Numerische Lösungsalgorithmen für Variationsungleichungen

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Variationsungleichungen werden vielfältig zur Modellierung von technischen Prozessen sowie von finanzmathematischen Fragestellungen eingesetzt. Vor allem Kontaktprobleme, bei denen das Deformationsverhalten sich in Kontakt befindlicher Körper modelliert wird, stehen im Zentrum der Untersuchungen. Da Variationsungleichungen im Allgemeinen nicht explizit lösbar sind, werden zu ihrer Lösung numerische Diskretisierungsverfahren eingesetzt und auf dem Computer realisiert. Der derzeit wichtigste Diskretisierungsansatz für Variationsformulierungen besteht in der Anwendung von Finite-Elemente-Methoden (FEM), die auf einer Zerlegung des Rechengebiets in einfache geometrische Objekte (Dreiecke, Vierecke, Tetraeder oder Hexaeder) sowie auf einen darauf definierten polynomialen Ansatz mit an den Kanten oder Facetten vorgegebenen Stetigkeitsbedingungen basiert. Zu Variationsungleichungen äquivalente Formulierungen sind gemischte Formulierungen, in denen Kontakt-oder Hindernisbedingungen über vorzeichenbehaftete Lagrangesche Multiplikatoren erfasst werden, so dass diese unmittelbar in die Variationsformulierung eingehen. Diskretisierungen von Variationsungleichungen oder gemischten Formulierungen führen auf große Systeme von linearen Gleichungen und Ungleichungen, die als nichtlineare Gleichungen oder Minimierungsaufgaben umformuliert werden können. Die effiziente Lösung dieser Systeme unter Berucksichtigung des jeweils gewahlten Diskretisierungsansatzes ist eine wichtige Teilaufgabe, die bei der numerischen Behandlung von Variationsungleichungen auftritt. In der Schule werden bereits Lösungswege für lineare Gleichungen und Ungleichungen auch in mehreren Unbekannten vermittelt. Es wird zum Beispiel ansatzweise der Gaußsche Eliminationsalgorithmus für kleine Systeme mit drei bis fünf Unbekannten eingeübt. Lösungsstrategien für nichtlineare Gleichungen (z.B. Gleichungen mit quadratischen, exponentiellen oder trigonometrischen Anteilen) werden im Mathematikunterricht ebenfalls diskutiert, auch Minimierungsaufgaben werden in den höheren Klassen mit Methoden der Differentialrechnung angegangen. Demnach sind die Grundfragestellungen denSchülerinnen und Schülern in einem gewissen Umfang bekannt. Weitere numerisch-algorithmische Aspekte, die in diesem Forschungsprojekt behandelt werden und auch bereits im Mathematikunterricht zumindest ansatzweise vorkommen, sind Problemstellungenaus dem Bereich Interpolation mit Polynomen und die Berechnung von Integralen mit Quadraturformeln.

Wesentliches Forschungsziel ist die Entwicklung, Analyse und experimentelle Auswertung von effizienten numerischen Lösungsalgorithmen für Variationsungleichungen. Ausgangspunkt sollen dabei gemischte Formulierungen sein, deren Lösungstupel aus einem Deformationsgradienten in H(div) und einem vorzeichenbehafteten Lagrangeschen Multiplikator in L2 besteht, der als Differenz von Deformation und Hindernisfunktion interpretierbar ist. Zur Diskretisierung sollen Raviart-Thomas-Finite-Elemente für den H(div)-Raum und stückweise polynomiale Ansätze für den L2-Raum verwendet werden. Insbesondere wird der Einsatz von Finite-Elementen mit polynomialen Ansatzen höherer Ordnung untersucht (p- und hp-Methoden). In Abhängigkeit vom Diskretisierungsansatz weisen die beteiligten Matrizen des resultierenden Systems von Gleichungen und Ungleichungen gewisse Struktureigenschaften (z.B. Block- oder Diagonalstruktur) auf. Ziel ist die Gewinnung von effizienten Lösungsalgorithmen für dieses System unter Berücksichtigung der zugrundeliegenden Raviart-Thomas-Diskretisierung mit Finite-Elementen höherer Ordung. Im Vordergrund stehen insbesondere Semismooth-Newton-Verfahren und hierzu verwandte Active-Set-Algorithmen. Darüber hinaus werden auch projektive Uzawa-Verfahren untersucht und mit den anderen Verfahren verglichen. Der wesentliche Innovationsgehalt des Projekts besteht vor allem in der Weiterentwicklung der für deformationsorientierte Variationsformulierungen entwickelten Lösungsalgorithmen in Bezug auf die vorgegebene, gradientenorientierte gemischte Diskretisierung mit Raviart-Thomas-Elementen höherer Ordnung, was in der Literatur in der geplanten Form noch nicht dokumentiert ist. Der entscheidende Aspekt in diesem Projekt ist, dass umfangreiche Experimente durchzuführen sind, um Konvergenzeigenschaften und ihre Abhängigkeiten von Verfahrens- und Diskretisierungsparametern zu ergründen.