1,2,3G

The Rector’s Column, Folge 9 | 07.09.2021

Liebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter,

Liebe Studierende,

heute darf ich mich mit der Rector`s Column aus – wie es so schön heißt – gegebenem Anlass an Sie wenden. Denn in den vergangenen Tagen war viel darüber zu lesen unter welchen Bedingungen eine Rückkehr zu Präsenz und halbwegs zu der von uns allen ersehnten Normalität des Universitätsbetriebes mit persönlichen Begegnungen und diskursivem Austausch möglich sei. Unterschiedliche Szenarien wurden in den Medien diskutiert und zitiert; so auch ich richtigerweise mit der Aussage, dass „mein persönlicher Favorit die 1G-Regel sei“. Doch dazu, und auch zu den an der PLUS vorgesehenen Regelungen, gleich noch mehr.

Unstrittig ist, dass wir in der schwierigen Situation zwei übergeordnete Ziele und Prinzipien im Lehrbetrieb miteinander vereinen wollen: so viel Präsenz wie irgend möglich auf der einen und Sicherheit vor Neuansteckungen und damit Ausüben unserer Fürsorgepflicht für Mitarbeiter*innen und Studierende auf der anderen Seite. Die Diskussion an den Universitäten zeigt, dass das Meinungsspektrum sehr breit ist: MedUnis planen sowohl mit 1G (geimpft), 2G (geimpft oder genesen) oder 3G (geimpft, genesen oder getestet). Auch an den anderen Universitäten gibt es viel Sympathie für die 1G-Regel. Zu Recht wird argumentiert, dass sich die Universitäten einer zumindest 2G-Regel kaum verschließen können, wenn bei uns für Gastronomiebetriebe diskutiert wird, die 2G-Regel einzuführen und in Deutschland bereits ein 2G-Optionsmodell für unterschiedlichste Veranstaltungen praktiziert wird (Hamburg). Für diese Modelle gibt es zumindest drei treffliche Argumente: bei einer Impfquote in Österreich und Deutschland von ca. 60 Prozent kann dieser Gruppe nur noch schwerlich zugemutet werden, sich in ihren Grundrechten einzuschränken, zum zweiten ist 2G sicherer als 3G, weil sich dann natürlich Ungeimpfte nicht mehr ohne weiteres anstecken können und schließlich, weil ein weiterer Lockdown so vermieden werden kann. Außerdem ganz wichtig: ein Antigen-Test, mit dem der Status des dritten G überprüft wird, ist vor allem dann, wenn er als Selbsttest durchgeführt, höchst ungenau (und nur max. 12- 24h gültig) und so kaum als Kriterium heranzuziehen. Nur der PCR-Test bietet hier die erforderliche Sicherheit.

Kurzum, vieles spricht für eine striktere Regel, gerade auch vor dem Hintergrund, dass wir eine umfassende Fürsorgepflicht für alle Studierende, alle Mitarbeiter*innen empfinden und ausüben müssen. Vor diesem Hintergrund habe ich mich (und nicht nur ich) für eine 1G-Regel ausgesprochen. Auch als Mediziner habe ich in allen Interviews immer betont: der Genesenenstatus (und das gebietet im Übrigen auch der Respekt vor allen, die eine zum Teil schwere Covid-Erkrankung durchgemacht haben) verleiht für einen bestimmten Zeitraum mindestens den gleichen Schutz wie eine Impfung – daher auch die Definition von 2G. Nur wird eines viel zu wenig in den Diskussionen um die G-Regeln beachtet: jeder Genesene benötigt eine Impfung zu einem späteren Zeitpunkt – sonst verliert er den Schutz der Immunität und trägt zum Übertragungsrisiko bei. Dies ist das letztendliche (und aus meiner Sicht richtige) Motiv, von 1G zu reden – unter Inklusion der Genesenen.

Bevor ich zu einigen in diesem Kontext wichtigen medizinischen Aussagen komme, lassen Sie mich kurz ausführen, warum wir nicht flächendeckend 1 bis 2G an der Universität, sondern sehr differenziert alle G-Regeln einsetzen: wir sind (auch wenn eine 1G-Regel verfassungskonform wäre; siehe hierzu den Kommentar Prof. Stöger aus Wien in den SN vom 27. August) verpflichtet, allen Studierenden, ob sie geimpft sind oder nicht, den Weg zu einer optimalen Ausbildung zu ermöglichen. Die Antwort auf diese Dialektik vorweggenommen lautet: alles dafür tun, dass sich alle Universitätsangehörigen so rasch als möglich impfen lassen.

