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Homophobie bei Jugendlichen hat indirekt mit schlechter Beziehung zu den Eltern zu tun

Eine neue Studie von Psychologen und Psychologinnen der PLUS zeigt den Zusammenhang zwischen der Eltern-Jugendlichen Beziehungsqualität und psychopathischen Persönlichkeitsmerkmalen, die Homophobie begünstigen. Die Studie, durchgeführt von Raffael Bruckner, Sarah Schuster und Florian Hutzler, stellt fest, dass eine schlechte Beziehung zur Mutter – gekennzeichnet durch Kommunikationsprobleme, fehlendes Vertrauen und Entfremdung – mit egoistischen und gefühlskalten Persönlichkeitsmerkmalen assoziiert ist. Diese Merkmale stehen wiederum in Verbindung mit feindseligen Einstellungen und Verhaltensweisen gegenüber homosexuellen Menschen.

Die Studie wurde kürzlich im online Journal „Frontiers in Developmental Psychology“ publiziert.

Dass die soziale und emotionale Entwicklung eines Menschen stark von seiner frühkindlichen Bindung zur Bezugsperson, in der Regel zur Mutter bzw. den Eltern abhängt, ist wissenschaftlich vielfach belegt. Kinder, die sicher gebunden aufwachsen, die sich also auf die Nähe, den Schutz und die Hilfe einer vertrauten Person verlassen können, entwickeln mehr Selbstvertrauen, knüpfen stabilere Freundschaften und sind mit dem Leben zufriedener. Unsicher gebundene Personen hingegen nehmen ihre Umwelt öfter als feindlich wahr und haben mehr Schwierigkeiten, positive soziale Beziehungen aufzubauen.

Relativ wenige und eher widersprüchliche Forschungsbelege gibt es bisher zu einem möglichen Zusammenhang zwischen der Eltern-Kind-Beziehung und sexuellen Vorurteilen.

Raphael Bruckner, Sarah Schuster und Florian Hutzler vom Zentrum für Kognitive Neurowissenschaften der Paris Lodron Universität Salzburg (PLUS) haben nun in einer Studie mit 200 österreichischen Jugendlichen zwischen 15 und  21 Jahren die Relation der Beziehungsqualität zwischen den Eltern und Jugendlichen, der potenziell damit verbundenen Manifestation psychopathischer Persönlichkeitsmerkmale und deren Zusammenhang mit Homophobie in der Adoleszenz untersucht.

„Homophobie wirkt sich negativ auf die Gesellschaft aus und zeigt sich oft in feindseligen Haltungen und aggressivem Verhalten gegenüber Menschen, die sich zur LGBTQIA+-Gemeinschaft bekennen. Insbesondere Jugendliche sind anfällig dafür“, sagt Co-Autorin Sarah Schuster.

Mittels eines etablierten Fragebogens hat das Forschungsteam zunächst die Beziehung der Jugendlichen zu den Eltern erhoben, in den Kategorien Vertrauen (z.B. „Meine Mutter/mein Vater respektiert meine Gefühle), Kommunikation (z.B. „Ich würde gern den Standpunkt meiner Mutter/meines Vaters zu den Dingen erfahren, die mich beschäftigen“), und Entfremdung (z.B. „Ich werde viel öfter wütend als meine Mutter/mein Vater weiß“).

Ebenso ermittelt wurden psychopathische Persönlichkeitsmerkmale wie Gefühllosigkeit (Mangel an Empathie, Mangel an Schuldgefühlen oder Bedauern über Untaten, z.B. „Es kümmert mich nicht, wen ich verletze, um zu bekommen, was ich will“) oder Gleichgültigkeit (z.B. „Es ist mir egal, ob ich pünktlich bin.“)

Schließlich wurden die feindseligen Einstellungen und Verhaltensweisen gegenüber homosexuellen Menschen abgefragt.

„Wir haben gesehen, dass eine schlechte mütterliche Beziehungsqualität, die sich durch Kommunikationsprobleme, fehlendes Vertrauen und Entfremdung äußert, mit selbstsüchtigen und gefühlskalten Persönlichkeitsmerkmalen verbunden ist. Jugendliche, bei denen diese Eigenschaften stärker ausgeprägt sind, sind feindseliger gegenüber homosexuellen Menschen“, resümiert Erstautor Raffael Bruckner, schränkt aber ein. „Aufgrund des querschnittlichen Designs der Studie können keine klaren kausalen Schlussfolgerungen hinsichtlich der Richtung des Einflusses von Eltern-Jugendlichen Beziehungsqualität und psychopathischen Persönlichkeitszügen auf Homophobie gezogen werden. Zukünftige Untersuchungen könnten diesen Zusammenhang in einem längsschnittlichen Design weiter erforschen.“

Weiter zu erforschen wäre auch, warum – gemäß den Studienergebnissen – nur die Mutter-Kind-Beziehung, nicht aber die Vater-Kind-Beziehung ein wesentlicher Faktor für die Entwicklung von Gefühlskälte ist. Möglicherweise ist das auf die mutmaßlich unterschiedliche Funktion von Müttern und Vätern bei der Kinderbetreuung zurückzuführen. Mütter erfüllen zum Beispiel eher die Funktion des sicheren Hafens, Väter motivieren ihren Nachwuchs eher dazu, ihre Umwelt zu explorieren. „Wer keinen angemessenen Trost an einem sicheren Zufluchtsort findet, tendiert später eher zu einem Mangel an Empathie“, sagt Projektleiter Florian Hutzler.

Wenig überraschend in der Studie sind die beobachteten geschlechtsspezifischen Unterschiede. Wie in früheren Untersuchungen so gaben auch in der aktuellen Befragung weitaus öfter Burschen als Mädchen an, homophob eingestellt zu sein bzw. sich an Mobbing gegen homosexuelle Menschen zu beteiligen. „Eine Erklärung dafür ist das Konzept der hegemonialen Männlichkeit. Wer nicht dem vorherrschenden Männlichkeitsbild entspricht, wird abgewertet“, erklären die Psycholog:innen.

Für die Praxis ist die Studie vor allem insofern relevant, als sie die Bedeutung einer sicheren Bindung für die positive emotionale und soziale Entwicklung von Kindern bestätigt. „Die Studie betont die Notwendigkeit, Kindern und Jugendlichen eine unterstützende und sensible Umgebung zu bieten, um der Manifestation von psychopathischen Persönlichkeitsmerkmalen entgegenzuwirken“,  unterstreicht Florian Hutzler und ergänzt, „unsere Untersuchung deutet darauf hin, dass Interventionen, die eine gute affektive Beziehung zum Kind fördern, womöglich erfolgreicher sind als solche, die auf Bestrafung beruhen.“


Publikation:

Raffael Bruckner, Sarah Schuster, Florian Hutzler: „The role of parent-adolescent relationship quality and callous-unemotional traits on sexual prejudice in adolescence“

 https://www.frontiersin.org/articles/10.3389/fdpys.2023.1284404/full


Kontakt

Univ.-Prof. Dr. Florian Hutzler
Centre for Cognitive Neuroscience / Fachbereich Psychologie
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Hellbrunner Straße 34 I 5020 Salzburg
+ 43 662 8044 5114 |

 

 

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