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„Patriarch des Abendlandes“

Professor Winkler begrüßt Entscheidung des Papstes

Vorsitzender der Salzburger PRO ORIENTE-Sektion im „Furche“-Gastkommentar: Mit der Wiederannahme des Titels „Patriarch des Abendlandes“ greift Papst Franziskus auf das Konzept des „primus inter pares“ zurück.

Salzburg/Wien, 22.04.24 (poi) Positive Perspektiven für die Ökumene ortet der Salzburger Orthodoxie-Experte Prof. Dietmar Winkler im Blick auf die Wiederannahme des Titels „Patriarch des Okzidents“ (Westens bzw. Abendlandes) durch Papst Franziskus. Diesen Titel hatte Papst Benedikt XVI. im ersten Jahr seines Pontifikats aus der Liste der Papst-Titel streichen lassen und damit Irritationen bei den Kirchen des Ostens ausgelöst. Franziskus hat ihn vor rund zwei Wochen wieder eingeführt – ein Schritt, den Winkler in einem Gastbeitrag in der aktuellen Ausgabe der Wochenzeitung „Die Furche“ ausdrücklich begrüßt. Prof. Winkler ist Dekan der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Salzburg und Vorsitzender der Salzburger PRO ORIENTE-Sektion.

Die Tragweite dieses Titels verstehe man nur mit einem kurzen Blick in die Geschichte, so Prof. Winkler: Im Zuge der ersten ökumenischen Konzilien des 4. und 5. Jahrhunderts bildeten sich fünf Zentren der Gesamtkirche heraus – Rom, Konstantinopel (das Neue Rom), Alexandrien (für Afrika), Antiochien (für große Teile Asiens) und Jerusalem (als Ort der Auferstehung des Herrn). Diese bildeten als Patriarchate gemeinsam die altkirchliche Pentarchie („Fünfherrschaft“), in der genannten Rangfolge. „Verwaltungsmäßig und in der seelsorgerischen Praxis sind diese fünf Kirchen voneinander unabhängig gewesen, in ihrem Glauben bildeten sie aber gemeinsam die eine Kirche Christi“, so Winkler.

Im 6. Jahrhundert habe diese polyzentrische überregionale Kirchenstruktur in die theologische Literatur und das kirchliche Recht Einzug gehalten und noch im 9. Jahrhundert habe dies selbst im Westen als passendes Konzept der Kircheneinheit gegolten. Ein solches sei die Pentarchie für die Orthodoxie als Modell der Einheit in der Vielfalt bis heute, betont Winkler. Die Reihenfolge bedeutet dabei keine Unterordnung der nachgenannten Patriarchate unter jenes von Rom, sondern die Verleihung des Ehrenvorsitzes an den Bischof von Rom im Sinne eines „primus inter pares“ (Ersten unter Ranggleichen). Durch die Trennung von Ost- und Westkirche sei heute in der Orthodoxie das Ökumenische Patriarchat von Konstantinopel an die erste Stelle gerückt.

Mit der Wiederannahme des Titels „Patriarch des Abendlandes“ greife Franziskus auf das Konzept des „primus inter pares“ zurück und stehe damit konsequent in Kontinuität mit seinen ersten Papstworten vom „Vorsitz in der Liebe“ und seinem derzeitigen Wirken für eine synodale Kirche, schreibt Prof. Winkler. Dass der Ökumenische Patriarch von Konstantinopel, Bartholomaios I., als einer der Ersten über die Wiedereinführung informiert wurde, „passt da gut ins Bild“.

Wie Winkler zudem bemerkte, dürfte Franziskus mit der Entscheidung gewartet haben, um seinen Vorgänger nicht zu Lebzeiten zu brüskieren. Es sei zunächst „nicht unbedingt ein Schaden“, Papst-Titel abzustreifen, Benedikt XVI. hätte jedoch besser den Titel „Stellvertreter Christi“ (Vicarius Christi) tilgen sollen, der erst unter Papst Innozenz III. (gest. 1216) eingeführt worden war und den „Gipfelpunkt päpstlicher Macht“ verkörpert habe, so der Ostkirchen-Experte.

Bereits zu Beginn seines Pontifikats habe Papst Franziskus sein Amts- und Primatsverständnis angedeutet. Er habe auf ein sehr frühes Verständnis der römischen Kirche hingewiesen und gesagt, „dass Bischof und Volk den Weg der Kirche gemeinsam gehen mögen“, und er habe die Kirche von Rom als jene charakterisiert, „die den Vorsitz in der Liebe führt“. Damit habe Franziskus auf einen der frühesten Kirchenväter, Ignatius von Antiochien, verwiesen, der dies um 110 in seinem Brief an die Römer auf dem Weg ins Martyrium schrieb, so Winkler: „Ignatius schrieb der Kirche von Rom zweifellos einen Ehrenplatz zu, aber dieser hat nichts mit späteren päpstlichen universalen Primats- und Jurisdiktionsideen zu tun. Franziskus verweist also auf eine frühkirchliche Praxis, die Rom nicht über anderen Gemeinden im Sinne von Machtausübung sieht.“

Ferner komme bei Papst Franziskus ein Amtsverständnis zum Ausdruck, „das den Bischof inmitten des Volkes sieht“. Bereits in der ersten Predigt bei der Eucharistiefeier mit den Kardinälen in der Sixtinischen Kapelle habe Franziskus das gemeinsame Gehen mit Christus und Bauen der Kirche in den Mittelpunkt gestellt. Dieses gemeinsame Gehen setze er konsequent mit dem gegenwärtig weltweit viel diskutierten synodalen Prozess um, würdigt Prof. Winkler.


 Link zum Beitrag in Pro-Oriente
Beitrag in „Die Furche“ (PDF)

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