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Kaffee im Wandel der Werbung

Es ist ein riesiges und in seiner Art einzigartiges Korpus, das Sonja Molnar vom Fachbereich Anglistik und Amerikanistik in Archiven in Großbritannien und Australien für ihr Dissertationsprojekt zum Textsortenwandel in der Werbung kompiliert hat. Mehr als 3000 englische, amerikanische und australische Werbetexte von 1652 bzw. 1657 bis 2016 hat die Jungwissenschaftlerin dokumentiert. Bisher gab es weder eine derart umfassende Materialsammlung noch diachrone Untersuchungen zu sprachlichen und text-gestalterischen Veränderungen in der englischsprachigen Printwerbung über einen Zeitraum von fast 400 Jahren.
„Die Printwerbung beginnt, historisch betrachtet, zwar im Zeitalter von Gutenberg Ende des 15. Jahrhunderts, so richtig interessant wird sie aber erst im 17. Jahrhundert mit dem Aufkommen von Zeitungen und „Trade cards“, eine Art Vorläufer der heutigen Flyer.“ Frühere Textbeispiele seien außerdem fast unmöglich zu finden, sagt Molnar und ergänzt: „Mein Korpus beginnt mit der ältesten erhaltenen Werbung für Kaffee in England aus dem Jahr 1652 bzw. 1657. Diese Werbung wurde von einem Mann namens Pasqua Rosée publiziert, um das Kaffeetrinken und sein Kaffeehaus, das erste in London, zu bewerben.“
Kaffee ist eines der Produkte, dessen Präsentationswandel in der Werbung Sonja Molnar genau unter die textlinguistische Lupe nimmt. Bei fünf Produktgruppen –  Getränke, Süßigkeiten, Seife, Transportmittel und Medikamente – hat die Jungwissenschaftlerin grammatische, textstrukturelle und visuelle Strukturen (Layout und Bild) analysiert. Und was lässt sich als ein zentrales Ergebnis festmachen? „Bilder haben die Sprache sukzessive zurückgedrängt. Das sieht man an der Kaffeewerbung genauso wie bei anderen Produkten. Die Texte werden immer kürzer, spielerischer, offener, humorvoller. Die Kaffeewerbungen aus dem 17. Jahrhundert, in denen das Produkt wortreich als gesundheitsförderndes Wundermittel  für betuchte Gentlemen angepriesen wird, haben wenig mit den heutigen oft minimalistischen Image-Werbungen für Kaffee gemein, die zuweilen fast ganz ohne Text auskommen.“
Der Siegeszug des dunklen anregenden Gebräus aus der arabischen Welt in Europa, Amerika und Australien ist eng mit dessen Vermarktung in der Werbung verknüpft. Anfangs war Tee, das exotische Heißgetränk aus China, viel beliebter. Bis zum späten 18. Jahrhundert hatte sich „Bohea Tee“ als Getränk der Massen durchgesetzt,  auch weil es als gut für die Gesundheit verkauft wurde. „Bohea Tee ist die neueste Kur für Schwindsucht, Magenbeschwerden und alle weiteren Verfälle des Körpers; ist heilend für die Lungen und tut weit mehr für Kranke als jede andere Medizin“, hieß es zum Beispiel in einer Werbung von 1721. Unangenehm war allerdings der hohe Preis, den man für das Getränk aus dem fernen Osten bezahlen musste. Da ist es auch nicht überraschend, dass Zollerhöhungen in den englischen Kolonien in Amerika auf große Ablehnung stießen. Zu der Zeit begann der eigentliche Siegeszug des Kaffees.
An der Kaffeewerbung wird deutlich sichtbar, was für die Werbung generell gilt: Sie ist gesellschaftlich, wirtschaftlich, politisch geprägt. Umgekehrt beeinflusst sie wieder das Denken und Verhalten der Gesellschaft. In der Zeit der Amerikanischen Revolution, die 1776 in der Unabhängigkeitserklärung der 13 amerikanischen Kolonien von der britischen Krone gipfelte, wurde in Amerika zum Beispiel Kaffee als patriotisches Gut gehypet, als Gegenstück zum Tee, der im verhassten britischen Mutterland viel getrunken wird.
Hat es in Molnars aufwändiger Recherche-Arbeit auch ein besonderes Highlight gegeben? „Ja, das bezieht sich aber nicht auf die Kaffee- sondern auf die Autowerbung: Ich habe in einer Zeitung eine Autowerbung entdeckt, die 100 Jahre älter ist als die bisher bekannte erste Autowerbung aus dem Jahr 1840. Schon 1742 wurde für eine „fahrende Kutsche ohne Pferde“,  ein „travelling chase without horses“, wie es dort heißt, geworben. Als ich das entdeckt habe, habe ich mich wirklich sehr gefreut.“
Doch woher kommt das Interesse der 29jährigen gebürtigen Vöcklabruckerin an Werbung? Es gehe schon auf die Schulzeit zurück, und zwar auf den Marketingunterricht an der HAK, sagt Molnar. „Seitdem schaue ich gebannt hin, wenn Werbung im Fernsehen läuft. Mich interessiert, wie ein Produkt verkauft wird.“ Internationales Marketing war dann auch ein Schwerpunkt in ihrem Anglistik – Studium, das sie u.a. an die Ohio University führte. Parallel zum Studium hat die Jungforscherin, die fünf lebende Sprachen spricht, als Marketingassistentin in einem internationalen Konzern gearbeitet. In Hartmut Stöckl fand Molnar den idealen Doktorvater, ist der Professor für Englische und Angewandte Sprachwissenschaft am Fachbereich Anglistik und Amerikanistik doch schon lange Zeit in der Werbeforschung tätig und international renommiert.
Stöckl ist auch einer der Leiter des Doktoratskollegs „Linguistik: Kontakt – Variation – Wandel“. Im Zuge der Qualitätsentwicklung des Doktoratsstudiums hat die Universität Salzburg im Wintersemester 2016/17 fünfzehn neue Doktoratskollegs implementiert, Ausbildungszentren, in denen sich Doktorand/inn/en und Wissenschaftler/innen aus unterschiedlichen Fachgebieten vernetzen. Wo man sich in Ringvorlesungen trifft und zu internationalen Konferenzen fährt.
„Mit der neuen Betreuungsinfrastruktur will die Universität den Weg der Jungforscher/innen für eine wissenschaftliche Karriere bestmöglich vorbereiten“, sagt Hartmut Stöckl. Molnar ist von der Grundidee sehr angetan. „Ich selber profitiere ja leider kaum mehr davon, weil meine Dissertation jetzt beinahe abgeschlossen ist. Fächerübergreifende Impulse, wie sie das Doktoratskolleg gibt, halte ich aber für sehr wichtig, um zu neuen Erkenntnissen zu gelangen.“ Und wo sieht Sonja Molnar ihre berufliche Zukunft? Sie sei offen für alles, sagt sie, würde aber nach dem Auslaufen der Dissertantenstelle gern an einer Universität weitermachen.

Fotonachweis: British Museum
Fotonachweis Molnar: Kolarik
Fotonachweis: British Museum

S. Molnar - Foto: Kolarik

Mag. G. Pfeifer

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