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Nanovesikel: Revolution in der Arzneimittelentwicklung

Das Land Salzburg stellte auf der SALZ21 die Wissenschafts- und  Innovationsstrategie 2030 vor. Dabei präsentierten die Leiterin des neuen Ludwig Boltzmann Instituts Nicole Meisner-Kober (PLUS) und ihre Partnerin an der PMU, Eva Rohde, ihre Forschungsvorhaben. 

An der Paris Lodron Universität Salzburg wird an der Entwicklung völlig neuer Wirkstoffe geforscht. Die Biowissenschaftlerin Nicole Meisner-Kober untersucht winzige Partikel, sogenannte Vesikel, die als Nano-Transporter für pharmazeutische Wirkstoffe genutzt werden könnten. Für ihren neuen Forschungsansatz erhielt sie den Zuschlag für ein Ludwig Boltzmann Institut mit einem Fördervolumen von 15 Mio Euro.

Eine neue Generation von Wirkstoffen, wie beispielsweise RNA Therapeutika, die bei den Impfstoffen gegen das Coronavirus Sars-CoV-2 eingesetzt wurden, oder jene, die auf dem Prinzip der Genschere beruhen, eine Strategie, mit der die genetische Information verändert werden kann, haben enormes Zukunftspotential. Im Gegensatz zu den chemisch-synthetisch im Labor hergestellten Wirkstoffen, geht die Forschung mehr und mehr dazu über, natürliche biologische Prozesse und Moleküle zu nutzen. „Da solche Prozesse über Millionen Jahre evolutionär optimiert wurden, bieten sie nicht nur eine ausserordentlich hohe und präzise Wirksamkeit, sondern auch die Möglichkeit, Neuland in den möglichen pharmazeutischen Wirkmechanismen zu betreten“, betont die Leiterin des LBI Nicole Meisner-Kober. Damit könnte eine effektive, zielgerichtete und schonende Behandlung von schwersten Erkrankungen wie Krebs, chronisch entzündlichen oder neurodegenerativen Erkrankungen möglich werden.

Das große Problem dabei ist, dass von außen eingebrachte biologische Makromoleküle von unserem Körper grundsätzlich als fremd oder infektiös definiert und infolgedessen so schnell wie möglich abgebaut und ausgeschieden werden. Eine wesentliche Rolle spielen dabei Abwehrreaktionen unseres Immunsystems, sowie körpereigene Barrieren die beispielsweise die Aufnahme über den Magen-Darm-Trakt verhindern, oder die sogenannte Blut-Hirn-Schranke, ein wichtiger Schutzwall, der insbesondere das Gehirn vor gefährlichen Eindringlingen schützt.

Kommunikationsfähigkeit der Vesikel nutzen

Die Wissenschaftler:innen beschäftigen sich daher mit der Frage, wie solche Makromoleküle zielgerichtet und effektiv, an den Schutzbarrieren vorbei, zu den erkrankten Geweben geschleust werden können, ohne vom Immunsystem und körpereigenen Abbaumaschinerien erkannt zu werden. Im neuen Ludwig Boltzmann Institut für Nanovesikuläre Präzisionsmedizin soll erforscht werden, wie ein körpereigenes Nano-Transportsystem genau für diesen Zweck genutzt werden kann. Im Fokus stehen dabei Vesikel, winzige, nur etwa 100 Nanometer große, bläschenartige Partikel, die von allen Zellen an die Umgebung abgegeben werden. Vesikel transportieren biologisch aktive Moleküle zwischen Zellen und Geweben im Körper. Den Wissenschaftler:innen ist es bereits gelungen, Vesikel aus verschiedensten Quellen zu isolieren und deren Verteilung im Körper zu untersuchen. „Wir können sie entweder im Labor herstellen oder aus Nahrungsmitteln gewinnen, wie etwa aus Milch oder Fruchtsaft.“ Diese natürlich vorkommenden Vesikel sollen genutzt werden, um Wirkstoffe darin zu verpacken und mit einer molekularen Adresse zu versehen, die den Zielort bestimmt. Diese Pakete sollen – wie ein trojanisches Pferd – in den Körper eingebracht, vorbei an natürlichen Barrieren und Immunsystem zu den erkrankten Geweben gelangen, um dann zielgenau ihre Wirkung zu entfalten. „Im Falle einer Chemotherapie würden die Vesikel ihre Botschaft beispielsweise direkt zu den Tumorzellen transportieren, ohne dabei die gesunden Zellen zu beeinträchtigen“, erläutert Meisner-Kober. Da die Nanovesikel selbst Botschaften ihrer Herkunftszellen übertragen, die sie aussenden, können diese ebenfalls therapeutisch ausgenutzt werden, um die Empfängerzellen gezielt zu beeinflussen. Hier wird im neuen LBI vor allem daran geforscht, wie Nanovesikel aus Stammzellen oder Muttermilch genutzt werden können, um Entzündungsreaktionen zu unterdrücken oder Gewebsneubildung anzuregen.

