Hendrik Lehnert zum Entwicklungsplan der Universität Salzburg


Rektor Lehnert im Innenhof der Kapitelgasse

Rund um den Entwicklungsplan der Paris Lodron Universität Salzburg wurde in den vergangenen Wochen viel diskutiert. Verständlich, schließlich bildet dieser Plan das gedankliche Grundgerüst für die Weiterentwicklung der Universität bis 2027. Du fragst dich, inwiefern der Entwicklungsplan Studierende betrifft und ob und wie Studierende in den Prozess eingebunden wurden? Wir haben mit Rektor Hendrik Lehnert darüber gesprochen.

Im Rahmen der Vorbereitungen auf dieses Interview hat uns Keya Baier, Vorsitzende der Österreichischen Hochschüler*innenschaft zusammen mit ihrem Team unterstützt und Fragen für Rektor Hendrik Lehnert zum Entwicklungsplan bereitgestellt, die sich mit den Interessenspunkten von Studierenden befassen.

Inwiefern betrifft der Entwicklungsplan die Studierenden?

„Der Entwicklungsplan betrifft Studierende auf allen Ebenen, denn in diesem Plan geht es um die mittelfristigen Perspektiven der Universität, und zwar in den ganz wesentlichen Bereichen der Lehre, der Forschung und der Struktur. Darüber hinaus geht es auch um die konzeptuelle Ausrichtung der Universität, was die Auseinandersetzung mit gesellschaftlich relevanten Themen und Internationalisierung betrifft. Das bedeutet gleichzeitig, dass es für uns ein großes Anliegen ist, mit dem Entwicklungsplan nicht nur das eigentliche Studium und die Lerninhalte in ein gutes Format zu bringen, sondern sicherzustellen, dass darüber hinaus auch eine Persönlichkeitsbildung im weitesten Sinne des Wortes erfolgt. Insofern ist der Entwicklungsplan in seiner Gänze für Studierende wichtig, auf der einen Seite für die klaren Formate des Studiums, auf der anderen Seite für ganzheitliche Bildung.“

Grundsätzlich ist es wichtig zu verstehen, dass der Entwicklungsplan das gedankliche Grundgerüst für die Entwicklung der Universität darstellt. Die präzisen Maßnahmen, also wie diese Entwicklung konkret umgesetzt wird, erfolgen dann in der sogenannten Leistungsvereinbarung, die zwischen der Universität und dem Ministerium beschlossen wird.

Und was ist mit Verwaltungsstrukturen und Personalentwicklung? Wenn Lehrstellen wegfallen oder ein Fachbereich weniger Ressourcen hat, betrifft das in Ihren Augen Studierende? Wenn ja, wie?

„Das wird nicht der Fall sein. Es werden keine Lehrstellen wegfallen, denn wir haben darauf geachtet und tragen dafür Sorge, dass ausreichend Lehrpersonal vorhanden ist. Und auch durch eine Umstrukturierung wird keine Verschiebung von Ressourcen stattfinden. Es wird also in keinem Fall weniger Ressourcen geben, es wird nur eine sinnvolle Umverteilung geben“, erklärt Hendrik Lehnert.

Wie wurden die Studierenden in den Erstellungsprozess des Entwicklungsplans eingebunden?

„Es gab zahlreiche Gespräche mit Studierenden und der ÖH zum Entwicklungsplan. Wobei man hier wahrscheinlich selbstkritisch sein sollte und sagen muss, dass es wohl nie genug Gespräche geben kann. Aber die Studierenden wurden auf jeden Fall durch viele Treffen mit der ÖH mit ins Boot geholt und sie wurden durch Veranstaltungen mit den Studienrichtungsvertretungen, bei denen die Ziele des Entwicklungsplans vorgestellt wurden, eingebunden.
Die Studierenden haben den Entwicklungsplan bekommen und es finden auch weiter Gespräche statt. Wichtig ist auch zu sagen, dass Vorschläge von Seite der Studierenden mit Sicherheit berücksichtigt werden. Hierzu sind zudem weitere Veranstaltungen geplant, insbesondere zwei PLUS Talks, die mit den Studierenden gemeinsam durchgeführt werden.“

Es gab viel Kritik, dass mehr Einbindung hätte stattfinden müssen. Die ÖH spricht sogar von einem systematischen Ausschluss der Studierenden. Können Sie das nachvollziehen? Wie hätte eine noch bessere Einbindung aussehen können?