Einige wesentliche medizinische Aspekte:

Ohne Wenn und Aber: Wir stehen zumindest am Anfang einer 4. Welle, die nach den aktuellen Daten des Robert-Koch-Institutes (RKI) wesentlich junge Erwachsene und vor allem Ungeimpfte betrifft. Die Inzidenzzahlen liegen derzeit in Österreich bei rund 125 Neuinfektionen pro Tag ( https://coronavirus.datenfakten.at/). Geschuldet ist dies vor allem der sogenannten Delta-Variante des Virus, die deutlich infektiöser ist als die anderen Varianten und einen sehr hohen sogenannten R-Wert von 10-12 aufweist (dies bedeutet, dass ein mit dem Virus Infizierter etwa 10-12 weitere bislang nicht Infizierte ansteckt; Zahlen des cdc, link s. unten).

Auch die Anzahl der Patient*innen, die in eine Klinik aufgenommen werden müssen, steigt kontinuierlich an; in den meisten Teilen Österreichs und Deutschlands sind es ca. 10mal so viel Ungeimpfte wie Geimpfte, die stationär behandelt werden müssen. Nach dem aktuellen Wochenbericht des RKI waren nur ca. 5 Prozent der Patient*innen, die intensivmedizinisch behandelt werden mussten, geimpft. Auch wenn sich Geimpfte erneut infizieren und Symptome zeigen können („Impfdurchbrüche“) – sie kommen deutlich seltener in die Klinik und es betrifft derzeit vor allem ältere Personen, deren Impfung bereits vor über 6 Monaten erfolgt ist.

Und damit sind wir bei dem großen Thema, das uns alle gleichermaßen beschäftigt: wie sicher und vor allem auch wie effektiv ist die Impfung. Sie alle kennen die Daten, die medizinisch als höchst verlässlich gelten; die Wirksamkeit (=Infektionsschutz) der sogenannten mRNA-Vakzine (Biontech/Pfizer, Moderna) liegt bei annähernd 95 Prozent, die der vektorbasierten Impfstoffe (Astra-Zeneca, Johnson&Johnson) bei annähernd 75 Prozent mit einer weiteren Steigerung durch eine heterologe Zweit-Impfung (mRNA nachfolgend auf Vektor). Auch wenn diese Zahlen unterschiedlich sind, alle Wirkstoffe schützen zu etwa 85 Prozent vor schweren Krankheitsverläufen, vor der Aufnahme auf die Intensivstation und dem Tod. Natürlich ist es die Frage nach den Nebenwirkungen überaus berechtigt; leichte Nebenwirkungen wie Schmerzen an der Einstichstelle, grippeähnliche Symptome, Müdigkeit oder auch Kopfschmerzen verspüren zwei Drittel aller Geimpften und haben daher die meisten von Ihnen auch wahrgenommen. Schwere Nebenwirkungen wie Embolien (Blutgerinnsel) bei jungen Frauen oder Myokarditiden (Herzmuskelentzündungen) bei jungen Männern sind extrem selten und stehen in keinem Verhältnis zum Nutzen der Impfung.

Die Dauer des Impfschutzes ist leider nicht unbegrenzt; die aktuellen Daten zeigen, dass insbesondere in der Gruppe der über 60-jährigen (der Gruppe, in der eine Immunseneszenz besteht, eine Alterung und Funktionsverschlechterung des Immunsystems) der Schutz nach sechs Monaten abnimmt. Daher wird nun auch zunehmend empfohlen, eine erneute Impfung („Booster-Impfung“) zumindest in der Gruppe der Älteren und der Personen mit Begleiterkrankungen vorzunehmen. Auch unser Immunsystem ändert seine Antwort auf die Impfung: die kurzfristig gebildeten sogenannten Antikörper vom Typ IgA ändern sich zu den langfristigen vom Typ IgG. Da auch die Antikörpermessung, die vielfach zur Bestimmung des Infektionsschutzes propagiert wird, ungenau ist (es werden hier nur die Antworten der sogenannten B-Zellen erfasst, nicht die mindestens genauso wichtigen Antworten der T-Zellen), sollten wir frühzeitig über die sichere und effektive Auffrischimpfung nachdenken. Wann diese genau erfolgen sollte, wird sicher in kürzester Zeit für die unterschiedlichen Altersgruppen festgelegt sein. Eine wichtige Anmerkung noch: vollimmunisierte Personen (d.h. 2malige Impfung) werden ab jetzt im Land Salzburg automatisch im Kontaktfall als K2 (Kontaktpersonen der Kategorie 2) geführt – sie dürfen sich also genauso frei bewegen wie zuvor, sollten aber außerhalb ihrer häuslichen Umgebung eine FFP-2 Maske tragen.