Aus dieser Grundlagenforschung können neuartige Therapien und Behandlungsmethoden in noch nie dagewesener Form entstehen. Eine Revolution in der Medikation und Behandlung zahlreicher Erkrankungen. Offen ist die Frage, wie schnell die Entwicklungen vor sich gehen, wie zielgerichtet sie am Ende sein werden und in welcher Weise die ersten Durchbrüche kommen, die auch vieles andere ermöglichen. „Der Zuschlag für die Etablierung eines Ludwig Boltzmann Instituts ist ein großer Erfolg für die Universität und insgesamt für den Universitätsstandort Salzburg. Österreichweit wurden nur drei dieser hochdotierten und äußerst kompetitiven Einrichtungen vergeben. Ich gratuliere Nicole Meisner-Kober und ihrem Team sehr herzlich zu diesem großartigen Erfolg“, betont die Vizerektorin für Forschung und Nachhaltigkeit, Jutta Horejs-Höck. Die Universität Salzburg stellt die gesamte Infrastruktur, die Räumlichkeiten und die Einbettung in die akademische Umgebung zur Verfügung.

Das Forschungsinstitut wird diese neuartigen nanovesikulären Therapien in enger und interdisziplinärer Zusammenarbeit zwischen biomedizinischer Forschung und internationalen Partnern aus Klinik und Industrie von der Grundlagenforschung in die Anwendung bringen. Unter Einbindung von Expert:innen aus der Pharma- und Lebensmittelindustrie, Behörden, Patientenorganisationen, Ärzten und medizinischem Pflegepersonal sowie betroffenen Zielgruppen sollen Lösungen für den gesamten Prozess, von der Herstellung bis zur Zulassung und Anwendung gefunden werden.

Das LBI für Nanovesikuläre Präzisionsmedizin wird an der Fakultät für Natur- und Lebenswissenschaften der PLUS etabliert. Es ist auf 10 Jahre angelegt und wird mit 15 Mio Euro dotiert. 80% davon kommen von der Ludwig Boltzmann Gesellschaft. Das Land Salzburg finanziert mit 3 Mio Euro 20% des Gesamtbetrages. Diese Mittel stammen aus dem Forschungsressort von Landeshauptmann Wilfried Haslauer. Im Rahmen der Wissenschafts- und Innovationsstrategie Salzburg wird seit 2016 die anwendungsorientierte Forschung im Bereich der Nanovesikel und deren biomedizinischer Anwendung gefördert. In besonders engem Verbund arbeitet die Paris Lodron Universität Salzburg mit der Paracelsus Medizinischen Universität Salzburg, dem Salzburger Landeskliniken-Universitätsklinikum (SALK) und der Innovation Salzburg GmbH zusammen. In diesem Zusammenspiel wird den Wissenschaftler:innen der nötige finanzielle  und organisatorische Freiraum für herausragende Forschungsleistungen gegeben.

Die Ludwig Boltzmann Gesellschaft (LBG) ist eine außeruniversitäre Forschungs- und Forschungsförderorganisation. Ihre Schwerpunkte liegen vor allem im Bereich der Life Sciences, weitere Partner sind Geistes-, Sozial- und Kulturwissenschaften. Die LBG betreibt zusammen mit akademischen und anwendungsorientierten Partnern Ludwig Boltzmann Institute und fördert die Zusammenarbeit unterschiedlicher Einrichtungen.

SALZ21 | Rektorat mit LH und Nicole Meissner-Kober
Foto 1: v.l.n.r. Landeshauptmann Wilfried Haslauer, Vizerektorinnen Kristin De Troyer und Jutta Horejs-Höck, geschäftsführender Rektor Martin Weichbold, Direktorin des Ludwig Boltzmann Instituts für Nanovesikuläre Präzisionsmedizin an der Paris Lodron Universität Salzburg, Nicole Meissner-Kober, und Vizerektor Stefan Lang | © Kay Mueller

 


Foto 2 (unten): links: Primaria Eva Rohde (PMU) und Institutsleiterin Nicole Meisner-Kober
Fotonachweis: Kay Müller

Eva Rohde (PMU) und Nicole Meisner Kober (PLUS)

HR Mag. Gabriele Pfeifer

Leitung Kommunikation und Fundraising

Paris Lodron Universität Salzburg | Abteilung Kommunikation und Fundraising

Kaigasse 4-6 | 5020 Salzburg | Austria

Tel: +43 662 8044 2024

E-Mail an HR Mag. Gabriele Pfeifer

Fotos: Primaria Eva Rohde (PMU) und Institutsleiterin Nicole Meisner-Kober | © Kay Müller