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Andreas Dür erhält einen 2,5 Millionen „ERC Advanced Grant“ für Spitzenforschung zu Handelsbeziehungen  

Dem Politikwissenschaftler Andreas Dür von der Paris Lodron Universität Salzburg (PLUS) wird für sein innovatives Forschungsprojekt GEOTRADE zur Verknüpfung von Handelspolitik und Sicherheitspolitik ein „ERC Advanced Grant“ in der Höhe von 2,5 Millionen Euro für fünf Jahre zuerkannt. Das hat der Europäische Forschungsrat (ERC) heute (Do, 11.4.) bekannt gegeben.

Die „ERC Advanced Grants“ gehören zu den höchsten und prestigeträchtigsten Finanzierungen in der EU. Sie unterstützen bereits etablierte Spitzenwissenschaftler:innen, die neue, bahnbrechende Wege in ihrer Forschung gehen möchten. Andreas Dür hatte 2017 bereits einen sog. „ERC Consolidator Grant“ in der Höhe von 1,7 Millionen für ein exzellentes Forschungsprojekt eingeworben. Er ist der erste Forschende in Salzburg, der zwei ERC Grants erhalten hat.

Die internationale Handelspolitik hat sich in den vergangenen Jahren stark verändert. Das erkennt man unter anderem daran, dass handelspolitische Maßnahmen wie Handelsabkommen, Zölle, Investitionskontrolle, Subventionen oder Sanktionen zu einem immer wichtigeren Instrument in der Sicherheitspolitik geworden sindDiese Verknüpfung von Handelspolitik und Sicherheitspolitik, „Geopolitisierung“ genannt, ist das dominante Merkmal der gegenwärtigen Handelspolitik, betont Andreas Dür, Professor für Internationale Politik an der Paris Lodron Universität Salzburg und verweist darauf, dass allein in den letzten fünf Jahren Staaten weltweit mehrere tausend handelspolitische Maßnahmen mit Verweis auf Sicherheitspolitik legitimierten. Dür hat mit computergestützten Textanalysen nachgewiesen, dass vor allem seit der Präsidentschaft von Donald Trump die Verweise auf sicherheitspolitische Aspekte enorm gestiegen sind.  Ob US-amerikanische Zölle auf Aluminium und Stahl, niederländische Exportrestriktionen für Halbleiter und Indiens Handelsabkommen mit Australien – in all diesen Fällen geben Staaten an, dass sie Handelspolitik für sicherheitspolitische Ziele – zum Beispiel zur Verteidigung der eigenen Souveränität oder Machtposition –  verwenden.

Das vom Europäischen Forschungsrat (ERC) geförderte Forschungsprojekt „Die Geopolitisierung der Handelspolitik“, kurz GEOTRADE, hat zum Ziel, diese Verknüpfung von Sicherheitspolitik und Handelspolitik zu untersuchen, erklärt Projektleiter Andreas Dür. „Zuerst geht es dabei darum, herauszufinden, welche Motive diese Geopolitisierung antreiben. Wann verfolgen Regierungen tatsächlich sicherheitspolitische Ziele? Und wann ist Sicherheitspolitik nur ein Vorwand, um eigentlich handelspolitische Ziele zu erreichen? Letzteres ist zum Beispiel der Fall, wenn protektionistische Maßnahmen als sicherheitspolitisch notwendig verkauft werden, um größere Unterstützung für diese Politik zu gewinnen.“

Wenn Staaten mittels Handelspolitik tatsächlich sicherheitspolitische Ziele erreichen wollen, müssen die Regierungen zuerst oft mögliche innerstaatliche Widerstände überwinden, die sich ergeben, weil handelspolitische Maßnahmen teilweise auch wirtschaftliche Verlierer produzieren. „Polens Bauern, zum Beispiel, übten starken Druck auf die EU aus, wieder Zölle auf Agrarimporte aus der Ukraine einzuheben, die zuvor als Antwort auf den russischen Angriff gegen die Ukraine ausgesetzt worden waren. Hier schränkten innerstaatliche Akteure also die Möglichkeiten der EU ein, Handelspolitik als echten Teil der Sicherheitspolitik zu verwenden.“

Umgekehrt treiben oft innerstaatliche Akteure die Geopolitisierung der Handelspolitik aus reinem Eigeninteresse pro-aktiv an. „Die amerikanische Stahlindustrie argumentiert in Verfolgung ihrer eigenen wirtschaftlichen Interessen (aber eher nicht der Sicherheitsinteressen der USA), dass Zölle auf Stahlimporte wichtig für die amerikanische Sicherheit sind. Auch europäische Exportinteressen verweisen auf die positiven Auswirkungen von Handelsabkommen für die Sicherheit der EU, obwohl sie wohl eher von wirtschaftlichen Gewinnen angetrieben sind“, so Dür. GEOTRADE wird aber nicht nur Lobbying für oder gegen die Geopolitisierung der Handelspolitik untersuchen, sondern auch die Rolle der öffentlichen Meinung in die Analyse miteinbeziehen, ergänzt Dür.