Für diejenigen, die genesen sind, gibt es klare Vorgaben, wann eine Impfung und damit Vollimmunisierung durchgeführt werden sollte; dies ist beispielsweise auf den Seiten der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung sehr dezidiert nachzulesen (Link siehe unten). Es ist mir sehr wichtig, dies noch einmal zu betonen, da in der aktuellen Nomenklatur der 1,2,3G-Regeln diese Empfehlung leicht untergehen kann.

Es gibt nur sehr wenige medizinische Gründe, die eine Impfung unmöglich machen. Hier handelt es sich um seltene allergische Reaktionen auf Inhaltsstoffe der Vakzine oder noch seltenere Vorerkrankungen wie zum Beispiel Störungen des Gerinnungssystems oder der Blutgefäße. Auch wenn es sehr wichtig ist, diese sogenannten Kontraindikationen zu erfassen – sie betreffen einen Promillbereich aller zu impfenden Personen. Auch an der PLUS bieten wir Ihnen an, sich hier genau zu informieren – über das Präventionsteam, den arbeitsmedizinischen Dienst oder gerne auch über mich.

Unsere Regelungen an der PLUS

Wir haben lange und intensiv überlegt, mit welchen Maßnahmen wir an der PLUS wieder einen Präsenzbetrieb in Lehre und Forschung herstellen können; ein ausführliches Schreiben hierzu haben wir aktuell versandt. Ausgehend davon, dass wir eine optimale Balance zwischen Präsenzermöglichung und Fürsorgepflicht (und damit verbundener Kontrollnotwendigkeit) erreichen wollen, haben wir uns für eine 3G-Regel mit zusätzlicher Sicherheitsmaßnahme und einer 1(bis 2)G-Regel bei ausgewählten Lehrveranstaltungen, bei denen ein Mund-Nasen-Schutz keine ausreichende Sicherheit bietet, entschlossen. Nicht zuletzt, da das Tragen einer Maske insbesondere einen Schutz vor der schnell und leicht übertragbaren Delta-Variante darstellt, haben wir uns zu weiteren Sicherheitsmaßnahmen, nämlich einen Mund-Nasen-Schutz in allen Verkehrsräumen bzw. der Einhaltung von Abständen in allen Räumen mit fixem Sitzplatz entschlossen.

Ein Impfappell

Sie ahnen es: diese Rector`s Column ist letztendlich geschrieben worden, um all jenen, die noch nicht geimpft sind, auf das nachdrücklichste eine Impfung zu empfehlen, denn diese bietet den besten Schutz für Sie selbst und alle anderen in Ihrem Umfeld. Jede Mitarbeiterin, jeder Mitarbeiter, jede Studierende, jeder Studierender, die oder der sich nicht für eine Impfung entscheidet, gefährdet alle Menschen in ihrer und seiner Umgebung. Und nicht nur die akute Erkrankung wird erspart, sondern auch ihre Folgen im Sinne eines Long-Covid Syndroms, das – wie eine aktuelle Arbeit in „The Lancet“ zeigt -, die Hälfte der Erkrankten betrifft und zu erheblichen Spätfolgen führt. Vielleicht ist Kontrolle ein nachgeordnetes Argument: aber mit der Impfung ersparen Sie sich auch die ansonsten regelmäßig vorzulegenden Testnachweise und erleichtern erheblich den Lehrbetrieb.

