Marius Müller

FachbereichGeschichte
HauptbetreuerUniv.-Prof. Dr. Tanja Bührer
Nebenbetreuer
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Thema der DissertationMaritime Netzwerke: Die französische Ostindienkompanie zwischen Handelskontakten, Wissensgenerierung und interkultureller Diplomatie (1664–1788)
AbstractSeit der Mitte des 16. Jahrhunderts verschränkten sich mit der Expansion europäischer Mächte nach Übersee diplomatische und wirtschaftliche Kontakte, politisch-militärische Konflikte und Wissensnetzwerke zur Informationsbeschaffung, was schrittweise zum Aufbau von kolonialen Herrschafts- und Verwaltungsstrukturen führte. Mit der 1664 unter Ludwig XIV. (1638–1715) gegründeten Compagnie des indes orientales (CIO) begann erstmals auch Frankreich die bisher von privaten normannischen und bretonischen Kaufleuten geführten Handelstätigkeiten nach Indien und Asien zu monopolisieren und den Zugang zum begehrten Gewürzhandel unter staatliche Kontrolle zu bringen. Trotz der Konkurrenz mit der erfolgreichen niederländischen Vereenigde Oostindische Compagnie und der British East India Company gelang es der CIO im Laufe des 17. und 18. Jahrhunderts großräumige Gebiete in ihren Besitz zu bringen – darunter etwa die Inseln Madagaskar (Île Dauphine), La Réunion (Île Bourbon) und Mauritius (Île de France) im Indischen Ozean. Auf dem indischen Subkontinent errichtete Frankreich wichtige Stützpunkte und Faktoreien, wie etwa in Surat, Chandannagar und Pondichéry. Während die ältere französische Forschung aus einer nationalgeschichtlichen Perspektive vor allem nach den Voraussetzungen des Scheiterns Frankreichs in Asien fragte, nimmt das Dissertationsprojekt dagegen die polyzentrischen Netzwerke und ihre sozialen Strukturmuster in den Blick und verbindet damit lokale Verhältnisse mit übergreifenden, politisch-kolonialen Ordnungen an der Schnittstelle von Mikro- und Makrogeschichte. Ziel der Arbeit ist es, die vielfältigen wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Verflechtung der französischen Ostindienkompanie im Indischen Ozean ‚von unten‘, d.h. durch eine kulturgeschichtlich, praxeologisch und wissenschaftshistorisch informierte Analyse zu rekonstruieren, indem der Transport und die Zirkulation von Waren ebenso im Fokus stehen wie naturkundliche Verfahren und Praktiken, welche die beteiligten Akteur:innen in kulturübergreifenden, wirtschaftlichen und diplomatischen Kontaktsituationen generierten und weitergaben. Anstatt das koloniale Projekt allein von Europa aus zu betrachten, bietet die Studie eine dezidierte Analyse der überregionalen Austauschbeziehungen zwischen europäischen und süd(ost)asiatischen Akteur:innen. Auf diese Weise soll ein Beitrag dazu geleistet werden, lokale und globale Verschränkungen kolonialer Großprojekte am Beispiel der französischen Ostindienkompanie aufzuzeigen und die lokalen Voraussetzungen und Folgen des historischen Wandels wie auch die Möglichkeiten und Grenzen vielfach bedingter Kolonialherrschaft zu verstehen.