resümee. „Die englische, deutsche und italienische Medienkultur haben sich anders entwickelt. So ist etwa ein Spezifikum der italienischen Presse, dass sie stark mit dem Fernsehen verbunden ist. Diese Tele-Dependenz merkt man zum Beispiel daran, dass die gedruckte Sprache an die gesprochene Sprache angelehnt ist. Das war natürlich auch bei den Leitartikeln zu Snowden zu beobachten. Was die deutschen Qualitätszeitungen betrifft, so ist gut zu wissen, dass sie sich nach dem Zweiten Weltkrieg an den britischen Blättern und der britischen Medienkultur orientiert haben. Das erklärt, warum es eine gewisse stilistische Nähe zwischen den beiden gibt.“

Die gebürtige Linzerin Mag. Dr. Melanie Kerschner, Jahrgang 1987, hat ihre Dissertation „Fifty Shades of Opinion. Culturally Induced Style Differences in The Opinion Discourse of British, Italian and German Quality Papers“ an der Universität Salzburg am Fachbereich Anglistik und Amerikanistik (bei Professor Hartmut Stöckl) Mitte 2017 abgeschlossen. Im September 2017 wurde die Arbeit im Praesens-Verlag publiziert. https://www.amazon.de/Fifty-Shades-Opinion-Culturally-Differences/dp/3706909545/ref=sr_1_1?ie=UTF8&qid=1509096373&sr=8-1&keywords=fifty+shades+of+opinion. 

Melanie Kerschner hat an der Universität Salzburg Anglistik und Romanistik (Italienisch) studiert. Sie arbeitet seit 2012 als Lecturer an der Universität Salzburg. Seit 2017/18 unterrichtet sie auch an der JKU/Johannes Kepler Universität Linz und an der Pädagogischen Hochschule Oberösterreich. 

Kontakt:
Mag. Dr. Melanie Anna Kerschner | Paris Lodron Universität Salzburg | Fachbereich Anglistik und Amerikanistik
Erzabt-Klotz-Straße 1 | A-5020 Salzburg

https://sbg.academia.edu/MelanieAnnaKerschner | https://romanistik.de/pers/4626-Mag_Melanie_Kerschner  

Melanie Kerschner | © privat