Die Spielräume für jene, die sich gegen eine Impfung entschieden haben, werden sicher geringer; auch wenn es eine freie und autonome Entscheidung ist, sich nicht impfen zu lassen: sie gefährden andere – die sich nicht impfen lassen können (auch wenn es wenige sind), Kinder unter 12 Jahren, aber auch die, die bereits geimpft sind. Ich verstehe auch, dass es diejenigen, die nicht geimpft sind, als erheblichen Eingriff in ihre Persönlichkeitsrechte empfinden, wenn sie nicht zu Veranstaltungen oder ähnlichem zugelassen werden. Aber vor dem Hintergrund der Verantwortung, die wir alle spüren (sollten), ist die Erleichterung gesellschaftlichen Lebens für die, die geimpft sind, mindestens genauso hoch einzuschätzen.

Falls Sie noch nicht geimpft sind, nutzen Sie jetzt die Gelegenheit, denn es dauert mehrere Wochen, bis der Impfschutz aufgebaut ist. Wir werden als Rektorat unverändert auf Aufklärung und Appelle setzen; jedenfalls nicht auf originelle Incentives wie schon anderswo praktiziert. So werden in den USA „Impfmuffel“ mit Lotterielosen oder in Russland mit Einkaufsgutscheinen gelockt, einen Impfhunderter werden wir uns auch nicht leisten können und werden auch – wie in Indonesien – keine Gefängnisstrafen für Verweigerer verhängen.

Stattdessen: es wird niedrigschwellige Impfangebote geben, Ende September und Anfang Oktober stehen Impfbusse an der Universität und wir werden immer für alle, die noch zögern, mit Zeit und Argumenten zur Verfügung stehen.

Prävention

Wir haben aber auch noch viel mehr aus der Covid-Pandemie gelernt und ich möchte zum Schluss noch einige wenige zusätzliche Gedanken mit Ihnen teilen. Und hier vor allem den Gedanken, dass die Prävention von sogenannten Zivilisationskrankheiten erheblich dazu beitragen würde, die katastrophalen Auswirkungen von Covid auf Morbidität und Sterblichkeit zu verringern. Übergewicht ist nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) als stärkster Risikofaktor für eine schwere Covid-Erkrankung identifiziert worden, die damit oft verbundenen Probleme wie Diabetes oder hoher Blutdruck tragen ebenfalls erheblich zum Risiko bei und verschlechtern sich zudem im Lauf der Erkrankung. Diese Wechselwirkung haben wir gerade mit einer größeren Arbeitsgruppe in einem Artikel beschrieben, der in der Zeitschrift „Lancet Endocrinology & Diabetes“ erscheinen wird. Es ist ein Teufelskreislauf – denn in den Zeiten des Lockdowns haben nach einer Erhebung des Else-Kröner-Zentrums für Ernährungsmedizin 40 Prozent der Befragten angegeben, deutlich zugenommen zu haben. Im Durchschnitt waren es 5.6 Kilogramm. Mindestens genauso bedeutend sind natürlich auch die negativen psychosozialen Folgen des Lockdowns. Vielleicht ist es ja eine gute Lehre aus der Pandemie, dass wir auf uns achten und ein noch stärkeres Bewusstsein für seelische und körperliche Gesundheit entwickeln.

Liebe Mitarbeiter*innen, liebe Studierende, jetzt habe ich viele Minuten Ihrer Zeit in Anspruch genommen. Ich hoffe aber, dass diese Zeilen vermittelt haben, dass wir uns an der Universität nur zwei Dinge wünschen: Rückkehr zur einer neuen, alten Normalität und dies unter Bedingungen, die uns die Sorge eines erhöhten Infektionsrisikos nehmen. Dies geht nur gemeinsam, indem wir auf uns und die anderen achten, die verbindlichen Regeln einhalten, die unser Präventionsteam formuliert hat und vor allem: uns impfen lassen, auch erneut, wo notwendig, und mit denen in das Gespräch kommen, die hier noch zögern.

Das Rektorat und ich persönlich bieten Ihnen an, jederzeit mit Ihnen zu sprechen und spätestens bei komplexen Problemen zu beraten.

Mit großem Dank und den besten Grüßen und Wünschen

Ihr

Rektor Hendrik Lehnert

 

Wichtige Links:

 Informationen zum Coronavirus (sozialministerium.at)

 Coronavirus (ages.at)

 RKI – Infektionskrankheiten A-Z – COVID-19 (Coronavirus SARS-CoV-2)

 BZgA: Startseite

 https://www.cdc.gov/coronavirus/2019-ncov/index.html