Gradient Flows of Curvature Energies

Antragsteller: Simon Blatt

Dieses Projekt wird seit Sommer 2017 vom FWF (Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung) gefördert.

Abstract: Was ist die schönste Form eines Knoten? Was bedeutet „Schönheit“ in diesem Kontext? Oder ganz konkret: Ist das Fadenknäuel vor uns nun überhaupt verknotet oder nicht? Und: Gibt es eine natürliche Art und Weise einen ganz konkreten Knoten in diese optimale Form zu transformieren? Um diesen Fragen beizukommen, haben Mathematiker in den vergangenen beiden Jahrzehnten den Begriff von Krümmungsenergien und Knotenenergien geprägt und diese Energien studiert. Anschaulich wird damit versucht, ein Maß für die Schönheit eines Knoten zu definieren. Je kleiner die Energie, desto schöner der Knoten. Damit geben diese Energien eine pragmatische Antwort auf die erste von uns gestellte Frage. Der vielleicht bekanntesten Energie dieser Art liegt eine ganz einfache physikalische Idee zugrunde: Man möchte, dass unterschiedliche Stränge des Knotens möglichst großen Abstand haben. Dazu macht sich der Erfinder dieser Energie, der Japaner Jun O’Hara, die Abstoßungseffekte von elektrischer Ladung zunutze. Er verteilte ein Quantum elektrische Ladung auf dem Knoten und berechnete die potentielle Energie dieser Ladungsverteilung. Je weiter unterschiedliche Stränge des Knotens sind, desto kleiner ist diese potentielle Energie. Allerdings musste er die Coulombenergie im vierdimensionalen Raum betrachten statt im dreidimensionalen betrachten, um in der Tat Abstoßungseffekte unterschiedlicher Punkte zu erhalten.Dieses Projekt behandelt die letzte der oben angeführten Fragen: Gibt es eine natürliche Art und Weise einen ganz konkreten Knoten in seine optimale Form zu transformieren? Mathematiker stellen sich dafür die Energie als Gebirgslandschaft vor und folgen wie sehr ambitionierte Bergsteiger der „Direttissima“ – der Richtung des steilsten Anstieges bzw. hier: des steilsten Abstieges.Für Knotenenergien ist dieses Verfahren noch kaum untersucht. Der Grund dafür ist sicher, dass die Gleichungen, die dabei auftreten, eine neue Struktur haben – es handelt sich um sogenannte quasilineare fraktionale parabolische Differentialgleichungen, die hochgradig nicht-lokal sind und denen man diese Struktur aber auf dem ersten Blick nicht ansieht. Es müssen dafür komplett neue Techniken gefunden werden.Die Motivation hinter diesem Projekt ist vielfältig: Zum einen handelt es sich dabei um spannende, neue Mathematik am Rande zwischen so unterschiedlichen Gebieten wie Analysis, Geometrie und Topologie. Zum anderen gibt es interessante Querverbindungen zwischen einigen dieser Energien und der Modellierung von Proteinen und DNS, und die Modellierung der Energien basiert nicht selten auf physikalischen Ideen. Es gibt Verbindungen zu anderen aktuellen Forschungsthemen in der Mathematik, wie der Modellierung von Membranen, insbesondere der Willmoreenergie, sowie tiefe topologische Fragen, die man vielleicht mit diesen Techniken lösen kann. Nicht zuletzt sind fraktionelle Gleichungen momentan eines der Trendthemen in der Mathematik partieller Differentialgleichungen.