„Wie vorhin schon erwähnt hätte es sicherlich noch mehr Gespräche geben können und das wäre selbstverständlich auch gut gewesen. Festzuhalten ist, dass wir definitiv noch mehr mit den Studierenden sprechen werden. Allerdings muss man natürlich auch berücksichtigen, dass wir mit allen Universitätsangehörigen Gespräche führen und das beinahe rund um die Uhr. Und es mag sein, dass vielleicht ein oder zwei Veranstaltungen zusätzlich mit den Studierenden gut gewesen wären, aber der Entwicklungsplan ist schließlich ein dynamisches Instrument. Zurzeit liegt ein Entwurf vor, an dem innerhalb der nächsten 4 bis 6 Wochen noch einmal Dinge verändert werden können. Und die Wünsche und Anregungen der Studierenden wurden und werden auch weiterhin aufgenommen“, meint Hendrik Lehnert.

An anderen Hochschulen ist es normal, dass die einzelnen Teile von den zuständigen Instituten, Fakultäten usw. verfasst werden und vor allem auch die ÖH dabei eingebunden ist. Wieso wurde das in unserem Fall nicht gemacht?

„Das wurde alles gemacht, denn es erfolgte eine ganz enge Abstimmung mit allen Fachbereichen und Fakultäten. Wir haben sehr intensive Gespräche geführt und von Fakultäten und Fachbereichen Entwürfe und Konzepte erbeten, wie sie sich die Zukunft vorstellen. Darüber hinaus wurde auch mit den Verwaltungsabteilungen des Hauses gesprochen. Es sind also hier sehr viele Personen mit eingebunden worden.

Und die Punkte, die sich in den Gesprächen mit der ÖH ergeben haben, sind ebenfalls zum Großteil eingearbeitet worden. Der Entwurf ist der ÖH zugesandt worden – mitsamt der Möglichkeit, Änderungen zu formulieren; und hierzu finden auch Gespräche mit der ÖH statt, in denen wir zusichern, dass wir jeden einzelnen Punkt sehr ernst nehmen und reflektieren und überlegen, wie weit er berücksichtigt werden kann“, versichert Hendrik Lehnert.

Der EP spricht davon, dass kleine Studiengänge eine geschmälerte Attraktivität haben und deshalb überlegt werden muss, sie aufzulassen. Wieso wird nicht stattdessen in die Bewerbung dieser Angebote investiert? Sind nur große Studiengänge erhaltenswert?

„Wir stehen ganz sicher dazu, dass wir hier bei uns an der Universität eine gesunde Mischung aus größeren und kleineren Studiengängen haben. Das gehört schließlich zum Wesen der Universität, dass man auch sogenannte „Orchideenfächer“ fördert und unterstützt, das ist ganz klar. Man muss auf der anderen Seite aber auch beobachten, wie sich die Fächer entwickeln. Und wenn es schlecht aussieht, muss man sich überlegen: Ist eine zusätzliche Bewerbung noch sinnvoll oder braucht es diesen Studiengang vielleicht eher doch nicht? Da muss man wirklich genau abwägen und Vergleiche ziehen.

Fest steht, wir haben bisher noch keinen Studiengang geschlossen. Stattdessen haben wir versucht Studiengänge neu zu entwickeln, indem wir sogenannte Cross Over-Studiengänge ins Leben gerufen haben. Auf diese Art haben wir die Kompetenzen der kleineren Fächer mit eingebunden. Ein gutes Beispiel ist hier der Studiengang „Sprache, Wirtschaft und Kultur“, der sehr gut angenommen wird. Darum, glaube ich, geht es auch: Kompetenzen zu erhalten und sie in neue Studiengänge zu integrieren“, erklärt Hendrik Lehnert.

Wie planen Sie, mit der immer stärkeren Konkurrenz in unserem Hochschulraum gerade im digitalen Bereich umzugehen? Reicht eine Fakultät für Digitale und Analytische Wissenschaften, wie der EP sie vorschlägt, dafür aus?

„Also zunächst grundsätzlich: Ja, die Konkurrenz wird immer größer, das ist ganz klar. Und der müssen wir uns stellen. Aber, wenn andere für uns Konkurrenz sind, dann sind wir auch Konkurrenz für andere. Das ist ein durchaus gesundes System und sollte auch zur Leistungssteigerung beitragen, das ist in allen Hochschulräumen der Fall.
Und am konkreten Beispiel der geplanten digitalen Fakultät der PLUS versus neue digitale Universität in Linz: Die Strukturen sind das eine, entscheidende Faktoren sind allerdings die Inhalte und Konzepte. Und wir haben hervorragende Mitarbeiter*innen und großartige Professor*innen in diesen wie auch in anderen Bereichen. Wir sind daher der Meinung, dass wir sehr gut aufgestellt sind, wenn es darum geht, innerhalb einer neuen Fakultät neue Inhalte zum Thema digitale, analytische Wissenschaften zu entwickeln. Stichwort „künstliche Intelligenz“ und „Interaktion von Mensch und Computer“. Ich glaube, dass wir so spannende Inhalte haben und so gute Leute, dass wir absolut konkurrenzfähig sind.“

Im Entwicklungsplan geht es um alles, nur nicht um Studierende. Wieso gibt es kein eigenes Kapitel, das sich mit dem Studium (also mit Studienbedingungen, Hochschulzugang, sozialen Dimensionen usw.) befasst?

