Mina Miyamoto

FachbereichKunstgeschichte
HauptbetreuerUniv. Prof. Mag. Dr. Renate Prochno-Schinkel (FB Kunst-, Musik- und Tanzwissenschaft)
NebenbetreuerUniv. Prof. Dr. Alexander Zerfaß (Liturgiewissenschaft)
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Thema der DissertationKostbare Textilien als Vorhänge in mittelalterlichen Handschriften
AbstractDas Dissertationsprojekt analysiert Textilien, sogenannte „Vorhänge“, die oft über Miniaturen und Initialen in illuminierten liturgischen Handschriften aus dem Mittelalter eingenäht wurden. Diese Stoffe dienten als Schutz, um zu vermeiden, dass die empfindliche Ausstattung der Pergamente abgerieben oder beschädigt wird. In letzter Zeit wird in der Forschung ein neuer Ansatz diskutiert. Dabei geht man davon aus, dass diese Vorhänge auch eine andere Funktion hatten: so könnten die Verhüllungen durch Vorhänge oder die Vorhänge selbst allegorische Bedeutung haben. Mit dieser rituell-allegorischen Funktion setzen sich die letzten Forschungsarbeiten zu gemalten Textilseiten/Textilornamenten auseinander.
 
Die Vorhänge gingen in den meisten Fällen verloren. Gemusterte Vorhänge haben sich heute in fünf illuminierten liturgischen Handschriften erhalten, das sind: Zwei Salzburger Handschriften aus dem 11. Jahrhundert, das Salzburger Perikopenbuch (BSB, clm 15713) und das Glazier-Lektionar (ML, G.44); eine zeitgleich hergestellte angelsächsische Handschrift, das Evangeliar Judiths von Flandern (ML. MS M.709); sowie zwei französische Beispiele aus karolingischer Zeit, nämlich die Theodulf-Bibel von Le Puy und die Bibel von Tours (HAB, Cod. Guelf. 16 Aug. 2°). Bemerkenswert ist, dass die Stoffe unterschiedlicher Herkunft sind wie beispielsweise aus dem östlichen Mittelmeerraum, aus dem islamischen Bereich oder auch aus Byzanz.
 
Im Rahmen des Dissertationsprojektes sollen folgende Fragen untersucht werden: Warum wurden so kostbare Seidengewebe aus verschiedenen Kulturbereichen/Epochen als Vorhänge verwendet und welche Bedeutung hatten sie? Warum wurden die Vorhänge meist zu einem späteren Zeitpunkt hinzugefügt? Es wäre für die Herstellung der Handschriften praktischer gewesen, wenn man die Vorhänge beim Binden des Buches eingenäht hätte. Die gemalten Ausstattungen der karolingischen Handschriften wurden oft nicht beschädigt, obwohl keine Vorhänge erhalten sind. Warum wurden hier später keine Vorhänge hinzugefügt? Was könnte die Vorhänge ersetzen? Wurden die Textilien für den bestimmten Zweck als Vorhänge in Handschriften gewebt? Wo findet man ähnliche Gewebe (hinsichtlich Material/Technik/Muster) wie die hier erwähnten Vorhänge?
Die kostbaren, gemusterten Seidengewebe wurden auch für Einbände, Innenseiten der Einbände und Kanten der Handschriften verwendet. Könnte dies mit Vorhängen im Kirchenraum zusammenhängen? Welche allegorische Funktion haben die Vorhänge und der Moment der Verhüllung? Könnten die Vorhänge mit biblischen, theologischen Texten einen Zusammenhang stehen, so wie Eberlein (1982) es mit gemalten Vorhängen versucht? Welche Rolle spielten die Vorhänge während der Liturgie? Dienten sie als «Performance» oder sollten sie die Heilige Schrift symbolisch verhüllen? Warum die Vorhänge (vela) dann in „Libri ordinarii“ nicht erwähnt wurden, wenn sie rituelle Bedeutung hatten?
Der Kulturtransfer zwischen Osten und Westen ist ein weiterer möglicher Schwerpunkt der Dissertation – warum zum Beispiel Textilien, die an Orten mit anderen Religionen hergestellt wurden, in die abendländischen Handschriften aufgenommen wurden.