IZMF-Themenschwerpunkt

Materia narrata – Materia narrandi. Medialität, Materialität und Dynamik „großer“ Narrative

Narrative sind grundlegende Konstituenten sozialer Identitäten: Innerhalb von Gemeinschaften wirken sie traditionsbildend und somit stabilisierend, in transformativen kulturellen Kontexten sind sie aber auch Medien des soziokulturellen Wandels, bisweilen auch Katalysator dieser Prozesse. Da die Medialität von Narrativen erst durch deren aktive Vermittlung bzw. die damit verbundenen Perzeptionskontexte generiert wird, sind für das Verständnis der Bedeutung von Narrativen immer auch die performativen Settings einschließlich ihrer Akteure mit zu bedenken. Performanzen der Vermittlung bieten das Potenzial der Neuinterpretation traditioneller Narrative, sodass nicht nur neue Narrative Wandel auslösen können, sondern auch die Neu- und Umdeutung althergebrachter Inhalte und Vermittlungsformen. „Mittler“ der Narrative sind aber nicht nur Menschen als Akteure, sondern auch jene materiellen Objekte, die als materielle Informationsträger dienen. Materialien und Formen „rahmen“ nicht nur diese narrativen Settings, sondern formen sie durch ihre spezifischen Eigenschaften im Sinne von medialen Potenzialen und Limitierungen mit: Diese Übersetzungsleistungen stellen somit ein wesentliches Forschungspotenzial dar, wenn es um die Frage geht, wie Narrative intermedial vermittelt werden (können) und welchen Einfluss die Materialität, aber auch das mediale Setting des Informationsträgers auf selbiges hatten.
Ziel des Themenschwerpunkts ist daher die Erforschung der Wechselwirkung zwischen dem Narrativ, der Wahl des Mediums (Text, Bild, Musik, etc.) des materiellen Informationsträgers und dessen performative Einbettung/Übersetzung. Untersucht werden soll dabei die integrative Wirkung der narrative, wobei Bezüge zu bestehenden Narrativen, zu Personen oder rituatlisierten Handlungen und den damit verbundenen Objekten im Fokus der Forschung stehen.
Die methodischen Zugänge sind dabei diachron, da im Sinne der longue durée langfristige Wechslewirkungen zwischen Narrativen und medialen Settings untersucht werden sollen, intermedial, da die formalen und inhaltlichen Konsequenzen von medienwechseln für Narrative eine wichtige Themenstellung darstellen und interdisziplinär, da nur quellen- und disziplinenübergreifende Zugänge der Vielfalt narrativer Überlieferungen und somit auch der Komplexität des Themas adäquate Behandlungen erlauben.

Folgende Fragen stehen daher im Fokus des Themenschwerpunkts:

  • In welcher Beziehung stehen mediale Settings, Akteure und die Auswahl an Objekten in konkreten narrativen Vermittlungen?
  • Wie wirken sich Wechsel von Medien(-gattungen) und materiellen Informationsträgern auf das Narrativ aus? (Stichworte: Translation, Materialität und Medialität)
  • Welche Interaktionen lassen sich zwischen den verschiedenen Medien, Informationsträgern und deren performativer Einbettung beobachten, in welche Richtungen gehen die Beeinflussungen? (Stichwort: Intermedialität)
  • Welche Rolle spielen materielle Objekte in den Narrativen?

Folgende Subthemen stehen im Fokus:

  • Große religiöse Texte als Narrative (Christentum, Judentum, evtl. auch Islam)
  • Antike Narrative
  • Urbanität als Narrativ

Entsprechend der Kompetenzen des Zentrums reicht der untersuchte Zeitraum von der(Spät-)Antike bis in die frühe Neuzeit. Beginn des Themenschwerpunkts ist 2016 mit einem Fokus in der lehre zum Thema „Rom als Thema von Narrativen zur Urbanität“, erste kollaborative Projekte sind in Vorbereitung und werden 2017 bekanntgegeben.