Theresa Lechner (FB Erziehungswissenschaft)

Dissertation mit dem Arbeitstitel:

Zwischen Eine relationale Anthropologie der Person

Die geisteswissenschaftliche Idealvorstellung und die konkrete pädagogische Praxis in Institutionen und Lebensfeldern klaffen weit auseinander. Im Rahmen dieses allgemeinpädagogischen Forschungsprojekts wird der Versuch unternommen, die Antinomie zwischen der praktischen Erziehungswirklichkeit und pädagogischen Idealvorstellungen in ihrem relationalen Zusammenhang zu begreifen. Ausgehend von der Tatsache, dass pädagogisches Handeln in Beziehungen stattfindet, kommt der Impuls für die Untersuchung vom sog. „ZWISCHEN“, das am Beginn des 20. Jahrhunderts zur Beschreibung der „Sphäre zwischen den Menschen“ (Martin Buber) geprägt worden ist. Diese existenzphilosophische Figur zeichnet sich dadurch aus, dass „eine Beziehung zwischen menschlichen Personen nicht mehr, wie man gewohnt ist, entweder in den Innerlichkeiten der Einzelnen oder in einer sie umfassenden und bestimmenden Allgemeinwelt lokalisiert, sondern faktisch zwischen ihnen“ (Buber 1962, S. 405).

Das ZWISCHEN stellt die Schlüsselfigur dieser historisch-systematischen Studie dar, in der die Hinwendung zum Anderen im Zentrum der Betrachtungen steht. Im Zwischen wenden sich Menschen einander zu; sie sprechen sich gegenseitig an und bringen sich selbst im Miteinander ein. Menschen werden in Relation zum Anderen und entwickeln in Beziehungen ihre personale Identität. Es findet eine Aktuierung der Person (Winfried Böhm) statt, die mit den gesellschaftlichen Verhältnissen verschränkt ist, in denen die Beziehungen stattfinden. Diese Verschränkungen werden mit Norbert Elias als relationale „Figurationen“ betrachtet und mithilfe des „Bezugsgewebe menschlicher Angelegenheiten“ (Hannah Arendt) sowohl auf subjekttheoretischer (personaler) als auch auf gesellschaftlich-politischer Ebene expliziert.

Ziel ist es, aus diesen und weiteren personalen Ansätzen eine relationale Anthropologie abzuleiten und in ihrer gesellschaftstheoretischen Dimension zu betrachten. Um diese theoretischen Überlegungen für die Pädagogik anschlussfähig zu machen, wird im ersten Abschnitt die Pädagogik als praktische Wissenschaft rekonstruiert, die am Beginn des 19. Jahrhunderts von Friedrich Daniel Ernst Schleiermacher als Subjekt- und Gesellschaftstheorie entworfen wurde. Seine dialektische Grundlegung wird in ihrer kulturwissenschaftlich-anthropologischen Entwicklung (Klaus Mollenhauer) relational weitergedacht. Die Annäherungen an das ZWISCHEN, die im zweiten Abschnitt unternommen werden, machen Spielräume innerhalb der gesellschaftlichen Gesamtpraxis sichtbar, in denen Menschen ihre personale Identität entfalten. Im abschließenden dritten Teil werden die macht- und herrschaftsbedingten Grenzen dieser besonderen Beziehungsweisen beleuchtet. Es wird zu zeigen sein, dass trotz der konstitutiven Asymmetrie in pädagogischen Verhältnissen Möglichkeiten der Enthierarchisierung bestehen und vorangetrieben werden können. Die Bewusstwerdung des Zwischen eröffnet eine relationale Anthropologie, die genau das vorstellbar macht – und damit eine relationale Fortführung der dialektischen Grundlegung der Disziplin darstellt.