Daniela Steinberger

Außerfamiliäre Kinderbetreuung in Österreich nach 1945 und die Rolle der erwerbstätigen Frau im Fokus des Politischen

(Arbeitstitel)

Die außerhäusliche Betreuung und Bildung1 von Kindern in vorschulischen Einrichtungen stehen seit ihrer Entstehung im Fokus der Öffentlichkeit, der Politik sowie der Wissenschaft. Waren es zunächst vor allem die Kinderbewahranstalten, die in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts im heutigen Österreich entstanden, und vor allem Kinder des Proletariats beaufsichtigten2, sind es heute die elementaren Bildungseinrichtungen3, die in Österreich in erster Linie mit der Bezeichnung Kindergarten in Erscheinung treten und zur sozialen Infrastruktur Österreichs zählen. 

Das Promotionsvorhaben intendiert eine Darstellung der Entwicklungsgeschichte außerfamiliärer Kinderbetreuungseinrichtungen. Die zeitliche Dimension erstreckt sich vom Beginn der Zweiten Republik 1945 bis zum Ende der 1970er Jahre4. Das Ende des Zweiten Weltkrieges, der als Zäsur fest verankert ist, brachte mit der Befreiung durch die Besatzungsmächte einen Neubeginn, die Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialistischen Regime sowie Reformchancen von überkommenen Verhältnissen mit sich.

Darüber hinaus tritt die zeithistorische Rolle der Frau in den Fokus. Frauen standen bzw. stehen noch heute in einem gesellschaftlichen und familiären Spannungsverhältnis, das insbesondere mit der Erwerbstätigkeit dieser rekurriert. Nach 1945 waren finanzielle Gründe vorrangige Motive für die Erwerbsarbeit von (oftmals verwitweten) Frauen. Die Berufstätigkeit stellte vor allem Mütter vor eine besondere Herausforderung. Konnten Kinder nicht in den Kreisen der Familie betreut werden, trat die Notwendigkeit der außerfamiliären Kinderbetreuung in den Mittelpunkt.5 Noch während des Zweiten Weltkrieges waren es zudem vor allem die Frauen, die die Wirtschaft und die Familie am Laufen gehalten haben. Mit der Rückkehr der Männer aus dem Krieg kam es jedoch zur sukzessiven Wiedereinnahme der angestammten Positionen in Familie und Beruf und darüber hinaus zur Re-Domestizierung der Frau.6 Diese prägnant skizzierte Ungleichheit der Geschlechterverhältnisse, die ebenfalls Gegenstand der Untersuchung ist, verweist auf den theoretischen Bezugspunkt des geplanten Vorhabens.7 Das Erkenntnisinteresse bezieht sich insofern vornehmlich auf die Institutionengeschichte des Kindergartens und die Rolle der erwerbstätigen Frau in Österreich von 1945 bis Ende 19708 und führt zu der Frage, welche Rolle die Politik, Medien, Wissenschaft sowie soziale Bewegungen und politisch Engagierte spielten

Erziehungswissenschaftlich-relevante    Fragestellungen werden aus historisch-diskursanalytischer Perspektive erforscht. Im Zentrum der bildungshistorischen Studie steht die Entwicklung der elementaren Bildungseinrichtungen im Bundesland Salzburg von 1945 bis Ende 1970. Zudem soll, wie bereits erwähnt, der Fokus auf die zeithistorische Rolle der Frau im generellen sowie auf die Erwerbsarbeit von Frauen und insbesondere Müttern gerichtet werden. Konkret wäre daher angedacht, sich mit 

  • Präsidiumsakten und Landtagsprotokollen des Salzburger Landtages,
  • Quellenbeständen des Kinderbetreuungswesens auf Stadt- bzw. Gemeindeebene,
  • Tagungsbänden pädagogischer Fachtagungen,
  • Zeitgenössischen Publikationen namhafter Erziehungswissenschaftler:innen – sowie zeithistorischen Printmedien auseinanderzusetzen.

Die Aufarbeitung historischer Archivbestände erfolgt im Sinne der Quellenkritik und bildet den Kern der empirischen Studie. Die Quellenkritik analysiert die formalen und inhaltlichen Merkmale einer Quelle. Nach der Sichtung werden die Quellen diskursanalytisch nach Achim

Landwehr9 ausgewertet. Gesammelte Materialien und Wissensbestände werden zum Schluss auf einen Diskursstrang zusammengefasst. Die Ergebnisse der historischen Diskursanalyse stellen die Erkenntnisse zum gewählten Forschungsinteresse dar.10

1  Die Landesregierungen aller Bundesländer Österreichs bekennen sich seit 2009 zum Bildungsauftrag vorschulischer Kinderbetreuungseinrichtungen. Vgl. BMUKK, Bundesländerübergreifender Bildungsrahmenplan für elementare Bildungseinrichtungen in Österreich, Wien 2009; Richtet sich der Blick auf die Geschichte kann festgestellt werden, dass vorschulische „Bildung“ nicht immer schon bewusst als Teil des Kinderbetreuungswesens wahrgenommen und definiert wurde. Siehe Daniela Steinberger, D‘ Anstalt. Außerfamiliäre Kinderbetreuung im 19. und beginnenden 20. Jahrhundert. Die Geschichte des Kindergartens in Österreich am Fallbeispiel Telfs, Innsbruck 2019.

2 Zur österreichischen Geschichte der Kinderbewahranstalt und des Kindergartens im 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts vgl. Steinberger, D‘ Anstalt, 2019.

3 Diese Begrifflichkeit geht auf den im Jahr 2009 entwickelten „Bundesländerübergreifenden Bildungsrahmenplan für elementare Bildungseinrichtungen in Österreich“ zurück und umfasst alle institutionellen Formen der Bildung und Betreuung von Kindern bis zum Schuleintritt. Vgl. BMUKK, Bundesländerübergreifender Bildungsrahmenplan, 2009.

4 Die 1970er Jahre stehen u.a. für das Aufkommen der Frauenbewegungen in Österreich, die im Dissertationsvorhaben eine wesentliche Rolle spielen, im Abstract aber nicht ausführlicher thematisiert werden. 5 Heidemarie Lex-Nalis/Katharina Rösler, Geschichte der Elementarpädagogik in Österreich, Weinheim/Basel 2019, 107.

5 Lex-Nalis/Rösler, Geschichte der Elementarpädagogik, 2019, 109.

6 Annette Ramelsberger, Kampf um Gleichberechtigung nach 1945. Die Domestizierung begann umgehend, in: Süddeutsche Zeitung, 07.05.2015, [https://www.sueddeutsche.de/politik/frauen-das-kleine-bisschen-glueck1.2468158-2], eingesehen 28.02.2022.

7 Zu Ungleichheiten in den Geschlechterverhältnissen vgl. u.a. Birgit Bütow, Arbeit, Liebe und Care im Kontext der Geschlechterverhältnisse – Aktuelle Befunde und interdisziplinäre Analysen, in: Christian, Spatscheck/Sabine Wagenblass (Hg), Bildung, Teilhabe und Gerechtigkeit. Gesellschaftliche Herausforderungen und Zugänge Sozialer Arbeit, Weinheim und Basel 2013, 200-216.

8 Die 1970er Jahre markieren vor allem das Aufkommen der Frauenbewegungen in Österreich, weswegen der Untersuchungszeitraum bis zum Ende dieses Jahrzehnts beschränkt wurde.

9 Achim Landwehr, Historische Diskursanalyse, Frankfurt am Main 2018.

10 Ebd., 125.