Mehrsprachige Schule: Spracherwerb und gesamtsprachliche Bildung

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Ziele & Inhalt

Schule ist eine „weithin versprachlichte Institution“ (Ehlich 2013), an der Sprachen nicht nur Gegenstand, sondern auch Medium des Lernens in allen Fächern sind. Dazu kommt, dass die Unterrichtsrealität heute durch mehrsprachige Schüler:innen geprägt wird, nicht nur in Österreich. Aufgrund ihrer familiären Situation und bisherigen Schulerfahrungen verfügen sie über unterschiedlich beschaffene sprachliche Ressourcen, die auch dialektale Varietäten einschließen können (innere Mehrsprachigkeit). Dem seit geraumer Zeit monierten Bildungsziel einer curricularen statt additiven Mehrsprachigkeit entsprechend (u.a. Krumm 2005) sollen diese individuellen Dispositionen von Schüler:innen sowohl in sprachlich-kultureller als auch in leistungsbedingter Hinsicht valorisiert, zusammengeführt und weiterentwickelt werden.

Ziel der sprachenübergreifenden Kooperation ist es daher, Spracherwerbskonzepte, die sich auf rezente Ergebnisse der Mehrsprachigkeitsforschung stützen, für unterrichtsmethodische Verfahren fruchtbar zu machen. Dabei schafft das Verständnis von kommunikativer Kompetenz als reflektiertes Sprachhandeln in einer vielsprachigen und globalisierten Welt eine Verbindung zur Mehrsprachigkeit. Einem emanzipatorischen Bildungsbegriff folgend soll Lernenden die Teilhabe an einer Fülle von sozialen Handlungsräumen sowie die ganzheitliche Weiterentwicklung ihrer sprachlich-kulturellen Identität ermöglicht werden. Es geht darum, das gesamtsprachliche Repertoire der Schüler:innen evidenzbasiert voranzutreiben und dabei die Wirkkraft von Sprachkompetenz auf den verschiedenen Ebenen (Bildungserfolge, Identitätsentwicklung, soziale Erwartungen usw.) gleichermaßen miteinzubeziehen (Schwerpunkt 1).

Da angehende Lehrer:innen häufig (noch) nicht ausreichend mit Voraussetzungen und Prozessen des Spracherwerbs und mehrsprachigkeitsorientierten Verfahren vertraut sind, ist auch die empirische Erforschung lehrseitiger Kompetenzen, die ungeachtet der fachlichen Verankerung für die gesamtsprachliche Entwicklung der Schüler:innen notwendig sind, ein zentrales Thema. In der Aus- und Fortbildung wollen wir (angehenden) Lehrer:innen daher keine einfachen Lösungen, sondern einen kritisch-reflektierten und innovativen Umgang mit sprachlicher Heterogenität vermitteln. Lerngelegenheiten, die den Aufbau eigener Mehrsprachigkeitskompetenz und sprachförderlicher Fähigkeiten ermöglichen, werden dabei an spracherwerbstheoretische und mehrsprachigkeitsdidaktische Inhalte gekoppelt (Schwerpunkt 2).

Schließlich braucht es auch empirische Unterrichtsforschung zur Wirksamkeit mehrsprachigkeitsdidaktischer Konzepte und zwar in Bezug auf alle Teilkompetenzen, an denen Unterrichtserfolg heute festgemacht wird. Dabei ist es von zentraler Bedeutung, Fachgruppen in den Schulen zu etablieren, in denen diese Konzepte im Sinne eines Design-Based-Research Ansatzes erprobt, empirisch untersucht und weiterentwickelt werden können (Schwerpunkt 3).

