Atlas zur Salzburger Alltagssprache (ASA)


Co-Projektleiter:innen: Dr. Konstantin Niehaus, Univ.-Ass.in Dr. Irmtraud Kaiser, Ass. Prof. Dr. Peter Mauser

Ansprechpartner: Dr. Konstantin Niehaus

Projektmitarbeiter: Dr. Julian Blaßnigg
Projektassistentin: Barbara Hauser

Projektförderung: Amt der Salzburger Landesregierung, Abteilung 2 Kultur, Bildung und Gesellschaft.
Projektlaufzeit: 21.12.2020 – 31.07.2023

Was Alltagssprache ist, scheint zunächst klar zu sein: die Sprache, die im alltäglichen Umgang miteinander benützt wird. Bei genauerer Betrachtung jedoch ergeben sich innerhalb des deutschsprachigen Europas deutliche nationale und regionale Unterschiede (vgl. auch Elspaß 2010): Während in Norddeutschland etwa die (niederdeutschen) Dialekte nahezu ausgestorben sind und sich die norddeutschen Sprecher:innen an der Standardsprache („Hochdeutsch“) orientieren, sind in der Schweiz die schweizerdeutschen Dialekte ‚Alltagssprache‘. In Süddeutschland und in Österreich haben sich zudem Zwischenformen (‚Regiolekte‘) gebildet, die – je nach Region – mehr in Richtung Dialekt oder mehr in Richtung Standardsprache tendieren.
Das Projekt will – orientiert am gesamtdeutschsprachigen ‚Atlas zur deutschen Alltagssprache‘ (AdA) – erstmals die Salzburger Alltagssprache in ihrer gesamten Vielfalt dokumentieren. Hier sind innovative Zugänge vonnöten, die mit breiter Datengrundlage arbeiten und mehr Salzburger:innen zu Wort kommen lassen als in bisherigen Arbeiten, dabei auch Sprecher:innen auch aus möglichst vielen Orten und Regionen des Bundeslands.
Zudem sollten auch soziale Faktoren zum ersten Mal umfassend berücksichtigt werden. Die quantitative Variationslinguistik und die vor einigen Jahren entstandene Disziplin der Geolinguistik stellen hier verlässliche statistische Methoden bereit, um die genannten weiteren Faktoren zu berücksichtigen (z.B. Pickl et al. 2019). Für die Sprachlandschaft Salzburgs sind diese Ansätze jedoch bislang weitgehend ungenutzt.
Das Projekt baut auf einer Online-Umfrage zu 76 Phänomenen aus Wortschatz, Aussprache und Grammatik auf, die in Kooperation mit den Salzburger Nachrichten in vier Runden durchgeführt wurde und bei der insgesamt tausende Salzburger:innen Auskunft über ihren Sprachgebrauch gegeben haben (zwischen 1.000 und 5.000 pro Runde).
Eine erste Hypothese lautet, dass es einen signifikanten Stadt-Land-Unterschied geben dürfte (vgl. bereits Trudgill 1974), insbesondere zwischen der Landeshauptstadt und den umliegenden Gebieten. Eine zweite Hypothese – basierend auf dem Vorgehen bei Scheutz (Online) – ist, dass ältere Sprecher:innen (v.a. >60) eher dialektale oder dialektnahe regiolektale Formen bevorzugen, jüngere Sprecher:innen (<30) hingegen fallweise zu Standardformen oder standardnahen regiolektalen Formen tendieren. Eine dritte Hypothese erwartet, dass sich der Sprachgebrauch in Salzburg im Vergleich mit den Daten des ‚Wortatlas deutscher Umgangssprachen‘ (WDU) und des AdA in einigen Variationsbereichen gewandelt hat in Richtung standardnaher Formen.
Vorrangiges Projektziel ist ein populärwissenschaftliches Büchlein nach dem Vorbild von Leemann et al. (2018) mit ca. 30 ausgewählten sprachlichen Phänomenen, deren Herkunft, Gebrauch und Wandel in allgemeinverständlicher Sprache erläutert werden.

Vorläufiges Beispiel: Bezeichnung für „10:15 Uhr“:

Im Bundesland Salzburg werden (neben weiteren, aber selteneren Varianten) v.a. viertel nach zehn und viertel über zehn verwendet, jeweils mit wechselnden Mehrheitsverhältnissen pro Region: Zu sehen ist beispielsweise, dass viertel nach zehn in der Stadt Salzburg und Umgebung besonders stark vertreten ist, während viertel über zehn im Lungau am häufigsten anzutreffen ist. Beide Formen sind sowohl in den Dia- und Regiolekten als auch im Standarddeutschen (‚Hochdeutschen‘) gebräuchlich (vgl. z.B. VWB 2016: 793), sodass die Karte durchaus mehr Vielfalt als nur jene im Dialekt aufzeigen kann.

Karte

Literatur:

AdA = Elspaß, Stephan / Möller, Robert (2003ff): Atlas zur deutschen Alltagssprache. Unter:  http://www.atlas-alltagssprache.de/

Elspaß, Stephan (2010): Alltagsdeutsch. In: Krumm, Hans-Jürgen / Christian Fandrych / Britta Hufeisen / Claudia Riemer (Hgg.): Deutsch als Fremd- und Zweitsprache. Ein internationales Handbuch. 2., neu bearb. Aufl. Bd. 1. Berlin, New York: de Gruyter. 418–424.

Leemann, Adrian / Stephan Elspaß / Robert Möller / Timo Grossenbacher (2018): Grüezi, Moin, Servus. Wie wir wo sprechen. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt.

Pickl, Simon / Simon Pröll / Stephan Elspaß / Robert Möller (2019): Räumliche Strukturen alltagssprachlicher Variation in Österreich anhand von Daten des „Atlas zur deutschen Alltagssprache (AdA)“. In: Bülow, Lars / Ann Kathrin Fischer / Kristina Herbert (Hgg.): Dimensionen des sprachlichen Raums: Variation – Mehrsprachigkeit – Konzeptionalisierung. Frankfurt am Main, Oxford u.a.: Peter Lang. 39–59.

Scheutz, Hannes (Online). Salzburger Sprachatlas. URL:  https://www.sprachatlas.at/salzburg/index.html.

Trudgill, Peter (1974): Linguistic Change and Diffusion: Description and Explanation in Sociolinguistic Dialect Geography. In: Language in Society 3 (02/1974), 215–246.

VWB = Lenz, Alexandra N., Ulrich Ammon & Hans Bickel. 2016. Variantenwörterbuch des Deutschen. Die Standardsprache in Österreich, der Schweiz, Deutschland, Liechtenstein, Luxemburg, Ostbelgien und Südtirol sowie Rumänien, Namibia und Mennonitensiedlungen. Berlin, Boston: de Gruyter.

WDU = Wortatlas der deutschen Umgangssprachen (1977–2000). Bearb. von Jürgen Eichhoff. Bd. I/II: Bern: Francke [1977/78]; Bd. III: München: Saur [1993]; Bd. IV: Bern: Saur [2000].