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MEDIENEXPERTE DER PLUS BESTÄTIGT NS-BEZUG EINES EHEMALIGEN ARD-PROGRAMMDIREKTORS

Univ.-Prof. Dr. Thomas Birkner, Leiter der Abteilung Journalistik am Fachbereich Kommunikationswissenschaft der Paris Lodron Universität Salzburg (PLUS), hat im Auftrag der ARD die Kriegsjahre (1939 bis 1945) des Filmproduzenten und ehemaligen ARD-Programmdirektors Hans Abich erforscht.

Die Wochenzeitung DIE ZEIT hatte im November 2021 berichtet, dass Hans Abich (1918-2003) ab 1943 als Referent im Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda tätig sowie stellvertretender Schriftführer zweier NS-Publikationen gewesen war.

Der Kommunikationswissenschaftler Thomas Birkner war daraufhin von der Historischen Kommission der ARD mit einem Gutachten beauftragt worden. Birkner konnte die Vorwürfe bestätigen und weitere Quellen zur Vergangenheit von Hans Abich vorlegen, die Abichs falsche Angaben zu seiner NS-Vergangenheit beweisen.

Hans Abich hatte seine NSDAP-Mitgliedschaft verschwiegen und seinen Argwohn gegenüber dem Nationalsozialismus ab 1938, nach den massiven Ausschreitungen gegen Juden in der „Reichsprogromnacht“ betont. Dies zeigt unter anderem ein 1990 gegebenes ZDF-Interview, das die  Tagesschau am 29. April 2023 (ab Minute 00:44) zitierte.

Medien-Echo auf das Gutachten

Auf die Veröffentlichung des Gutachtens und der Stellungnahme der ARD am 29. April 2023 – flankiert von Interviews mit Birkner  im Radio,  im TV und  online – folgte ein breites Medienecho in den Feuilletons ( FAZ,  DIE ZEIT,  RedaktionsNetzwerk Deutschland, Tagesspiegel,  Deutschlandfunk,  Jüdische Allgemeine). inklusive eines  Gastartikels in der FAZ, in dem der Filmproduzent Günter Rohrbach („Berlin Alexanderplatz“, „Das Boot“) Verständnis für Abichs Verdrängung seiner NS-Zeit äußerte.

Birkner hatte bereits im Interview mit der ARD, überschrieben mit „ Historische Erinnerungslücken“, darauf hingewiesen, dass die „lückenhafte Beschäftigung mit der eigenen Biographie vor 1945“ nur „im Wechselspiel mit einer Gesellschaft, die auch nicht immer alles wissen wollte“, funktioniert habe. Gegenüber den  Salzburger Nachrichten erklärte Birkner am 13. Mai, man müsse „Abich im Kontext seiner Zeit sehen und einer Nachkriegsgesellschaft, die damals eben kollektiv vieles vergessen wollte – in Deutschland wie in Österreich“. Er halte Hans Abich, der in den letzten Kriegsmonaten auch in Salzburg gelebt hatte, für „einen der vielen Mitläufer, die sich angepasst haben. (…) Nach dem Krieg dürfte ihm bewusst gewesen sein, dass seine berufliche Tätigkeit im NS-Regime kein Ruhmesblatt war.“ Obwohl Abich unter anderem von Salzburg aus für zwei studentische Zeitschriften während der NS-Zeit geschrieben habe, könne damit nicht bewiesen werden, dass Abich „dieser Ideologie jemals anhing“, heißt es in Birkners Gutachten.

Die Ausweitung der Debatte auf den generellen Umgang mit der NS-Vergangenheit in den Medien, die Thomas Birkner  im Interview gegenüber der ARD sieht, hatte bereits am 2. Mai 2023 auf  Deutschlandradio ihren Anfang genommen. Hier betont der Historiker Christoph Classen vom Leibniz-Zentrum für Zeithistorische Forschung, Potsdam (ab Minute 05:06), dass sich die Aufarbeitung der NS-Vergangenheit im Medienbereich bislang zu sehr auf Einzelpersonen konzentriert habe und eine systematische Aufarbeitung – wie es sie beispielsweise im Bereich der Behörden inzwischen gäbe – noch ausstehe. Der Historiker Thomas Brechenmacher, der sich mit der NS-Vergangenheit des Stern-Gründers Henri Nannen beschäftigt, wünscht sich in der  ZEIT vom 17. Mai durch die wissenschaftliche Aufarbeitung eine Abmilderung „der erstaunlichen Gereiztheit in dieser Debatte“.

Thomas Birkner

Univ.-Prof. Dr. Thomas Birkner

Leiter der Abteilung Journalistik

Paris Lodron Universität Salzburg | Fachbereich Kommunikationswissenschaft

Rudolfskai 42 | 5020 Salzburg | Austria

Tel: +43 662 8044 4157

E-Mail an Univ.-Prof. Dr. Thomas Birkner

Foto: Thomas Birkner | © Alois Pluschkowitz