Flurina Camenisch

FachbereichGeschichte
HauptbetreuerProf. Dr. Simon Teuscher (UZH)
NebenbetreuerinUniv. Prof. Dr. Christina Antenhofer
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Thema der DissertationKredite, Korrespondenz, Konflikte: Grenzüberschreitende Adelsbeziehungen und transregionale Verflechtungen im spätmittelalterlichen Graubünden
AbstractAufgrund der Tatsache, dass das Gebiet des heutigen Kantons Graubünden geographisch am Rande der Schweiz liegt, wird es oftmals als periphere Region wahrgenommen. Diese nationalstaatlich geprägte Sichtweise wurde durch die ältere Geschichtsforschung auch auf das Spätmittelalter zurückprojiziert. Neuere Untersuchungen zu anderen Regionen der heutigen Schweiz haben in den vergangenen Jahren jedoch gezeigt, dass die eidgenössischen Orte und deren Führungsschicht im Spätmittelalter auf vielfältige Art und Weise mit angrenzenden politischen Entitäten verbunden waren und lassen vermuten, dass für das Gebiet des heutigen Graubündens Ähnliches galt.
Obwohl gerade das Gebiet des heutigen Kantons Graubünden von verschiedenen politischen und kulturellen Spähern umgeben und geprägt ist und war, blieben für dieses Gebiet verflechtungsgeschichtliche Untersuchungen für das Spätmittelalter bisher jedoch weitgehend aus. Gerade der Adel, der sich aufgrund seiner zahlreichen grenzüberschreitenden Beziehungen als Untersuchungsgegenstand besonders gut eigenen würde, wurde in der neueren Forschung kaum berücksichtigt, was auf eine noch immer andauernde Verdrängung des Adels aus dem schweizerischen Geschichtsbild zurückzuführen ist.
Das Dissertationsprojekt möchte diese – sowohl geographische als auch akteursbezogene – Forschungslücke schliessen. Dafür werden exemplarisch die grenzüberschreitenden Beziehungen Graf Georgs von Werdenberg-Sargans (1425-1504) untersucht. Dieser ist ein prominentes Beispiel für einen spätmittelalterlichen Adligen, der zahlreiche Beziehungen zu auswärtigen Machthabern wie den Herzögen von Mailand oder dem Herzog von Tirol unterhielt und gleichzeitig seine lokale Machtposition im Raum des heutigen Graubündens vergleichsweise lange halten konnte.
Ziel des Projekts ist es einerseits, die Ausgestaltung der grenzüberschreitenden Beziehungen Graf Georgs und deren Bedeutung für dessen Machterhalt zu analysieren. Zu welchen Akteuren suchte Graf Georg in welchen Situationen Beziehungen? Welche gegenseitigen Interessen und Machtverhältnisse waren für die jeweiligen Beziehungen charakteristisch? In welchen Situationen führten die grenzüberschreitenden Beziehungen zu einem konkreten Vorteil für Graf Georg und in welchen Situationen führten sie aus welchen Gründen zu Konflikten?
Ziel des Projekts ist es zudem, zu analysieren, welche Bedeutung die grenzüberschreitenden Beziehungen Graf Georgs für die Bevölkerung in seinen Bündner Einflussgebieten hatten.
Das Projekt geht dabei von der Prämisse aus, dass Graf Georg als eine Art grenzüberschreitender Broker agierte und damit einen Einfluss auf die lokale Gesellschaft und deren Einbindung in transregionale Verflechtungszusammenhänge hatte.
Die drei Schlagworte «Kredite, Korrespondenz, Konflikte» im Titel des Dissertationsprojekts verweisen einerseits auf mögliche Folgen der grenzüberschreitenden Beziehungen Graf («Konflikte»), andererseits verweisen sie auf die Methode des Projekts («Kredite», «Korrespondenz»). So wird versucht, die Ausprägung der grenzüberschreitenden Beziehungen Graf Georgs und deren Bedeutung für die lokale Bevölkerung anhand von verschiedenen Praktiken wie Kreditvergaben, Korrespondenzinhalt und -häufigkeit usw. zu rekonstruieren.