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Tagung „Wozu Menschenrechte im 21. Jahrhundert?“

Am Donnerstag, 2. Juni findet an der Universität Salzburg ein internationales Kolloquium zum Thema „Herausforderungen für die Menschenrechte im 21. Jahrhundert“ statt. Veranstalter sind der Salzburger Rechtsphilosoph Stephan Kirste und seine Assistentin Kristin Albrecht.

Internationale Experten aus Rechtswissenschaft, Philosophie, Rechtsphilosophie und Ökonomie werden über praktische und theoretische Fragen der Menschenrechte diskutieren. Die menschenrechtliche Solidaritätspflicht in der aktuellen Flüchtlingskrise wird ebenso ein Thema sein wie die Armutsbekämpfung oder Fragen der Medizinethik.

„Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren.“ Am 10. Dezember 1948 hat die UNO die allgemeine Erklärung der Menschenrechte verabschiedet mit 30 Artikeln, vom Verbot der Folter bis zum Recht auf Asyl. All diese Rechte ruhen auf dem Fundament der Würde des Menschen. Solidarität mit Menschen, die unverschuldet in schwere Not geraten sind, ist damit eine zentrale Forderung der fast 70 Jahre alten und zahlreichen jüngeren Erklärungen. Diese ist in der aktuellen Flüchtlingskrise aktueller denn je.

Der Solidaritätspflicht gegenüber steht allerdings das Machbarkeitsargument, ebenso wie das Recht einer jeden Gemeinschaft, zu bestimmen, wer zu ihr gehören soll. Ein Dilemma, das die EU wird lösen müssen, sagt der Rechts- und Sozialphilosoph Professor Dr. Stephan Kirste von der rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Salzburg. „Eine Gemeinschaft wie die EU steht vor der großen Herausforderung, einerseits die sehr allgemein formulierten Forderungen der Menschenrechtsdokumente zu konkretisieren und andererseits die Verantwortung eines jeden Staates so zu bestimmen, dass alle europäischen Bürger damit leben können.“ Mit dem Thema Recht auf Asyl als Menschenrecht wird sich beim Kolloquium der deutsche Staatsrechtslehrer Michael Anderheiden beschäftigen.

Mit der Migrationsfrage in engem Zusammenhang steht die Armut. Für Kirste ist sie die zweite große Herausforderung für die Menschenrechte im 21. Jahrhundert. Muss man zum Beispiel Medikamente gegen Aids oder Ebola in den ärmsten Ländern billiger zur Verfügung stellen indem man die Patente beschränkt? Wie steht es um Bildung als Recht eines jeden Menschen und Voraussetzung dafür, dass er seine Freiheit entfalten kann? Eine Problematik, mit der sich die Salzburger Armutsforscher Gunter Graf und Gottfried Schweiger auseinandersetzen.   

In der Medizinethik sieht Kirste eine weitere Herausforderung für die Menschenrechte. „Es ist beeindruckend was heute medizinisch alles machbar ist. Von der Ausrottung von Krankheiten bis zum moral enhancement, der moralischen Verbesserung des Menschen. Ich bin kein Kritiker der Machbarkeit, aber es muss uns bewusst sein, dass mit den steigenden Möglichkeiten auch die Verantwortung des Menschen steigt.“ Menschenwürde und Medizinethik am Anfang und Ende des Lebens – Embryonenforschung und menschenwürdiges Sterben – sind Kirstes zentrales Forschungsanliegen.

Dass die Menschenrechte ein zahnloser Tiger sind, wie Kritiker sagen, lässt Kirste so nicht gelten. „Eine zwangsmäßige Durchsetzung der Menschenrechte ist zwar immer noch nur beschränkt möglich, aber sie haben das politische Bewusstsein seit 1948 entscheidend geprägt. Ihre internationale und regionale Anerkennung erzeugen einen enormen Rechtfertigungsdruck – etwa für denjenigen, der meint foltern oder willkürlich töten zu können. Denken Sie daran, wie die Menschenrechtsverbrechen im ehemaligen Jugoslawien durch die internationalen Gerichtshöfe aufgegriffen  wurden. Damit haben wir ein Zeichen gesetzt, dass sich heute ein Diktator nicht mehr alles erlauben kann. Wir haben mit den Menschenrechten einen Maßstab, an dem auch Putin oder Erdogan gemessen und kritisiert werden können.“

Dass wir die Menschenrechte brauchen und was sie für die Humanisierung der Welt leisten können, scheint damit klar. Aber wie begründen wir sie? Was für ein Menschenbild steckt dahinter? Gelten sie tatsächlich für alle Menschen, egal woher sie kommen? Ist es nicht imperialistisch, wenn der Westen andere Kulturen an den individuellen Menschenrechten misst? In Asien etwa ergibt sich die Stellung des Einzelnen stärker aus seiner Gemeinschaft. Stephan Kirste hält einen Menschenrechtsdiskurs auf dieser Basis noch nicht für problematisch, erst Sanktionen können es sein. Solchen Fragen ist ein bedeutender Teil des Kolloquiums gewidmet.

Die 10 Vortragenden aus verschiedensten Städten im deutschsprachigen Raum sind philosophische und juristische Experten auf dem Gebiet der Menschenrechte. Die Tagung findet von 9.30 bis 18.45 Uhr in der Landkartengalerie im Toskanatrakt der rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Salzburg, Churfürststraße 1, statt.  

Foto: Professor Stephan Kirste | © Kolarik

 

Kirsten