Ein besonders innovativer Aspekt von GEOTRADE ist laut Dür, dass sich die Forschung nicht auf einzelne Staaten beschränken wird. „Läuft die Geopolitisierung der Handelspolitik in Indien anders ab als in China, oder in den USA anders als in der EU? Zur Beantwortung dieser Fragen wird sich das Projekt sechs Akteure im Detail ansehen: neben der EU, den USA und China sind das Indien, Mexiko und die Türkei.“

Eine zentrale Frage im Projekt ist, inwiefern die Geopolitisierung der Handelspolitik zum Erreichen sicherheitspolitischer Ziele beiträgt. „In dieser Hinsicht ist die Erwartung des Projekts, dass innerstaatliche Akteure Staaten oft dazu bringen, auf ineffektive Maßnahmen zu setzen. Viele potenziell effektive Maßnahmen verursachen Kosten für Wirtschaftsinteressen, weshalb diese versuchen, sie durch Lobbying entweder ganz zu stoppen oder aber Schlupflöcher zu schaffen, die die Auswirkungen der Maßnahmen abschwächen.“

Staaten setzen gegenwärtig stark auf Subventionen, um Firmen dazu zu bringen, ihre Produktion aus dem Ausland zurück in die Heimatsstaaten zu verlegen („Nearshoring“). Sicherheitspolitisch sei dieser Ansatz allerdings suboptimal, sagt Andreas Dür. „Dass die weltweiten, riesigen Subventionen für Firmen, die Produktionsstätten für Mikrochips schaffen, tatsächlich die effektivste Antwort auf gegenwärtige sicherheitspolitische Herausforderungen sind, ist zu bezweifeln. Exportrestriktionen (zum Beispiel als Teil von Sanktionen) könnten dafür sehr effektiv sein, werden aber durch Lobbying oft ausgehebelt oder zumindest abgeschwächt. Die Erwartung ist also, dass Regierungen oft den Weg des geringsten Widerstands wählen, weshalb die verwendeten Maßnahmen nur suboptimal auf die eigentlichen sicherheitspolitischen Herausforderungen antworten.“

Ein erklärtes Ziel von Andreas Dür ist, dass GEOTRADE nicht nur wichtige wissenschaftliche Debatten unterstützt, sondern auch außerhalb des universitären Umfelds zu verbessertem Wissen und besseren Politikentscheidungen führt. „Die Geopolitisierung des Handels trägt zum Ende der liberalen internationalen Ordnung bei, die seit dem Ende des Kalten Krieges vorherrschend war. Dieses Projekt kann helfen, zu verstehen, wie die neue internationale Ordnung aussehen wird, inwiefern die Veränderungen mit zwischenstaatlichen Konflikten einher gehen werden und welche Auswirkungen diese Veränderungen auf die Verteilung des Wohlstands sowohl zwischen als auch innerhalb von Staaten haben werden. Dadurch soll GEOTRADE auch bessere Politikentscheidungen in einer turbulenten Welt ermöglichen.“ Mit der ERC Grant-Summe von 2,5 Millionen Euro wird Andreas Dür für sein GEOTRADE Projekt vier Positionen (2 Postdocs, 2 Dissertanten) finanzieren.


„ERC Advanced Grants“ERC Advanced Grants: €652 million for leading researchers in Europe | ERC (europa.eu)

Der Europäische Forschungsrat (European Research Council, ERC) fördert alljährlich mit den „ERC Advanced Grants“ bahnbrechende Forschung in allen Wissenschaftsbereichen. Im aktuellen Förderprogramm werden mit insgesamt 650 Millionen in 20 EU-Ländern 255 Projekte unterstützt, davon 12 in Österreich.


Fotonachweis: Gemma Mateo

Kontakt:
Andreas Dür | Professor für Internationale Politik
Leiter des Fachbereichs Politikwissenschaft | Paris Lodron Universität Salzburg (PLUS)
Rudolfskai 42 | 5020 Salzburg | Austria
t.: +43-662-8044-6619 | Email: | Web: http://sites.google.com/site/andduer/

Andreas Dür

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