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Salzburger Forscherin stellt in Armenien am Genozid-Museum in Jerewan aus

Die Salzburger Armenologin Jasmine Dum-Tragut eröffnet am 31. August 2019 im Genozid-Museum in Jerewan die erste Ausstellung, die das Schicksal armenischer Kriegsgefangener in den österreichischen Gefangenenlagern im Ersten Weltkrieg zeigt.

Dieses Kapitel der Geschichte war bisher unerforscht. Die Armenologin Dum-Tragut hat es in einem Forschungsprojekt aufgearbeitet, das jetzt in der Ausstellung „Fernab der Heimat, in der Heimat“ anhand von einzigartigen Exponaten und ausgewählten Lebensgeschichten von 20 Soldaten präsentiert wird.

Während des Ersten Weltkriegs kämpften in der russischen Armee auch armenische Soldaten gegen Österreich-Ungarn. Hunderte gerieten in Gefangenschaft und mussten als Insassen der österreichischen Kriegsgefangenenlager wie z.B. in Purgstall (Niederösterreich), Spratzern (Niederösterreich), Wieselburg (Niederösterreich) oder Grödig (Salzburg) als Helfer bei Bauern, in Fabriken oder im Straßenbau arbeiten. Ihren Schicksalen ist Jasmine Dum-Tragut, Leiterin der Abteilung für Armenische Studien am Zentrum zur Erforschung des Christlichen Ostens (ZECO) an der Universität Salzburg nachgegangen. Dum-Tragut ist die einzige habilitierte Armenologin in Österreich.

„Mit den armenischen Kriegsgefangenen in österreichischen Lagern hat sich bisher noch niemand auseinandergesetzt. Ich habe versucht, ihre Geschichte, zu denen es dank der Aufzeichnungen des österreichischen Anthropologen Rudolf Pöch gute Anhaltspunkte gibt, zu verfolgen. Ich habe mich auf die Suche gemacht nach den Erfahrungen der Soldaten fernab der Heimat an der Front, ihrer Gefangenschaft, Flucht oder Befreiung, ihrer Rückkehr in die Heimat und ihrem Leben nach dem Krieg.“

Nach dreijähriger Arbeit in österreichischen, armenischen und russischen Archiven und intensiver Feldforschung in den Heimatdörfern der Kriegsgefangenen, wo Dum Tragut Angehörige aufgesucht hat, werden nun die Schicksale von 20 Soldaten in der Ausstellung „Fernab der Heimat, in der Heimat“ im Genozid-Museum in Jerewan präsentiert. Zu sehen sind Exponate aus den Kriegsgefangenenlagern, Archivfotos, Videos, Dokumentarfilme, alte Tonaufnahmen und jüngst dokumentierte Erinnerungen von Verwandten der Soldaten. Die Idee zur Ausstellung stammt von Dum-Tragut, die die Ausstellung auch kuratiert und (mit-)organisiert.

„Wenn vom 1. Weltkrieg die Rede ist, denkt in Armenien jeder an den furchtbaren Genozid, den Jungtürken im Jahr 1915 im damaligen Osmanischen Reich an bis zu 1, 5 Millionen Armeniern verübt haben. Das Ziel der Ausstellung ist es, auch die Geschichte jener Armenier ins Bewusstsein zu rufen, die im 1. Weltkrieg in der russisch-zaristischen Armee an der Front gekämpft haben.“

Dum-Traguts Interesse an der Thematik wurde ursprünglich durch Phonogramm-Aufnahmen von Armeniern geweckt, die der österreichische Anthropologe Rudolf Pöch während des Ersten Weltkriegs im Auftrag von Kaiser Franz Josef und der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften (später umbenannt in Österreichische Akademie der Wissenschaften) in österreichischen Kriegsgefangenenlagern gemacht hatte. Pöch hatte 7000 russische Kriegsgefangene, darunter auch 200 Armenier, anthropologisch untersucht. Er hat sie vermessen, fotografiert, Gipsabdrücke angefertigt, ihre Daten dokumentiert und eben auch Stimmaufnahmen („es ist sensationell, wie gut sie sind“) gemacht. „Das Phonogramm-Archiv der Österreichischen Akademie der Wissenschaften hat mich vor einigen Jahren als Expertin für die Pöch´schen Stimmaufnahmen der Armenier zu Rate gezogen. Damals war ich von einer Stimme – sie gehörte einem gewissen Arschak Manukyan –  so fasziniert, dass ich mich auf die Suche nach der Person zur Stimme gemacht habe. Das war der Keim meiner Forschung, die jetzt in der Ausstellung mündet“, sagt die Armenologin.

Armenien, das Bergland im Südkaukasus zwischen Georgien, Aserbeidschan, dem Iran und der Türkei, kaum so groß wie Niederösterreich und Oberösterreich zusammen, zählt heute ungefähr zwei Millionen Einwohner. Etwa 10 Millionen Armenier leben über die ganze Welt verstreut. „Ich bin aufgrund des Studiums der Armenologie, auf das ich durch Zufall gekommen bin, seit 31 Jahren regelmäßig in Armenien, jetzt vor der Ausstellung aber so oft wie nie zuvor, nämlich monatlich, “, sagt die 54jährige gebürtige Steirerin.

Bei der Ausstellung unterstützt wird sie – nebst dem österreichischen Außenministerium – vor allem vom Team des Genozid-Museums um Direktor Harutyun Marutyan, der auf die außergewöhnliche Tatsache verweist, dass eine Österreicherin Forschung zu Armenien macht und diese Forschung in Armenien präsentiert.

Die Ausstellung ist dreisprachig: Armenisch, Deutsch und Englisch. Leihgeber sind die das Dept. für Evolutionäre Anthropologie der Universität Wien (Sammlung nach Pöch), Österreichische Nationalbibliothek, das Staatsarchiv, das Kriegsarchiv, das Naturhistorische Museum, das Salzburg Museum u.v.m.

Eine Wissenschaftsdelegation der Universität Salzburg wird Dum-Tragut zur Ausstellungseröffnung nach Jerewan begleiten. Bei einer parallel stattfindenden Tagung sollen Kontakte zwischen der Universität Salzburg und armenischen Universitäten geknüpft und Möglichkeiten zur Zusammenarbeit gefunden werden.

Ausstellung
„Fernab der Heimat, in der Heimat. Schicksale armenischer Soldaten im Ersten Weltkrieg“
Sonderausstellung im Genozidmuseum, Jerewan, 31. August – 31. Oktober 2019
  http://www.genocide-museum.am/eng/, #ArmenianPOWAustroHungariaWWI

Kontakt
Univ.-Doz. Dr. Dr. h.c. Jasmine Dum-Tragut
  Poster Ausstellung

Abteilung für Armenologie Univ.-Doz.Dr.Dr.h.c. Jasmine Dum-Tragut, Bakk.rer.nat. Foto: Kolarik.