Aktuelle Projektphase: Die Projektgruppe konnte gemeinsam mit den Universitäten Eichstätt und Straßburg sowie Schulen in Deutschland, Frankreich und Österreich Drittmittel der Erasmus+ Förderschiene einwerben (Laufzeit bis 31.1.2025). Übergeordnetes Ziel ist eine Haltungsänderung aller am Schulleben Beteiligten hin zu einem europäischen Sprachenbewusstsein und der Wahrnehmung von kultureller Vielfalt als Mehrwert. Unter dem Titel SMilE: Sprache MACHT Europa – Sprachenvielfalt als Ressource in Schule und Lehrer:innenbildung werden sprachendidaktische Konzepte und Materialien auf Basis eines Mehrsprachenkompetenzmodells entwickelt sowie an den Partnerschulen implementiert und evaluiert, um hohe Effizienz und standortspezifische Adaptierbarbarkeit zu erreichen. Die Konzepte heben u.a. auf die multimodale Gestaltung von Lernarchitekturen ab (linguistic schoolscaping) und sollen interaktive, kreative und performative Sprachlernerfahrungen ermöglichen. Zudem wird ein transnationales interkulturelles Schulentwicklungskonzept mit besonderer Berücksichtigung der Erziehungspartnerschaften mit Eltern erarbeitet, erprobt und evaluiert. Die Erkenntnisse fließen in transnationale Aus- und Fortbildungsveranstaltungen für Lehrer:innen in den Partnerländern und im Kosovo ein. Der Fokus liegt auf kollaborativen Lernformen, der Sichtbarmachung sprachlich-kultureller Diversität, sprachlicher Mediation sowie dem Aufbau von Mehrsprachigkeitskompetenz. Die Ergebnisse, die sich auf alle drei o.a. Schwerpunkte beziehen, werden in Form von Handreichungen, Materialsammlungen und wissenschaftlichen Publikationen zu den evaluierten Konzepten auf einer Online-Plattform zur Verfügung gestellt. Webinare und Videos zu Lernsituationen an den Partnerschulen sollen als Impulsgeber für die Entwicklung sprachsensibler digitaler Lernräume an bilingualen Schulen und Regelschulen dienen.

  • Ehlich, Konrad (2013). Sprachliche Basisqualifikationen, ihre Aneignung und die Schule. Die Deutsche Schule 105(2), 199-209.
  • Krumm, Hans-Jürgen (2005). Von der additiven zur curricularen Mehrsprachigkeit: Über die Notwendigkeit der Einbeziehung von Minderheiten-, Migranten- und Nachbarsprachen. In: Hufeisen Britta & Madeline Lutjeharms (Hrsg.), Gesamtsprachencurriculum. Integrierte Sprachdidaktik – Common Curriculum. Tübingen: Narr, 27-36.

Weitere Projekte, in denen die Mitglieder der Forschungswabe aktiv sind:

  • SpraViVe: Sprachliche Vielfalt verstehen, wertschätzen und ausbauen (1/10/19 → 31/12/23, gefördert vom Land Salzburg)  https://spravive.com/
  • SMS: Spaß mit Sprachen. Lehr- und Materialienentwicklungsprojekt unter Einbezug von Masterstudierenden der Romanistik (seit 01/2020)  https://sprachenspassplus.soe-sbg.at/ (Webseite in Vorbereitung)

In den genannten Projekten werden u.a. Unterrichts- und Workshopmaterialien entwickelt und erprobt, Befragungen rund um die Relevanz von Mehrsprachigkeit für sämtliche Akteur:innen des schulischen Alltags durchgeführt, aber auch Aus- und Fortbildungsmaßnahmen für Lehrkräfte konzipiert und durchgeführt. Basierend auf den Erkenntnissen der Forschungs- und Entwicklungsarbeit soll die Professionalisierung der Lehrkräfte im Rahmen einer sprachlich und kulturell offenen Schule und die systematische Nutzung und Optimierung des gesamtsprachlichen Repertoires der Lernenden im Rahmen einer modernen Mehrsprachigkeitsdidaktik vorangetrieben werden.

Auswahlpublikationen

  • Pribyl-Resch, Cordula, Eugen Unterberger, Irmtraud Kaiser & Andrea Ender (2023). Sprachliche Vielfalt im Deutschunterricht betrachten, untersuchen und reflektieren. In: Stefan Hauser & Alexandra Schiesser (Hrsg.), Standarddeutsch und Dialekt in der Schule. Bern: hep (= Mündlichkeit; 7), 175-204.
  • Kainhofer, Judith & Michaela Rückl (Hrsg.) (2022): Sprache(n) in pädagogischen Settings. (Sprache im Kontext). Berlin/Boston: De Gruyter.  https://www.degruyter.com/document/doi/10.1515/9783110784756/html.
  • Koch, Corinna & Michaela Rückl (Hrsg.) (2022), Au carrefour de langues et de cultures : Mehrsprachigkeit und Mehrkulturalität im Französischunterricht (Französischdidaktik im Dialog). Stuttgart: Ibidem.
  • Rückl, Michaela (erscheint): Teaching and learning materials fostering plurilingualism. In: Christiane Fäcke, Andy Gao, Paula Garrett-Rucks (Hrsg.), Handbook of Intercultural and Plurilingual Language Learning. Oxford: Wiley & Blackwell.