„Im Entwicklungsplan steht das alles dezidiert drinnen, das werden wir auch gerne mit den Studierenden und der ÖH besprechen. Im Kapitel „Lehre“ sind die für uns extrem wichtigen Themen der Motivation, der Studierbarkeit und der sozialen Dimension des Studierens enthalten. Zudem wird in diesem Kapitel klargemacht, wie wichtig uns diese Themen sind. Umsetzungsaspekte sind allerdings zum Großteil in der Leistungsvereinbarung festgehalten.

Der Entwicklungsplan sieht keine konkreten Pläne vor, um die Qualität der Lehre zu verbessern. Was würden Sie dafür tun?

„Die Lehre wird von uns in Zukunft noch mehr und noch besser evaluiert werden. Und auch die Lehrveranstaltungen werden noch systematischer und professioneller evaluiert werden. Das war ja bisher noch weitgehend Paper-Pencil-Methode. Im Rahmen der Digitalisierungsstrategie wird die Evaluierung künftig auf neue Beine gestellt. Damit wir die Daten schnell haben und die Lehre besser beurteilen können.

Sicher wird hierzu auch noch ganz intensiv der Dialog mit den Studierenden gesucht, um zu einer guten und sachgerechten Evaluation zu kommen und Maßnahmen daraus abzuleiten. Das betrifft auch die Rückmeldung an die Lehrenden, wie die Lehre gestaltet wird und was noch besser gemacht werden kann, gerade in Hinblick auf digitale Lehre. Also hier werden wir uns sicher noch mehr als bisher professionalisieren, Feedback einholen und über die Evaluation aller Veranstaltungen auch zu Verbesserungen kommen.“

Es hat in Bezug auf viele Vorhaben große Proteste gegeben, so etwa bei der Nicht-Nachbesetzung der Latinistik-Professur oder bei der Zusammenlegung von Fachbereichen. Wie wird damit umgegangen? Werden diese Schritte trotzdem gesetzt?

„In den Gesprächen mit den Fachbereichen haben wir uns dazu bekannt, dass wir eine professionelle, auch externe, Evaluation der betroffenen Fachbereiche durchführen, um auch unabhängige Meinungen zu haben. Zusätzlich haben wir Konzepte von den Fachbereichen eingeholt, um mit Gutachter*innen zu überlegen, wie diese umgesetzt werden können. Das bedeutet, dass Strukturen bis dahin im Wesentlichen so bleiben, wie sie sind. Und da, wo es Änderungen gab oder spätere Nachbesetzungen geplant sind, ist überall dafür Sorge getragen, dass ausreichend hervorragendes Lehrpersonal vorhanden ist. Niemand muss sich Sorgen machen, dass ein Fachbereich „einbricht“.
Bei guten Konzepten hat das Rektorat zudem immer die Möglichkeit auch noch zusätzliche Berufungen zu machen. Es gibt zum Beispiel die Möglichkeit sogenannter „Leuchtturm-Berufungen“, wenn wir sehen, dass tatsächlich der Bedarf da ist.“

Wie wird die Teilung der KGW, gegen die sich viele Personen ausgesprochen haben, begründet?

„Ich bin mit dem Begriff „Teilung“ nicht ganz glücklich, weil es hier aus meiner Sicht um die Bildung von zwei sehr guten, sehr starken Fakultäten geht. Und hier haben sich auch die Kolleg*innen der neuen Gesellschaftswissenschaftlichen Fakultät sehr klar und sehr eindeutig dafür ausgesprochen, eine eigene Fakultät zu sein. Ich verstehe, dass die Kolleg*innen in der neuen Kulturwissenschaftlichen Fakultät damit vielleicht zunächst nicht glücklich sind. In meinen Augen ist eine andere Lösung aber gar nicht möglich, wenn ein großer Teil für diese klare Profilierung ist. Zudem glaube ich, dass es auch eine riesengroße Chance für die Kulturwissenschaftliche Fakultät ist, ein eigenes stabiles und starkes Profil aufzubauen. Und wir von Seiten des Rektorates tun wirklich alles dafür, um das zu unterstützen.“

Herr Rektor, vielen Dank für das interessante Gespräch!

Lese-Tipp: Du möchtest mehr über den Rektor der PLUS erfahren? Wir haben im Sommer schon mal mit Hendrik Lehnert gesprochen – über seinen Lieblingsplatz in Salzburg, was sein Berufswunsch als Kind war und welche Lektüre aktuell auf seinem Nachttisch zu finden ist.

Photo-Credits: Luigi Caputo